September 2014
Liebe Leserinnen und Leser,
im Oktober erreichen die Veranstaltungen zur Erinnerung an die Friedliche Revolution vor 25 Jahren in der DDR ihren Höhepunkt. Das Jubiläum wird am 9. Oktober in Leipzig mit einem Friedensgebet (mit dem ehemaligen US-Außenminister James A. Baker), der Rede zur Demokratie von Bundespräsident Joachim Gauck (in Anwesenheit in Anwesenheit der Staatspräsidenten der Tschechischen und der Slowakischen Republik, der Republik Polen und Ungarns) und dem alljährlichen Lichtfest festlich begangen. Noch einmal wird an den Mut der Leipziger und vieler anderer Menschen in der DDR und in Osteuropa erinnert, die damals für eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse, für Meinungs- und Reisefreiheit sowie für freie Wahlen demonstrierten.
Zur gleichen Zeit sind die Beziehungen zwischen dem Westen und Russland infolge von Ereignissen in der Ukraine, die als Fortsetzung der Geschichte der friedlichen Revolution interpretiert worden sind, explosiv wie seit 1985 nicht mehr. Tausende Menschen sind in der Ostukraine bereits ums Leben gekommen. In der Frage nach den Verantwortlichen für diese Zuspitzung ist sich eine große Mehrheit in Politik und medialer Öffentlichkeit einig: Russland, genauer gesagt Wladimir Putin sowie die Eliten seines autoritären Regimes. Doch scheint es zu einfach, den Konflikt in den Denkschablonen des Kalten Krieges erklären zu wollen. Die Welt hat sich in den vergangenen 25 Jahren in einer Weise verändert, die daran zweifeln lässt, dass Freiheit und Demokratie in Europa heute immer noch vor allem von russischen Panzern bedroht sind. > Mehr
Ich lade Sie herzlich zum Studium der Biografien, zur Lektüre des Newsletters und zu den zahlreichen Veranstaltungen in den kommenden Wochen ein.
Bert Pampel
PS: Wenn Sie Artikel, Geschichten oder Neuigkeiten zu zeitgeschichtlichen Erinnerungsorten in Sachsen haben, von denen Sie meinen, diese könnten auch für andere von Interesse sein, so schicken Sie uns diese bitte - wir sehen dann, ob wir sie in den nächsten Newsletter aufnehmen können.
Inhalt |
Vorschau
16.09.2014 | Wanderausstellung "ZIEL: UMERZIEHUNG" der Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau in Leipzig
Die Wanderausstellung „ZIEL: UMERZIEHUNG!“ der Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau ist vom 16. September bis 15. Oktober im Amtsgericht Leipzig zu sehen. Die Ausstellung informiert die Besucher über das System der Spezialheime in der DDR. Neben Informationen zu den einzelnen Umerziehungseinrichtungen anhand von Fotos, Dokumenten und Begleittexten, werden verschiedene Einzelschicksale ehemaliger DDR-Heimkinder vorgestellt.
> Mehr19.09.2014 | "GEWAHRSAM" - Ein Schülerkunstprojekt zur Frauenhaftanstalt Hoheneck
Am 19. September 2014 findet ein Projekttag der neunten Schulklassen des Carl-von-Bach-Gymnasiums und der Altstadtschule Stollberg mit Führungen, Zeitzeugengesprächen, Schülervorträgen und Podiumsdiskussion der neunten Schulklassen des Carl-von-Bach-Gymnasiums und der Altstadtschule Stollberg statt. Im Rahmen dieses Projekttages findet die Ausstellungseröffnung "GEWAHRSAM", ein Schülerkunstprojekt zur Frauenhaftanstalt Hoheneck, mit geladenen Gästen im Kirchensaal der ehemaligen Haftanstalt statt.
> Mehr25.09.2014 | Vortrag: "Ausreise per Antrag - Der lange Weg nach drüben. Herrschaft und Alltag in der DDR-Provinz"
Renate Hürtgen hat die Antragsteller aus dem DDR-Kreis Halberstadt untersucht, die zwischen 1974 und 1989 in der Abteilung Inneres des Rates des Kreises einen formlosen Antrag auf „ständige Ausreise“ gestellt haben. Wer waren diese Menschen, warum haben sie dies getan, wie haben die Freunde und Bekannten und wie hat die Staatsmacht reagiert? Wie sah die Herrschaft im lokalen „Mikrokosmos der Macht“ konkret aus? Es sind viele Mythen über die „Ausreiser“ verbreitet worden, man hat sie zu Widerständlern erhoben und zu „Verrätern“ gestempelt. Die Autorin wird in ihrem Vortrag vor allem auf jene Befunde eingehen, die entmystifizieren und neue Antworten auf alte Fragen geben.
> Mehr27.09.2014 | Lesung und Zeitzeugengespräch "Auch ich war ein Heimkind"
DDR, Anfang der 1950er Jahre: Weil er der Beziehung eines SED-Parteisekretärs zu seiner Mutter im Weg steht, kommt der damals achtjährige Lothar Schröck in ein kirchliches Kinderheim nach Königsbrück. Für ihn beginnt damit eine Odyssee durch verschiedene Heimeinrichtungen der DDR. Lothar Schröck präsentiert im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Das Schweigen brechen – Schicksale ehemaliger DDR-Heimkinder« erstmals sein Buch "Auch ich war ein Heimkind. Stigma Jugendwerkhof. Das Leben mit einer ewigen Lüge."
> Mehr11.10.2014 | Lesung und Zeitzeugengespräch "Erziehung hinter Gittern"
Die Autorin Nicole Glocke präsentiert im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Das Schweigen brechen – Schicksale ehemaliger DDR-Heimkinder« ihr Buch „Erziehung hinter Gittern. Schicksale in Heimen und Jugendwerkhöfen der DDR“ in der Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau. Begleitet wird sie dabei von zwei Zeitzeugen – Ralf Weber und Ilona Dathe – die im Anschluss für Fragen aus dem Publikum zur Verfügung stehen.
> MehrNeues aus der Arbeit der Stiftung und ihrer Gedenkstätten
28.08.2014 | LernStadtMuseum-Sonderpreis für DIZ Torgau und Oberschule Nordwest Torgau
Mit einem Sonderpreis des Programms »LernStadtMuseum« wurde das gemeinsame Projekt »… und dann war der Krieg aus!« von DIZ Torgau/Stiftung Sächsische Gedenkstätten und Oberschule Nordwest Torgau ausgezeichnet. Der Preis ist mit 1.000 Euro dotiert.
> Mehr28.08.2014 | Sächsische Staatsregierung fördert Projekte zum Jubiläum „25 Jahre Friedliche Revolution“
Die Staatsregierung des Freistaates Sachsen fördert mit 500.000 Euro 51 Projekte, die an die Friedliche Revolution 1989 erinnern. In Vertretung des Ministerpräsidenten überreichte der Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft, Frank Kupfer, den ersten Zuwendungsbescheid in Höhe von 22.500 Euro an die Initiativgruppe Geschlossener Jugendwerkhof Torgau e.V. für die Erstellung einer Ausstellung und einer dazugehörigen Publikation zu den Geschehnissen der Friedlichen Revolution in Torgau. Neben diesem werden Projekte von 50 weiteren Vereinen sowie von Kommunen, Verbänden, Religionsgemeinschaften und Privatpersonen gefördert, die von einer Expertenkommission bewertet wurden. In dieser Kommission hat auch der Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Siegfried Reiprich mitgewirkt.
Foto: Christian Wendt/Torgauer Zeitung
> Mehr10.09.2014 | Neuer FSJ-ler in der Gedenkstätte Bautzen
Seit dem 1. September 2014 absolviert Philipp Stoppe für zwölf Monate ein freiwilliges soziales Jahr im Bereich Politik (FSJ Politik) in der Gedenkstätte Bautzen.
> Mehr11.09.2014 | Dritte Konferenz der "Platform of European Memory and Conscience" fand großen Anklang
Die dritte jährliche Konferenz der "Platform of European Memory and Conscience" fand vom 12. bis 13. Juni 2014 im Parlament der Tschechischen Republik in Prag statt. Der Schwerpunkt der Veranstaltung lag in diesem Jahr vor allem auf den Teilen Europas, in denen auch 25 Jahre nach dem Niedergang des Kommunismus immer noch totalitäre Machtstrukturen präsent sind. Der Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Siegfried Reiprich, wirkte mit einem Beitrag zum Thema "Gedenkstätten - warum und wie lange brauchen wir sie?" an der Konferenz mit.
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18.08.2014 | Neuer Newsletter des Zeitzeugenbüros
Das Zeitzeugenbüro der Bundesstiftung Aufarbeitung präsentiert seinen neuen Newsletter: Vorgestellt werden unter anderem drei neue Schwerpunkte zu den Themen „Das Frauengefängnis Hoheneck“, „Flucht, Fluchthilfe und Freikauf“ sowie „Jugend in der SED-Diktatur“.
> Mehr04.09.2014 | Beitrag auf Radio Bayern 2: "Beginn der Montagsdemos - Uwe Schwabe war dabei"
Er war in den achtziger Jahren an den Friedensgebeten in der Leipziger Nikolaikirche beteiligt und auch bei den Montagsdemonstrationen, die 1989 das Ende der DDR einläuteten. "Unser Ziel war, das Land von innen heraus zu verändern", sagt Uwe Schwabe.
> MehrRückblick
25.08.2014 | Wichtiger Schritt auf Weg zu KZ-Gedenkstätte. Stadt Frankenberg will Grundstücke in Sachsenburg erwerben
Die Stadt Frankenberg plant den Erwerb von Flächen im Ortsteil Sachsenburg, um die Pläne für eine Gedenkstätte zur Erinnerung an die Opfer des NS-Konzentrationslagers Sachsenburg umsetzen zu können.
> Mehr10.09.2014 | Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus
In Chemnitz sind erneut so genannte "Stolpersteine" verlegt worden. Der Künstler Gunter Demnig, der das europaweite Projekt initierte, setzte selbst zwei Gedenksteine in den Fußweg vor dem Landesarchäologiemuseum.
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Heinz Brandt - Im Widerstand gegen Nationalsozialismus und Stalinismus
Heinz Brandt wurde am 16. August 1909 in Posen (heute Poznań/Polen) geboren. Er wurde sowohl von den Nationalsozialisten als auch von den Kommunisten wegen seiner politischen Überzeugung und seines Widerstands verfolgt. Der kritische Kommunist und Jude überlebte die nationalsozialistischen Gefängnisse und Lager Luckau, Brandenburg, Sachsenhausen, Auschwitz und Buchenwald. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Brandt Sekretär der Berliner Bezirksleitung der SED für Agitation und Propaganda. Weil er mit den Aufständischen des 17. Juni 1953 sympathisiert hatte, wurde er im August 1953 von seiner Leitungsfunktion in der SED entbunden. Um einer drohenden Verhaftung zu entgehen, setzte sich Brandt mit seiner Familie im September 1958 nach West-Berlin ab. Am 16. Juni 1961 wurde er von der DDR-Staatssicherheit gewaltsam nach Ost-Berlin entführt und im Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen inhaftiert. Am 10. Mai 1962 verurteilte ihn das Oberste Gericht der DDR in einem Geheimprozess wegen angeblicher „schwerer Spionage in Tateinheit mit staatsgefährdender Propaganda und Hetze im schweren Fall“ zu 13 Jahren Zuchthaus verurteilt. Vom 27. Juli 1962 bis 20. Mai 1964 war Brandt im Sondergefängnis der Staatssicherheit in Bautzen in Isolationshaft inhaftiert. Seine Einschätzung einer trotz unterschiedlicher sozialer und ideeller Wurzeln partiellen Übereinstimmung zwischen Faschismus und Stalinismus beruhte auf eigener bitterer Lebenserfahrung. Trotz aller Widrigkeiten und Lebenserfahrungen engagierte er sich bis zu seinem Tode für eine menschliche demokratisch-sozialistische Gesellschaft.
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1. September 1989 | 25 Jahre Aufarbeitung der NS-„Euthanasie“ in Pirna
Im Gemeindezentrum der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde Pirna-Sonnenstein wird die Wanderausstellung „Aktion T4 – Die Tötung lebensunwerten Lebens“ des West-Berliner Historikers und Publizisten Götz Aly eröffnet. Den Eröffnungsvortrag hält der Leipziger Theologe und Kirchenhistoriker Kurt Nowak, der bereits 1971 mit einer Arbeit über „Euthanasie“ und Sterilisierung im „Dritten Reich“ promovierte.
49 Jahre nach dem historischen Geschehen wird damit erstmals in der DDR nahe dem authentischen Ort der ehemaligen Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein über die nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde öffentlich aufgeklärt. Lediglich eine kleine, abgelegene Gedenktafel hatte bis dahin seit 1973 einen vagen Hinweis auf die in Pirna verübten Verbrechen gegeben. Bereits seit Herbst 1988 gab es einzelne Bemühungen, endlich auch in Pirna über die nationalsozialistischen Krankenmorde zu informieren und an diese zu erinnern. Vor allem der Oberschüler Thomas Schilter drängte den Rat der Stadt Pirna, sich der Thematik anzunehmen und ein würdiges Gedenken an die Opfer zu ermöglichen. Unterstützung fand er bei seinem Vater, der als Arzt im Kreiskrankenhaus Pirna der Thematik großes Interesse entgegen brachte. Neben Schilter bemühte sich vor allem der Pfarrer der Sonnensteiner Kirchgemeinde Bernd Richter, die NS-Krankenmorde wieder in das öffentliche Bewusstsein zu bringen. Ihm gelang es schließlich, Kontakt zu Götz Aly herzustellen, der die Ausstellung der Kirchgemeinde zur Verfügung stellte. Richters und Schilters Vorgehen war Ausdruck eines sich immer stärker entwickelnden bürgerschaftlichen Engagements, aber auch einer tiefen Unzufriedenheit mit der offiziellen Geschichtspolitik in der noch bestehenden DDR. Das antifaschistische Selbstbild des SED-Regimes war geprägt von einem äußerst einseitigen und instrumentellen Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit. Er betonte vor allem die kommunistischen Opfer der NS-Herrschaft, vernachlässigte dabei aber andere Opfergruppen, wie etwa die Opfer der „Euthanasie“-Verbrechen. Nicht zuletzt belegten deutlich wahrnehmbare rechtsextremistische Tendenzen in der DDR in den 1980er Jahren, dass der in festen Formen erstarrte Antifaschismus zunehmend an Wirkung verlor.
Kurt Nowak stellte in seinem kenntnisreichen Vortrag klar: „Der Sonnenstein hat allzu lange in dem Schlaf des Vergessens gelegen, trotzdem die stummen Zeugen allgegenwärtig sind. […] Der Sonnenstein war eine Zentrale des Massenmords, so wie man es weiß von Buchenwald, von Sachsenhausen und anderen Orten.“ Diese Offenheit, fast war es ein Weckruf, bestärkte einige Teilnehmer, sich für ein würdiges Erinnern einzusetzen. Zwei Jahre später gründete sich das Kuratorium Gedenkstätte Sonnenstein e. V. mit dem Ziel der Schaffung einer Gedenkstätte. Bis heute unterstützt und begleitet der Verein die Arbeit der im Jahr 2000 eröffneten Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein.
Zitat des Monats
Um einen gesunden jungen Mann, der seine Karriere in der Goldgrube an der frischen Winterluft beginnt, in einen dochodjaga zu verwandeln, braucht es im Lager zumindest zwanzig bis dreißig Tage bei sechzehnstündigem Arbeitstag, ohne Ruhetage, bei systematischem Hungern, zerrissener Kleidung und Unterbringung im löchrigen Planenzelt bei sechzig Grad Frost, mit Prügel von den Vorarbeitern, den Ältesten, die Ganoven sind, und den Begleitposten. Diese Zeitspannen sind vielfach überprüft. Von den Brigaden, die die Goldsaison eröffnen und die Namen ihrer Brigadiere tragen, bleibt am Ende der Saison kein einziger Mensch mehr übrig von denen, die die Saison eröffnet haben, mit Ausnahme des Brigadiers selbst, des Barackendienstes der Brigade und noch irgendeines der persönlichen Freunde des Brigadiers. Die restliche Besetzung der Brigade wechselt über den Sommer mehrere Male. Unaufhörlich wirft die Goldgrube ihre Produktionsabfälle in die Krankenhäuser, in die sogenannten Genesungskommandos, in die Invalidensiedlungen und in die Massengräber aus.
Warlam Schalamow, Durch den Schnee. Erzählungen aus Kolyma I, 5. Aufl., Berlin 2011, S. 133f. "Dochodjaga": Ausdruck in der Lagersprache des GULag für einen Menschen, dessen physische Auszehrung ein Stadium erreicht hatte, dass er dem Tod näher war als dem Leben.
Impressum
Stiftung Sächsische Gedenkstätten
Dülferstraße 1
01069 Dresden
Redaktion: Dr. Julia Spohr
pressestelle@stsg.smwk.sachsen.de
www.stsg.de
Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten erschließt, bewahrt und gestaltet historische Orte im Freistaat Sachsen, die an die Opfer politischer Verfolgung sowie an Opposition und Widerstand während der nationalsozialistischen Diktatur oder der kommunistischen Diktatur in der SBZ/DDR erinnern.
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