Valery, Enkel von Wassilij Issajewitsch Noskow (08.03.1910 – 01.10.1942)
Nach den Erinnerungen seines Enkels Valery gab es in der Familie keine Fotos seines Großvaters. Er wusste nicht, wann sein Großvater geboren wurde, wie er aussah, und konnte nur vermuten, wann er gestorben sein könnte. Selbst sein Vater, der 1958 in der DDR als Teil der sowjetischen Truppen diente, wusste nichts davon.
Im Jahr 2016 erzählten ihm seine Bekannten von der Existenz einer Website mit einer Datenbank über sowjetische Soldaten, die während des Zweiten Weltkriegs getötet, gestorben und vermisst wurden. Valery fand dort zuerst einen Fragebogen, der mit dem Namen seines Großvaters übereinstimmte, dann einen zweiten mit einer Notiz, dass Vasily Noskov in Gefangenschaft war.
Valery setzte seine Suche im Internet fort und kontaktierte den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Sie haben ihn mit der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain verbunden. Die Mitarbeiter von Zeithain schickten Valery alle Informationen, die sie über seinen Großvater hatten. Zum ersten Mal passten nicht nur der Name, sondern auch der Geburtsort und der Name seiner Frau zusammen. Und Valery sah zum ersten Mal das Foto seines Großvaters und war endgültig überzeugt, dass er in deutscher Gefangenschaft war und starb:
„Die Eindrücke waren sehr emotional. Auch jetzt rührt es mich zu Tränen. Ich habe eine Woche lang geweint. Es war jedes Mal so, wenn ich mir diese Materialien angesehen habe, die Jens Nagel mir geschickt hat... Nun, es war schwer, einfach schwer. Ich hatte nicht erwartet, dass [mein Großvater] ein Kriegsgefangener war. Wenn es dich hier und jetzt wirklich betrifft... Ja, nicht jeder kann so etwas ertragen.“
Außerdem erfuhr Valery, dass das Verteidigungsministerium der UdSSR zu Lebzeiten seiner Großmutter über den wahren Status seines Großvaters Bescheid wusste, selbst als sein Vater in der DDR diente:
„Aus diesen Dokumenten, die damals im Lager [Zeithain] zusammengestellt wurden, geht hervor, dass es später, bereits während der sowjetischen Besetzung Deutschlands, im Jahr 1946 eine Kommission gab, die die Karte [meines Großvaters] stempelte. Das heißt, sie wussten, [dass Großvater gefangen war], aber meinen Verwandten wurde nichts mitgeteilt, sie erzählten es nicht meiner Großmutter. Wahrscheinlich, um sie nicht zu gefährden, sozusagen, um sie nicht zu verfolgen, denn damals glaubte man, dass, wenn man in Gefangenschaft geriet, man ein Verräter war.“
Valery plante schon seit langem eine Reise nach Deutschland, schaffte diese aber leider noch nicht. Dennoch nimmt er an der Aktion “Unsterbliches Regiment” teil und trägt das einzige erhaltene Foto seines Großvaters: „Man muss mit den Leuten reden. Viele haben interessante Schicksale. Die Leute kommen auf mich zu, weil auf dem Foto die Lagernummer steht. 'Was ist das?' Sie verstehen es nicht, denn viele haben immer noch ein veraltetes Verhältnis zu Kriegsgefangenen. Sie verstehen nicht, dass sie sich in einer Situation befanden, die möglicherweise noch schlimmer war. Wahrscheinlich ist es viel einfacher, sofort zu sterben als unter solchen Bedingungen. Gott sei ihr Richter. Unsere Aufgabe ist es, uns zu erinnern.“