Der Strafvollzug der DDR in Torgau 1950 bis 1990 – Buchvorstellung und Podiumsgespräch im DIZ Torgau
13.04.19
Zahlreiche Gäste waren erschienen, als die Stiftung Sächsische Gedenkstätten/Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Torgau in der vergangenen Woche ihre frisch erschienene Publikation über den Strafvollzug der DDR in Torgau 1950 bis 1990 der Öffentlichkeit vorstellte. Der Band betritt Neuland, denn er informiert erstmals umfassend und anhand vieler Dokumente über die Geschichte des Torgauer DDR-Gefängnisses. Die Veranstaltung fand in Zusammenarbeit mit der Außenstelle Leipzig der Stasi-Unterlagen-Behörde (BStU) statt. Die Buchvorstellung wurde von einem breit besetzten Podiumsgespräch begleitet, in dem Zeitzeuge Norbert Sachse mit Erico Anselmi, Dr. Julia Spohr und Stefanie Knorr über vielfältige Aspekte in Bezug auf die Haft im DDR-Gefängnis in Torgau und deren Folgen diskutierte. Norbert Sachse war 1971/72 als junger Mensch im Alter von 18 Jahren aus politischen Gründen in Torgau inhaftiert.
Er schilderte die Haftbedingungen im so genannten „verschärften Jugendstrafvollzug“. Dazu gehörte für ihn mehrfach die Isolation durch den „verschärften Arrest“ im feuchten Keller des Fort Zinna bei kargen Essensrationen. Die Arbeit der Jugendlichen war gesundheitsschädlich und immer wieder wurden die Gefangenen von Wachleuten schikaniert, beispielsweise mit Sportübungen wie dem „Entengang“ bis zur Erschöpfung. Von den acht Haftanstalten, die er durchlief, habe er Torgau als die schlimmste in Erinnerung, so seine Worte.
Stefanie Knorr von der Beratungsstelle „Gegenwind“ für politisch Traumatisierte der SED-Diktatur in Berlin beschrieb die Folgen der Haft für die Betroffenen. Die ehemaligen Inhaftierten haben bis heute häufig mit Posttraumatischen Belastungsstörungen und anderen psychischen und physischen Folgen zu kämpfen.
Dr. Julia Spohr, stellvertretende Geschäftsführerin der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, skizzierte die Ziele des Strafvollzugs in der DDR: Während es in der Stasi-Untersuchungshaft darum ging, die Beschuldigten zu isolieren und ihnen durch Methoden der physischen und psychischen Misshandlung Geständnisse abzupressen, lag der Schwerpunkt im Strafvollzug auf erzieherischen Ansätzen. Die Häftlinge, unter ihnen gerade die Jugendlichen, sollten durch die Haft als „sozialistische Persönlichkeiten“ in die DDR-Gesellschaft zurückgeführt werden.
Erico Anselmi, Leiter der Justizvollzugsanstalt Torgau, führte die grundlegenden Unterschiede des Strafvollzugs in der SED-Diktatur und des heutigen Strafvollzugs im Rechtsstaat vor Augen.
An das Podiumsgespräch schloss sich eine lebhafte Diskussion an, in der weitere ehemalige Inhaftierte wie auch ein ehemaliger Angehöriger des Vollzugsdienstes in Torgau das Wort ergriffen.
Die Publikation kann zum Preis von 15 EUR über die Homepage der Stiftung Sächsische Gedenkstätten erworben werden: >> Bestellung/Informationen zum Buch
Kontakt:
Elisabeth Kohlhaas (Ausstellungsbetreuung, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit)
Tel.: 03421 7739681
elisabeth.kohlhaas@stsg.de