März 2015
Liebe Leserinnen und Leser,
In einer jüngst vorgestellten Studie des Forschungsverbundes SED-Staat an der Freien Universität Berlin hielten knapp 60 Prozent der Ostdeutschen und 37 Prozent der Westdeutschen den Sozialismus/Kommunismus für eine gute Idee, die bisher nur schlecht ausgeführt worden sei. Abgesehen davon, dass diese Gleichsetzung angesichts der durchaus vorhandenen Unterschiede dieser beiden politischen Weltanschauungen verwundert, gibt das Ergebnis zu ernster Sorge Anlass. So scheinen die Befürworter zu übersehen, dass man Idee und Umsetzungsergebnisse nicht voneinander trennen kann, so als ob die sozialistische bzw. kommunistische Herrschaftspraxis nichts mit den hehren Zielen zu tun hätte. Zum anderen wird nicht gesehen, dass bereits der „guten Idee“ von sozialer Gerechtigkeit und größerer Gleichheit totalitäres Denken innewohnt, wenn man die Methoden, diese zu erreichen, mitdenkt. Denn kommunistische, aber auch sozialistische Theoretiker haben niemals, zum Beispiel schon im "Kommunistischen Manifest", ein Hehl daraus gemacht, dass zur Durchsetzung dieser Ideen Zwang, Freiheitsbeschränkungen, Planwirtschaft und staatliche Repression angewendet werden sollten, ja müssten. Nicht nur der Kommunismus auch der Sozialismus ist eine kollektivistische Weltanschauung, die Staat und Plan gegenüber dem Markt, aber auch Gleichheit vor Freiheit bevorzugen. Der große französische Liberale Alexis de Tocqueville hat es vor mehr als 150 Jahren so auf den Punkt gebracht: "Die Demokratie dehnt die Sphäre der individuellen Freiheit aus, der Sozialismus dagegen schränkt sie ein. Die Demokratie erkennt jedem einzelnen seinen Eigenwert zu, der Sozialismus degradiert jeden einzelnen zu einem Funktionär der Gesellschaft, zu einer bloßen Nummer. Demokratie und Sozialismus haben nur ein einziges Wort miteinander gemeinsam: die Gleichheit. Aber man beachte den Unterschied: während die Demokratie die Gleichheit in der Freiheit sucht, sucht der Sozialismus sie im Zwang und in der Knechtung."
Bert Pampel
Inhalt |
Neues aus der Arbeit der Stiftung und ihrer Gedenkstätten
05.03. | "Krieg – Stell Dir vor, er wäre hier" Premiere eines gemeinsamen Theaterprojektes der Gedenkstätte Bautzen mit dem Deutsch-Sorbischen Volkstheater Bautzen
Das Theaterstück "Krieg – Stell Dir vor, er wäre hier" der dänischen Schriftstellerin Janne Teller handelt von einem deutschen Jugendlichen, der einen Krieg in Europa mit all seinen grausamen Begleitumständen erlebt und dem dann eine teure und illegale Flucht nach Ägypten gelingt. Der Autorin geht es in dem Stück um die Empathie mit Kriegsflüchtlingen und um das Aufzeigen von Situationen, denen Migranten ausgesetzt sind. Es wird bis zum Ende der Spielzeit vor allem in Schulen als Klassenzimmerstück gespielt. Die pädagogische Betreuung erfolgt durch die Gedenkstätte Bautzen. Ab Herbst wird das Stück als erweiterte Inszenierung in den Räumen der Gedenkstätte Bautzen für eine breite Öffentlichkeit aufgeführt.
> Mehr05.03. | Sonderführungen und erweiterte Öffnungszeiten zu Ostern in der Gedenkstätte Bautzen
Die Gedenkstätte Bautzen bietet zu Ostern Sonderführungen durch ihre Ausstellungen und Rundgänge durch die ehemalige Haftanstalt Bautzen II an. Dafür werden am Osterwochenende die Öffnungszeiten erweitert.
> MehrNeues von weiteren zeitgeschichtlichen Erinnerungsorten in Sachsen
18.02. | Leipzig: "HORCH UND GUCK" wird künftig vom Bürgerkomitee Leipzig herausgegeben
Das Magazin HORCH UND GUCK, das 1992 als Zeitschrift zur kritischen Aufarbeitung der SED-Diktatur vom Bürgerkomitee „15. Januar“ e. V. in Berlin gegründet wurde, das aus der Bürgerbewegung der DDR hervorging, wird aus organisatorischen und personellen Gründen mit dem neuen Jahr vom Bürgerkomitee Leipzig e.V. herausgegeben. Der Name „Horch und Guck“ geht auf den Begriff „VEB Horch und Guck“ zurück, der im Sprachgebrauch der DDR eine der volkstümlichen Bezeichnungen für das Ministerium für Staatssicherheit war.
> Mehr18.02. | Freiberg: Hitlers Bomber und das KZ Freiberg
1000 jüdische Frauen aus Auschwitz bauten ab Sommer 1944 in Freiberg an einer "Wunderwaffe" der Nazis. Der Freiberger Historiker Michael Düsing dokumentiert in seinem neuesten Buch "Zwangsarbeit für den Endsieg" die ergreifenden Schicksale der Häftlinge - und welche enorme Bedeutung die sächsische Kleinstadt noch kurz vor Kriegsende für die nationalsozialistische Rüstungsindustrie bekam.
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25.03. | Dresden: Falsche Versprechungen als Lockmittel – Die Anwerbung von Zwangsarbeitern im Zweiten Weltkrieg
Den deutschen Besatzungstruppen in Europa folgten unmittelbar die Dienststellen der Arbeitsämter. Arbeiterinnen und Arbeiter sollten durch gezielte Propaganda und falsche Versprechungen dazu gebracht werden, sich aus freien Stücken zur Arbeit nach Deutschland zu melden. Anhand historischer Quellen geht die am Institut für Zeitgeschichte München-Berlin tätige Referentin Sarah Scherzer dieser ersten Phase der Anwerbung von Zwangsarbeitern auf den Grund. Sie zeigt, wie aus der anfänglichen Anwerbung von Arbeitskräften zunehmend Zwangsverpflichtungen und Deportationen wurden. Die Ernennung von Fritz Sauckel zum »Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz« leitete 1942 eine Wende für die Arbeitskräftebeschaffung in den besetzten Gebieten ein.
> Mehr31.03. | Bautzen: AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG: Der vergessene Gefangenenaufstand. Das Bautzener "Gelbe Elend" im März 1950
Am 31. März 1950 wurde der erste und größte Häftlingsaufstand in der DDR brutal niedergeschlagen. Viele der gegen die unmenschlichen Haftbedingungen im „Gelben Elend“ aufbegehrenden Gefangenen wurden schwer verletzt. Im Laufe der Jahrzehnte geriet der Aufstand in Vergessenheit, die Geschichte des Lagers und Gefängnisses war in der DDR ein Tabu. 65 Jahre später erinnert die Ausstellung an den Aufstand und erzählt dessen Geschichte. Bereits um 17 Uhr findet in der Kirche der JVA Bautzen eine gemeinsame Andacht statt.
> Mehr31.03. | Torgau: Buchvorstellung „Sonja: 'Negativ-dekadent'. Eine rebellische Jugend in der DDR“
Sonja kam mit 16 Jahren in den Jugendwerkhof Torgau - sie trug Jeans, lange Haare und hatte 1968 gegen den Einmarsch der sowjetischen Truppen in Prag protestiert. Ein Leben im Visier von Volkspolizei und Staatssicherheit - bis 1989 zu ihrem ganz persönlichen Befreiungsschlag wurde.
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Das Schweigen brechen« stellt die Autorin Silke Kettelhake die bewegende Biografie in Torgau vor.
Rückblick
28.02. | Russen düpiert
Der Spiegel berichtet über die Folgen der Beendigung des Projekts "Sowjetische und deutsche Kriegsgefangene und Internierte" der Dokumentationsstelle der Stiftung Sächsische Gedenkstätten.
> Mehr09.03. | Wider das Vergessen. Sindefinger Schüler erkunden Jugendwerkhof
Weil nur wenige in ihrer Heimat wissen, was wirklich in der DDR passierte, geschweige denn schon einmal von einem Jugendwerkhof gehört haben, machte sich die Klasse 9a des Sindelfinger Gymnasiums Unterrieden auf den Weg, der Geschichte auf den Grund zu gehen und die Region in Kenntniss zu setzen.
> Mehr06.03. | Theaterstück soll Schüler mit Schockeffekt für die Situation von Flüchtlingen sensibilisieren
Das Online-Portal News4teachers kündigt die Premiere des Theaterstücks "Krieg – Stell dir vor, er wäre hier" in der Gedenkstätte Bautzen an.
> Mehr09.03. | Keine Auskunft mehr zu Kriegsgefangenen
Mehr als drei Millionen sowjetische Kriegsgefangene kamen zwischen 1941 und 1945 in Deutschland ums Leben. Wenn die Angehörigen der Vermissten aus Russland, der Ukraine und Weißrussland mehr über deren Schicksal herausfinden wollten, gab es einen Ort in Deutschland, der helfen konnte: Die Dokumentationsstelle der Stiftung Sächsische Gedenkstätten in Dresden. Doch seit Anfang des Jahres gibt es keine Auskünfte mehr – trotz tausender Anfragen.
> Mehr13.03. | Überraschung zwischen Luther und Porzellan
Auf halber Strecke zwischen der Lutherstadt Wittenberg und Meißen wartet Torgau darauf, entdeckt zu werden. Die Stadt an der Elbe bietet lebende Bären im Schlossgraben und solche aus Stoff in Deutschlands ältestem Spielwarengeschäft – garniert mit einem spätgotischen Stadtzentrum und umschlossen mit modern verpackter Geschichte über Wehrmacht und DDR.
> MehrKALENDERBLATT
3. März 1943 I DEPORTATION DER JUDEN DES LAGERS HELLERBERG NACH AUSCHWITZ
Unter Zusammenwirken der NSDAP-Kreisleitung Dresden, der Gestapo und der Betriebsleitung der zur Zeiss lkon AG gehörenden Göhle-Werke in der Riesaer Straße, eines der acht Außenlager des KZ Flossenbürg in Dresden, wurden die letzten Dresdner Juden am 23. und 24. November 1942 im so genannten „Judenlager Hellerberg“ zusammengelegt. Dies erfolgte, um die Arbeitskraft der zur Zwangsarbeit für die Rüstungsindustrie verpflichteten jüdischen Mitbürger besser abschöpfen zu können, Zugriff auf deren geräumte Wohnungen zu erlangen und das angestrebte Ziel zu erreichen, Dresden „judenrein“ zu bekommen.
Am 27. Februar 1943 wurden alle Insassen verhaftet, der Lagerbereich zum „Polizeihaftlager" erklärt und von der Bereitschaftspolizei bewacht. Bis zum 2. März 1943 wurden hier weitere Juden aus Dresden, Erfurt, Halle, Leipzig, Plauen und Chemnitz zusammengeführt. Noch am selben Abend begann die Räumung des Lagers. Sämtliche Gefangenen wurde mit LKWs zum Güterbahnhof Dresden-Neustadt gebracht. Hier wurden sie in ca. vier bis sechs leeren Güterwaggons gepfercht und in den frühen Morgenstunden des 3. März nach Auschwitz transportiert, wo die meisten sofort in der Gaskammer ermordet wurden.
Quelle: Zur Geschichte der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Dresden 1933-1945, von Marcus Gryglewski, in: Norbert Haase/Steffi Jersch-Wenzel/Hermann Simon (Hg.), Die Erinnerung hat ein Gesicht. Fotografien und Dokumente zur Nationalsozialistischen Judenverfolgung in Dresden 1933-1945, Schriftenreihe der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Bd. 4, Leipzig 1998
ZITAT DES MONATS
"Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen: darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben."
Primo Levi (1919-1986)
Neuausgabe 1958 (dt. „Ist das ein Mensch?“, Fischer, Frankfurt/M. 1961; Neuausgabe Hanser, München 1987, dtv 1992)
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