Svetlana, Enkelin von Leonid Iwanowitsch Prostov (1907 – 1941)
Im Sommer 1941 wurde Leonid Prostow als gewöhnlicher Rotarmist in die sowjetische Armee berufen. Der Krieg dauerte für ihn nicht lange: Im Oktober 1941 geriet er in deutsche Gefangenschaft, wurde in ein Kriegsgefangenenlager in Zeithain gebracht, starb am 25. November 1941 und wurde auf dem Lagergelände begraben.
Leonids Sohn war 7 Jahre alt, als er seinen Vater verlor. Seine Mutter, Leonids Frau, hat bereits nach dem Krieg Anfragen an sowjetische Regierungsbehörden gestellt, um über das wahre Schicksal ihres Mannes zu erfahren. Aber leider erhielt sie die gleiche Antwort: «Vermisst».
Ohne zu wissen, wo er begraben wurde oder ob er überhaupt begraben wurde, kam Leonids Familie jedes Jahr am 9. Mai zur Ewigen Flamme in Moskau. So erinnert sich Leonids Enkelin Svetlana daran:
„Du gehst dorthin, bringst Blumen mit, weil du kein Grab deines Verwandten hast. Das war die einzige Möglichkeit. Als meine Großmutter zur Ewigen Flamme ging, hat das dann auch mein Vater getan, und dann natürlich auch ich. Für mich war das also ein Ritual. Um Respekt zu erweisen, zur Ewigen Flamme zu gehen. Normalerweise geschah dies am Tag des 'Großen Vaterländischen Krieges'“.
Dennoch hat Leonids Frau den Traum nicht verlassen, ihren vermissten Ehemann zu finden:
„Seine Großmutter wartete 20 Jahre lang auf ihn nach Kriegsende", erinnert sich Svetlana. “Ich war noch klein, aber sie erzählte mir, dass sie einen Traum hat, dass sie sein Grab finden und Blumen als Gedenken niederlegen möchte. Das war ihr sehr, sehr wichtig. Aber leider konnte sie keine Informationen erhalten, kein Grab finden, nichts. Sie starb 1984, ohne ihn zu finden.”
2011 erfuhr Svetlana zufällig von der Existenz einer Website mit einer Datenbank sowjetischer Kriegsgefangener. Ohne Hoffnung ging sie auf diese Seite — und fand die Seite ihres Großvaters Leonid Iwanowitsch Prostow: Informationen darüber, in welchem Lager er sich befand, wann er starb und wo er begraben wurde: „Ich war einfach schockiert, dass es diese Informationen gibt und dass ich jetzt weiß, wo mein Großvater begraben ist, dass ich jetzt dorthin gehen und Blumen niederlegen kann und sozusagen den Traum meiner Großmutter erfüllen kann. Zu diesem Zeitpunkt war auch mein Vater nicht mehr am Leben; als ich das fand, war auch er bereits gestorben. Aber nicht umsonst suchte die Großmutter so lange nach ihrem Großvater, sie wartete so lange auf ihn, dass dieser Wunsch sehr an uns, die Enkelkinder, weitergegeben wurde. Anscheinend habe ich dank ihres starken Wunsches endlich meinen Großvater gefunden.“
Im März 2016 besuchte Svetlana zusammen mit ihrem Sohn, dem Urenkel von Leonid Prostow, die Gedenkstätte Zeithain und besuchte das Grab ihres Großvaters:
„Natürlich habe ich Selbstvertrauen gewonnen. Als es unbekannt war, unklar, wo er begraben war, gab es eine gewisse Unausgesprochenheit in mir. Aber jetzt, wissen Sie, ist es, als ob sich etwas zusammengefügt hätte, als ob sich ein Puzzle zusammengefügt hätte. Ein gewisser Schmerz, der Schmerz des Ungewissen, ist verschwunden. Und natürlich ist es eine Freude, dass ich dorthin [nach Zeithain] kommen kann, ich kann mit meinen Kindern, mit meinen Neffen, sogar mit meinen Großneffen kommen und ihnen die Geschichte meines Großvaters erzählen. Eine Geschichte, die einen nachvollziehbaren Schluss hat.“