Erschießungsstätte Süptitzer Kiesgrube 1939–1945
Während des Zweiten Weltkrieges wurden in einer Kiesgrube unweit des Wehrmachtgefängnisses Fort Zinna verurteilte Häftlinge von Exekutionskommandos der Wehrmacht erschossen. Eine weitere Erschießungsstätte befand sich im nördlichen Bereich des Wallgrabens von Fort Zinna. Die Mehrheit der Hingerichteten waren deutsche Soldaten, die von Kriegsgerichten wegen politischer und militärischer Delikte und anderer Verstöße gegen das NS-Strafrecht zum Tode verurteilt wurden. Die NS-Militärgerichtsbarkeit hatte im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg die Aufgabe, im Sinne des nationalsozialistischen Regimes die Kampfkraft der Wehrmacht durch abschreckende Urteile zu erhalten. Mehr als 30 000 Todesurteile wurden von deutschen Militärjuristen verhängt.
Im August 1943 verlegte das Reichskriegsgericht, Deutschlands höchstes Militärgericht in der Zeit des Nationalsozialismus, seinen Sitz von Berlin nach Torgau in die Zietenkaserne. Seither zählten zu den Todesopfern immer mehr Widerstandskämpfer aus den besetzten europäischen Ländern, etwa aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Polen. Ebenso wurden in Torgau religiös motivierte Kriegsdienstverweigerer oder deutsche und österreichische Deserteure aus politischer Gegnerschaft exekutiert. Als Deserteure wurden auch Luxemburger, Elsässer und Lothringer, die sich nicht von der deutschen Wehrmacht zwangsrekrutierten lassen wollten, in der Kiesgrube erschossen. Zu den Opfern zählten außerdem Soldaten, die wegen regimekritischer Äußerungen als „Wehrkraftzersetzer“ abgeurteilt oder die der Homosexualität beschuldigt wurden.
Die Erschießungen fanden in den frühen Morgenstunden statt. Der Ablauf der Hinrichtung war förmlich geregelt. Zwei Stunden vor seiner Erschießung wurde dem Verurteilten die Vollstreckung des Todesurteils eröffnet. Ein Offizier befehligte die Hinrichtung, bei der neben dem Militärrichter auch ein Militärpfarrer anwesend war. Die Erschießungskommandos von zehn Mann rekrutierten sich aus einem in Torgau liegenden Truppenteil. Dies waren in der Regel die Wachmannschaften der Wehrmachtgefängnisse Fort Zinna und Brückenkopf. Wachleute, die sich freiwillig zu Erschießungen meldeten, erhielten hierfür Vergünstigungen. Ein Sanitätsoffizier stellte den Tod des Erschossenen fest.
Die Gesamtzahl der Erschießungen in Torgau läßt sich nachträglich nicht mehr exakt ermitteln. Aus den unvollständigen Unterlagen von Wehrmacht, Standesamt und Friedhofsverwaltung geht hervor, dass hier mindestens 197 verurteilte Wehrmachtangehörige erschossen wurden. Andere Quellen legen jedoch die Vermutung nahe, dass die Zahl der Hinrichtungsopfer tatsächlich erheblich höher war.
Ab dem Jahr 1943 wurden militärgerichtliche Todesurteile auch im Zuchthaus Halle (Saale) vollstreckt. Am 17. September 1943 wurden erstmals Wehrmachthäftlinge aus Torgau im Zuchthaus Halle hingerichtet. Insgesamt sind bis zum 3. April 1945 in Halle 298 Hinrichtungen aufgrund militärgerichtlicher Todesurteile nachgewiesen. Die Mehrheit der Verurteilten kam aus den Wehrmachtgefängnissen in Torgau.
Heute befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Süptitzer Kiesgrube eine nach 1990 angelegte Grünfläche.