Michael Gartenschläger (1944–1976)
Michael Gartenschläger wurde am 13. Januar 1944 in Strausberg geboren. In der Kleinstadt bei Berlin betrieben seine Eltern eine Gastwirtschaft. Nach dem Schulabschluss begann Michael Gartenschläger 1959 eine Lehre als Kfz-Schlosser in Strausberg. Er begeisterte sich für Rock ´n Roll und gründete im April 1960 mit anderen Jugendlichen einen Fanclub des westdeutschen Rock ´n Roll-Sängers Ted Herold. Im Januar 1961 wurde der Club von der Volkspolizei verboten und aufgelöst. Auf die Absperrung West-Berlins am 13. August 1961 reagierte Michael Gartenschläger mit Protest: Mit vier Freunden malte er politische Parolen wie »SED – nee«, »Macht das Tor auf« oder »Freie Wahlen« an Mauern und Wände in Strausberg. Als Fanal gegen den Mauerbau setzten sie eine LPG-Feldscheune in Brand. Am 19. August 1961 wurden die fünf Jugendlichen verhaftet und in die Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) Frankfurt (Oder) gebracht. In einem Schauprozess vor dem 1. Strafsenat des Bezirksgerichts Frankfurt (Oder) im Kulturhaus der Nationalen Volksarmee in Strausberg wurden Michael Gartenschläger und der Mitangeklagte Gerd Resag wegen »Diversion im schweren Fall«, »staatsgefährdender Gewaltakte«, »staatsgefährdender Propaganda und Hetze im schweren Fall« am 15. September 1961 zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe verurteilt. Die anderen Jugendlichen erhielten Strafen von sechs, 12 und 15 Jahren Zuchthaus.
Nach Zwischenstationen in der MfS-Untersuchungshaftanstalt Berlin-Magdalenenstraße und der Strafvollzugsanstalt Brandenburg wurde Michael Gartenschläger im Oktober 1961 in die Strafvollzugsanstalt Torgau im Fort Zinna eingeliefert. Anfang 1962 wurde er in das Jugendgefängnis (»Jugendhaus«) Torgau im Haftgebäude Fischerdörfchen verlegt. Dort wurde er zur Arbeit in der Anstaltsschlosserei herangezogen. Nach einem Ausbruchsversuch wurde Michael Gartenschläger am 24. August 1963 wieder in die Strafvollzugsanstalt im Fort Zinna verbracht und in Einzelhaft gelegt. Er schloss seine Ausbildung zum Dreher mit der Facharbeiterprüfung ab. Nach einem erneuten Ausbruchsversuch wurde er im Sommer 1965 in die Strafvollzugsanstalt Brandenburg überführt.
Am 5. Juni 1971 wurde Michael Gartenschläger nach Freikauf durch die Bundesregierung entlassen und in den Westen abgeschoben. Er lebte in Hamburg als Tankstellenpächter. Doch während der zehnjährigen Haft hatte sich die Gegnerschaft Michael Gartenschlägers gegenüber der SED-Diktatur verfestigt; mit dem Grenzregime fand er sich auch nach der Entlassung nicht ab. Als Fluchthelfer ermöglichte er insgesamt 31 Menschen – darunter auch ehemalige Häftlinge – die DDR zu verlassen. Am 30. März 1976 demontierte er einer Splittermine (SM 70) an der innerdeutschen Grenze. In der Nacht zum 23. April gelang ihm das ein zweites Mal. Die Verwendung dieser Selbstschussanlagen hatte die DDR-Führung zuvor stets geleugnet. Beim dritten Versuch, eines dieser Geräte zu demontieren, wurde er in der Nacht des 30. April 1976 von einem Sondereinsatzkommando des MfS erwartet und erschossen.
Das Urteil aus dem Jahr 1961 gegen Michael Gartenschläger wurde 1992 vom Landgericht Frankfurt (Oder) in weiten Teilen aufgehoben. Ein Prozess vor dem Landgericht Schwerin gegen drei der Schützen endete 2000 mit Freispruch. Die Verfahren gegen zwei Offiziere der Staatssicherheit wegen der Tötung Michael Gartenschlägers endeten 2003 und 2005 ebenfalls mit Freispruch.
Zur Person
Nachname: | Gartenschläger |
Vorname: | Michael |
Nation/Land: | Deutschland |
Geburtsdatum: | 13.01.1944 |
Geburtsort: | Strausberg |
Sterbedatum: | 30.04.1976 |
Sterbeort: | Innerdeutsche Grenze bei Bröthen, Schleswig Holstein |
Begräbnisstätte: | Waldfriedhof Schwerin (am 10.05.1976 als »unbekannte Wasserleiche« beigesetzt) |
Orte/Stationen der Verfolgung/Haft |
|
Ergänzungen
Quelle(n)/ Literatur |
Alexander Dittner / Ben Kempas: Gegen die Grenze. Das Leben des Michael Gartenschläger, Dokumentarfilm, rbb 2004 Andreas Frost: Michael Gartenschläger: der Prozess. Mutmaßliches DDR-Unrecht vor einem bundesdeutschen Gericht, 2. Auflage, Schwerin 2012 Roman Grafe: Zur Vermeidung weiterer Provokationen. Die kurze Lebensgeschichte des Michael Gartenschläger, Hörfunk-Feature, SWR/SR 2003 Freya Klier: Michael Gartenschläger. Kampf gegen Mauer und Stacheldraht, Berlin 2009 Lothar Lienicke / Franz Bludau: Todesautomatik. Die Staatssicherheit und der Tod des Michael Gartenschläger an der Grenzsäule 231, Hamburg 2001 |
Links: |
Sie kennen bzw. wissen etwas über Michael Gartenschläger? Dann schreiben Sie uns bitte eine
E-Mail oder nehmen auf anderem Weg Kontakt mit uns auf.
Eine weitergehende Nutzung der hier abgebildeten Fotografien und Dokumente, zum Beispiel für eine Veröffentlichung, bedarf unserer Zustimmung.