#Kalenderblatt – Widerstand gegen den Nationalsozialismus: Werner Krauss als Mitglied des Netzwerks „Rote Kapelle“ vor 80 Jahren verhaftet
24.11.22
Vor 80 Jahren, im Herbst 1942, zerschlug die Geheime Staatspolizei das Widerstandsnetzwerk „Rote Kapelle“ um die Ehepaare Harnack und Schulze-Boysen. Zu den Mitgliedern gehörte Professor Werner Krauss. Er wurde am 24. November 1942 verhaftet. Das Reichskriegsgericht verurteilte ihn kurz später zum Tode. Er kam in Torgau in Haft und konnte überleben.
Ab Mitte der 1930er-Jahre bildeten sich in Berlin und Umgebung verschiedene lose Gruppen, deren Mitglieder die Einstellung gegen den Nationalsozialismus einte. Gegner und Gegnerinnen des NS-Regimes aus ganz unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Richtungen fanden hier zusammen. Oft waren persönliche Freundschaften und Bekanntschaften die Grundlage für den Zusammenschluss.
Um 1940 hatte sich aus den Gruppen ein bedeutendes Netzwerk des Widerstands gebildet. Mit etwa 40 Prozent hatten Frauen einen bemerkenswert hohen Anteil daran. Die Geheime Staatspolizei (Gestapo) gab dem Netzwerk den Namen, unter dem es heute bekannt ist: „Rote Kapelle“.
Wichtige Zentren des Netzwerks waren der Kreis um Harro Schulze-Boysen, Oberleutnant im Reichsluftfahrtministerium, und seine Frau Libertas, außerdem die Gruppierung um Arvid Harnack, Oberregierungsrat im Reichswirtschaftsministerium, und seine Frau Mildred.
Die Mitglieder der „Roten Kapelle“ diskutierten über die Zukunft Deutschlands nach dem Nationalsozialismus, sie sammelten Informationen über die Kriegsvorbereitungen und leiteten Kriegspläne an die sowjetische und die amerikanische Botschaft weiter. Sie beschafften Belege für Nazi-Gewaltverbrechen und halfen Menschen, die aus politischen oder rassistischen Gründen verfolgt wurden. Sie verfassten Flugschriften gegen das NS-Regime, verteilten Klebezettel und versuchten, sich mit weiteren Widerstandskreisen zu vernetzen.
Die Gestapo kam dem Netzwerk durch einen abgefangenen Funkspruch aus Moskau an eine kommunistische Widerstandsgruppe in Brüssel auf die Spur. Sie schuf daraufhin die Sammelbezeichnung „Rote Kapelle“, „rot“ als Bezeichnung für „kommunistisch“ und „Kapelle“ als Begriff für „Funker“.
Im Herbst 1942 verhaftete die Gestapo etwa 130 Mitglieder der „Roten Kapelle“. Fast 50 von ihnen verurteilte das Reichskriegsgericht zum Tode: 19 Frauen und 30 Männer. Sie wurden in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Adolf Hitler hatte sämtliche Gnadengesuche abgelehnt.
In der DDR wurde die „Rote Kapelle“ später fälschlicherweise als vorbildliche kommunistische Widerstandsgruppe gezeichnet und instrumentalisiert. In der Bundesrepublik galten ihre Angehörigen dagegen jahrzehntelang als kommunistische „Spione“ und „Verräter“.
Erst 2009 hob der Bundestag per Gesetz pauschal alle Urteile wegen „Kriegsverrat“ auf. Damit waren zahlreiche Angehörige der „Roten Kapelle“ über sechzig Jahre nach ihrer Verurteilung und Hinrichtung endlich rehabilitiert.
Der Romanistik-Professor Werner Krauss wurde am 24. November 1942 verhaftet. Er hatte unter anderem an einer heimlichen Aktion gegen die NS-Propaganda-Ausstellung „Das Sowjetparadies“ teilgenommen. Das Reichskriegsgericht verurteilte ihn am 18. Januar 1943 zum Tode. Durch Vorlage mehrerer psychiatrischer Gutachten erreichte er eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Das Reichskriegsgericht, nun mit Sitz in Torgau, wandelte seine Strafe am 14. September 1944 in fünf Jahre Zuchthaus um. Er überlebte.
Werner Krauss war nach dem Krieg als Professor für Romanistik an der Universität Leipzig tätig. Er wurde Mitglied im Parteivorstand der SED. Als Häftling im Torgauer Wehrmachtsgefängnis Fort Zinna war er als Schreiber eingesetzt. Deshalb konnte er nach dem Krieg Zeugnis über die unmenschliche Behandlung von Häftlingen in Strafeinheiten der Wehrmacht ablegen.
verfasst von René Küpper, DIZ Torgau
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