Verlegt – Verstorben – Verschwiegen
Erscheinungsjahr:
2016Kategorie: Veröffentlichungen außerhalb der Reihen der Stiftung Sächsische Gedenkstätten
ISBN:
978-80-7465-213-4Mit der Zerschlagung der Tschechoslowakei und der anschließenden Okkupation des tschechischen Staates durch das Deutsche Reich 1938/39 etablierte sich auch dort die nationalsozialistische Gesundheitspolitik, die Menschen mit psychischen Krankheiten und geistigen Behinderungen als „minderwertig“ diskriminierte und verfolgte. Die dramatischen Folgen waren schon bald zu spüren. Im neugeschaffenen Reichsgau Sudetenland wurde 1940 das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ eingeführt und ermöglichte fortan die zwangsweise Unfruchtbarmachung von Menschen, die als „erbkrank“ galten.
Im Rahmen der zentralen „Euthanasie“ starben auch sudetendeutsche und tschechische Psychiatriepatienten in den Gaskammern der Krankenmord-„Organisation T4“. Im Verlauf des Krieges mussten sich die Psychiatrien den Bedürfnissen der Kriegsführung unterordnen. Unzureichende Versorgung mit Lebensmitteln, Heizstoffen und Medikamenten sowie zahlreiche Evakuierungstransporte aus dem „Altreich“ führten zu katastrophalen Lebensbedingungen. Allein in den größten Anstalten des Reichsgaus Sudetenland und des Protektorats Böhmen und Mähren – Wiesengrund und Kosmanos (Kosmonosy) – starben zwischen 1939 und 1945 über 6 500 Menschen, viele an den Folgen von Hunger und Infektionskrankheiten.
Zwischen 2014 und 2016 befasste sich das von der Stiftung Erinnerung Verantwortung und Zukunft (EVZ) geförderte Projekt „Tschechische und deutsche Psychiatriepatienten in Böhmen und Mähren – Stigmatisierte Menschen zwischen NS-‚Euthanasie‘ (1940–1945) und Vergessen (1945–1950)“ mit dem Schicksal dieser bis heute weitgehend vergessenen Opfer, in dessen Ergebnis diese Publikation entstand. Neben der Darstellung der historischen Ereignisse erinnert ein biografischer Gedenkteil an diejenigen Menschen, die dem System der rassenhygienischen Diskriminierung der Nationalsozialisten zum Opfer fielen. Darüber hinaus wird die mangelhafte juristische Aufarbeitung nach 1945 untersucht und die bis heute mitunter nicht einfache Erinnerung an die Opfer der NS-„Euthanasie“-Verbrechen beleuchtet.
Rezension von Claudia Schaaf in Bohemia 57 (2017), S. 475-477 (400 KB)
Rezension von Uwe Kaminsky zu: Boris, Böhm; Michal Šimůnek (Hrsg.): Verlegt - verstorben - verschwiegen. Tschechische und Deutsche Psychatriepatienten in Böhmen als vergessene Opfer der NS-"Euthanasie". Červerný Kostelec 2016 , in: H-Soz-Kult, 04.06.2018.