Dawid Dodin (*1921)
Dawid Dodin wurde am 9. Mai 1921 in dem weißrussischen Dorf Wereschtschaki geboren und wuchs mit fünf weiteren Geschwistern in einer jüdischen Bauernfamilie in ärmlichen Verhältnissen auf. Gesprochen wurde Jiddisch und mit sechs Jahren besuchte er die jüdische Dorfschule, parallel auch die sowjetische Grundschule. Als 12jähriger erlebte er die große Hungersnot, die infolge von Josef Stalin vorangetriebener Zwangskollektivierung der Landwirtschaft 1932/1933 vor allem in Weißrussland und in der Ukraine herrschte. Nach dem Besuch einer jüdischen Internatsschule, wo er u.a. auch Deutsch lernte, machte Dawid Dodin nach der 9. Klasse seinen Mittelschulabschluss und begann eine Ausbildung zum Lehrer an der jüdischen Pädagogischen Fachschule in Witebsk. Neben seiner ersten Anstellung als Lehrer in seinem Heimatdorf qualifizierte er sich in der weißrussischen Hauptstadt Minsk weiter zum Deutschlehrer.
Mit 19 Jahren wurde Dawid Dodin im Februar 1940 in die Rote Armee einberufen und diente in einem Pionierbataillon an der deutsch-sowjetischen Grenze. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 geriet er am 3. Juli 1941 bei der Kesselschlacht von Białystok und Minsk in deutsche Kriegsgefangenschaft. Ahnend, dass seine Religionszugehörigkeit eine Gefahr für ihn bedeuten könnte, ließ er sich deshalb als orthodoxer Weißrusse registrieren, als er in das Kriegsgefangenenlager Stalag 352 in Minsk eingeliefert wurde. Nach zehn Tagen wurde er in das Stalag 324 Ostrów Mazowiecka im besetzten Polen überführt.
Per Eisenbahntransport gelangte Dawid Dodin Anfang August 1941 schließlich in das Kriegsgefangenenlager Zeithain Stalag 304 (IV H), wo er erneut registriert wurde und die Erkennungsmarkennummer 304 (IV H)/14294 erhielt. Zu diesem Zeitpunkt war das Lager noch nicht fertig gestellt. Es fehlte u. a. an Unterkunftsbaracken und Sanitäranlagen, weshalb die Gefangenen unter freiem Himmel ohne jeglichen Schutz vor dem Wetter leben mussten.
Dawid Dodins Situation verbesserte sich, als Dolmetscher und Schreiber gesucht wurden. Aufgrund seiner guten Deutschkenntnisse fiel die Wahl u. a. auf ihn. Fortan war er als Übersetzer und für das Ausfüllen von Krankenakten im Krankenrevier eingeteilt. Nach Aussage von Dodin wusste ein deutscher Unteroffizier, dem er unterstellt war, dass er Jude war. Dem Bericht nach, verhalf dieser ihm, seine wahre Identität zu verschleiern und nicht als Jude erkannt zu werden. Wäre dies geschehen, wäre Dawid Dodin 1941/42 als Jude in das Konzentrationslager Buchendwald zur Ermordung überstellt worden.
Unter der Leitung des Schriftstellers Stepan Pawlowitsch Slobin formierte sich im Frühjahr 1943 eine Widerstandsgruppe im Lager. Auch Dawid Dodin wird angesprochen – seine engen Kontakte zu den Deutschen sind für die Organisation sehr wichtig. Sie organisieren Fluchten, besorgen dafür Proviant und stärken vor allem den Zusammenhalt unter den Gefangenen. Allerdings wurde im April 1944 die Gruppe aufgedeckt und führende Mitglieder wurden verhaftet. Dodin wird zur Zwangsarbeit in die Region Oschatz verbracht. Zunächst in die Zuckerfabrik Wadewitz und anschließend in eine Schäferei im Dorf Canitz bei Riesa. Dort erlebte er am 24. April 1945 die Befreiung durch die Rote Armee.
Anders als Millionen befreite sowjetischer Zwangsarbeiter*innen, KZ-Häftlinge und Kriegsgefangene kehrte Dawid Dodin nicht sofort in die Heimat zurück, sondern blieb vermutlich wegen seiner guten Deutschkenntnisse als Zivilbeschäftigter der Sowjetischen Militäradministration in der sowjetischen Besatzungszone.
1946 kehrte er zurück in die Heimat und arbeitete in seinem Heimatdorf wieder als Lehrer. Einzig eine Tante war ihm geblieben, denn der Rest seiner Familie lebte nicht mehr. Die deutschen Besatzer hatten alle jüdischen Bewohner seines Heimatortes im Oktober 1941 ermordet.
Nach einigen Monaten, am 30. September 1947, wird er unvermittelt vom sowjetischen Geheimdienst NKWD verhaftet: Ein Mitglied der Zeithainer Widerstandsorganisation, Iwan Kostrikin, genannt Solowjow hatte ihn nach seiner Verhaftung als Zeugen angegeben. Die sowjetischen Behörden gehen davon aus, dass Funktionsträger in NS-Kriegsgefangenenlagern mit den Deutschen kooperiert haben, Dawid Dodin ist als Dolmetscher und Schreiber also verdächtig.
Daraufhin gerät er bis zur Strafverkündung für drei Monate in Moskau in Haft. Schließlich wird er wegen Landesverrat (Artikel 58/10) für 10 Jahre in die Stadt Inta, im Norden Russlands in ein Speziallager verbracht. Dort muss er schwere körperliche Arbeit im Kohlebergbau verrichten.
Nach Stalins Tod wird er 1954 vorzeitig entlassen und zwei Jahre später amnestiert, seine Verurteilung wird zurückgenommen. Inta ist für Dawid Dodin aber zur Heimat geworden. Aufgrund der guten Bezahlung und der freundschaftlichen Beziehungen bleibt er freiwillig und arbeitet unter Tage im Bergwerk. Über einen ehemaligen Freund lernt er seine Frau kennen und lebt mit ihr für 22 Jahre zusammen in Inta. Nach dem Tod seiner ersten Frau zieht er 1977 nach St. Petersburg, wo er mit seiner zweiten Ehefrau bis zu seinem Tod lebt. Sein genaues Todesdatum ist der Gedenkstätte nicht bekannt.
Zur Person
Nachname: | Dodin |
Vatersname: | Isaakowitsch |
Vorname: | Dawid |
Nation/Land: | Sowjetunion |
Geburtsdatum: | 09.05.1921 |
Geburtsort: | Wereschtschaki / Belarus |
Sterbeort: | unbekannt |
Letzter frei gewählter Wohnort: | Sankt Petersburg |
Begräbnisstätte: | unbekannt |
Orte/Stationen der Verfolgung/Haft |
|
Ergänzungen
Quelle(n)/ Literatur |
Briefe Dawid Dodin an KONTAKTE-KOHTAKTbI e. V., 11. Mai 2005 und 26. Februar 2007 Visual History Archive, USC Shoah Foundation, Interview Dawid Dodin 1998 |
Links: |
Sie kennen bzw. wissen etwas über Dawid Dodin? Dann schreiben Sie uns bitte eine
E-Mail oder nehmen auf anderem Weg Kontakt mit uns auf.
Eine weitergehende Nutzung der hier abgebildeten Fotografien und Dokumente, zum Beispiel für eine Veröffentlichung, bedarf unserer Zustimmung.