Heute vor 80 Jahren: Der „Italienerfriedhof" in Zeithain wird errichtet
27.02.24
Friedhöfe von Opfern deutscher NS-Verbrechen kommen als Gedenkorte für Überlebende wie auch für Angehörige eine besondere Rolle in der heutigen Erinnerungskultur zu. Ebenso sind sie die sichtbaren architektonischen Hinterlassenschaften der nationalsozialistischen Lagersysteme. Dies trifft auch auf den sogenannten „Italienerfriedhof“ des Lazarettlagers Zeithain zu, dessen Errichtung sich am 4. Februar 2024 zum 80. Mal jährte. An diesem Tag erfolgte die Beisetzung des an Tuberkulose verstorbenen Kriegsgefangenen Giovanni Ciullo im Grab mit der Nummer 1 in Anwesenheit von italienischen Geistlichen und weiteren Soldaten.
Wie kam es aber dazu, dass ein solcher Friedhof nur für Italiener benötigt wurde? Ab Oktober 1943 trafen mehrere Transporte mit kranken und verwundeten italienischen Soldaten sowie medizinischem Pflegepersonal aus Kroatien und Griechenland kommend am Bahnhof Jacobsthal ein. Bis zur Befreiung durch die Rote Armee am 23. April 1945 durchliefen Tausende Italiener das Kriegsgefangenenlager Zeithain.
Zeithain diente 1943 bis 1945 ausschließlich als Kriegsgefangenen-Reservelazarett. Für sowjetische und italienische Kriegsgefangene war es ein Sterbelager, das die Italiener bis heute als „Campo di Morte“ bezeichnen. Die Haupttodesursache in diesem Zeitraum waren Tuberkuloseerkrankungen. Die Namen von 874 im Lager Zeithain verstorbenen Italienern sind bekannt.
Aufgrund der hohen Sterblichkeit ab Anfang Februar 1944 ließ die Lagerkommandantur des Kriegsgefangenenlagers Zeithain einen eigenen „Italienerfriedhof“ anliegen, auf dem 848 Italiener sowie 44 Polen und 11 Serben beerdigt wurden.
Insgesamt befanden sich im August 1945 auf dem Friedhof mehr als 900 mit Holzkreuzen gekennzeichnete Einzelgräber in drei Sektionen. Zu einem unbekannten Zeitpunkt wurde der Friedhof nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zerstört. Das Friedhofsgelände gehörte bis Mitte der neunziger Jahre zum militärischen Sperrgebiet des Truppenübungsplatzes Zeithain, der von der Roten Armee bis zur deutschen Wiedervereinigung 1990 intensiv für militärische Übungen genutzt wurde.
Ehemalige italienische Kriegsgefangene reisten im Frühjahr 1990 auf eigene Initiative nach Zeithain, um die Gräber ihrer verstorbenen Kameraden zu suchen. Seit Kriegsende war ihnen und den Angehörigen der Toten der Zugang zu dem Friedhofsgelände durch die Rote Armee verweigert worden. Die Gräber waren oberirdisch nicht mehr erkennbar, jedoch war die Waldlichtung, auf der sich der Friedhof befunden hatte, erhalten geblieben.
Die sterblichen Überreste von mehr als 800 Gefangenen konnten schließlich 1991 exhumiert und nach Italien überführt werden. Heute existiert an der Stelle des nunmehr ehemaligen Friedhofs ein Gedenkort, die Kreuze tragen die bekannten Namen der ursprünglich auf dem „Italienischen Soldatenfriedhof Jacobsthal“ bestatteten Kriegsgefangenen aller drei Nationalitäten. Für italienische Angehörige von in Zeithain verstorbenen oder auch nur internierten Soldaten ist es der zentrale Erinnerungsort der Gedenkstätte.
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Milan Spindler (Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pädagogik)
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