Juni 2014
Liebe Leserinnen und Leser,
im Zentrum der Arbeit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten steht – worauf ihr Zusatz hinweist – die „Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft“ an den historisch authentischen Orten im Freistaat Sachsen. Wir würdigen ihr Schicksal insbesondere in Gedenk- und Informationsveranstaltungen, in Veröffentlichungen, wie unserer Reihe „Lebenszeugnisse – Leidenswege“, in Ausstellungen und durch Gedenktafeln oder Mahnmale. Auf unserer Website waren sie bislang jedoch kaum präsent.
Um dies zu ändern, haben wir ein neues Modul integriert, mit dessen Hilfe Biografien von Menschen, die während der Zeit des Nationalsozialismus, der sowjetischen Besatzung und/oder der DDR aus politischen Gründen verfolgt worden sind, auf der Website präsentiert werden. Dazu zählt beispielsweise der im Kalenderblatt vorgestellte Rechtsanwalt Carl-Albert Brüll. Auf einer zentralen Seite mit Portalfunktion kann nach Namen, Verfolgungskontexten, Verfolgungszeitraum und Herkunft recherchiert werden. Die biografischen Präsentationen, die Sie auch über den Menüpunkt „Biografien“ auf den Einzelseiten der Gedenkstätten abrufen können, enthalten neben wesentlichen Lebensdaten Hinweise auf weiterführende Materialien wie Fotos, Publikationen und Webressourcen. Noch ist der Umfang überschaubar, aber Stück für Stück wird dieser Bereich wachsen.
Ich lade Sie herzlich zum Studium der Biografien, zur Lektüre des Newsletters und zu den zahlreichen Veranstaltungen in den kommenden Wochen ein.
Bert Pampel
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Vorschau
17.06.2014 | Chemnitz: Enthüllung einer Informationstafel zur Errichtung des Gedenkortes Gefängnis Chemnitz-Kaßberg
Mit der Enthüllung einer Informationstafel erfolgt der erste Schritt auf dem Wege der Errichtung des Gedenkortes Gefängnis Chemnitz-Kaßberg. Die Enthüllung wird vorgenommen durch den Chef der Sächsischen Staatskanzlei, Staatsminister Dr. Johannes Beermann. Zahlreiche Ehrengäste werden anwesend sein, darunter ehemalige politische Häftlinge, die im Gefängnis Chemnitz-Kaßberg inhaftiert waren.
> Mehr17.06.2014 | Leipzig: Veranstaltungen zum Gedenken an den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR
Die Besucher erwartet u.a. eine Lesung des Comics „17. Juni. Die Geschichte von Armin & Eva“ (Graphic Novel) mit den Autoren. Comic statt trockenem Geschichtsbuch, eine Wissensvermittlung der anderen Art, ist besonders für Schüler geeignet. Um 17.00 Uhr findet eine Gedenkfeier für die Opfer des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 statt. Es schließt sich abends eine Buchvorstellung mit Vortrag zum Thema „Zielvorgabe Todesstrafe. Der Fall Jennrich, der 17. Juni 1953 und die Justizpraxis der DDR“ an, es werden Originalmitschnitte des damaligen Schauprozesses gezeigt, und es kann diskutiert werden.
> Mehr17.06.2014 | Gedenkstätte Bautzner Straße Dresden: Ausstellungseröffnung "Haftalltag und Vernehmerpraxis"
Am Gedenktag zur Erinnerung an die Niederschlagung des Volkaufstandes im Juni 1953 wird feierlich ein neues Ausstellungsmodul der Dauerausstellung zur Untersuchungshaft des MfS in Dresden eröffnet. Gastrednerin ist mit Gisela Quasdorf ein ehemaliger politischer Häftling. Auf vier Medienstationen werden zukünftig anhand von Interviewauszügen die Schicksale ehemaliger Dresdner Untersuchungshäftlinge des MfS gezeigt.
> Mehr17.06.2014 | Podiumsdiskussion in der Gedenkstätte Bautzner Straße: Gründe politischer Verfolgung in der DDR und Führungsanspruch der SED
Im Fokus steht neben der Auseinandersetzung mit den Gründen politischer Verfolgung in der DDR und dem damit verbundenen Führungsanspruch der SED auch die politische Haft als solche. Darüber hinaus werden die Besonderheiten der Friedlichen Revolution 1989 erörtert, die der repressiven Machtausübung der SED und somit der politischen Verfolgung Andersdenkender ein Ende setzte. Als Podiumsgäste werden erwartet: Dr. Herbert Wagner, ehemaliges Mitglied der Gruppe der 20 und ehemaliger Oberbürgermeister von Dresden, Bernd Müller-Kaller, Sächsischer Landesvorsitzender der Vereinigung der Opfer des Stalinismus e.V. und ehemaliger politischer Häftling, Dietrich Bauer, Oberlandeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Moderiert wird die Veranstaltung von Lutz Rathenow (Sächsischer Landesbeauftragter für die Stasiunterlagen).
> Mehr17.06.2014 | Gedenkstätte Münchner Platz Dresden: Vortrag und Gespräch "Benutzt und beobachtet. Die Stasi-Akten der Schriftstellerin Brigitte Reimann"
Die Biografie von Brigitte Reimann spiegelt die außergewöhnliche Geschichte einer Emanzipation von herrschenden Moralvorstellungen, dogmatischen Erwartungen und einer politischen Desillusionierung einer Schriftstellerin im realen Sozialismus der 1960/70er Jahre in der DDR wider. Dr. Matthias Braun (BStU, Berlin) setzt in seinem Vortrag die literarischen, biografischen und Stasi-Quellen in Beziehung. Dabei entsteht ein facettenreiches Porträt über die Schriftstellerin Brigitte Reimann.
> Mehr02.07.2014 | "Kino im Freihof" in der Gedenkstätte Bautzen
Beginn der in den nächsten vier Wochen jeden Mittwoch veranstalteten Reihe "Kino im Freihof" unter dem Motto "Nur, wenn ich lache...". Eröffnet wird das Freilichtkino mit "Der große Diktator" mit Charlie Chaplin, es folgen "Brazil" von "Monty Python"-Mitglied und Regisseur Terry Gilliam, "Sein oder Nichtsein" von Ernst Lubitsch, der Animationsfilm "Persepolis" und "Hannas Reise" mit Karoline Schuch.
> Mehr05.07.2014 | Torgau: Jutta Fleck, die "Frau vom Checkpoint Charlie", liest aus dem gleichnamigen verfilmten Buch
Mit Jutta Fleck liest die echte "Frau vom Checkpoint Charlie" aus dem gleichnamigen verfilmten Buch der Autorin Ines Veith über das bewegende Schicksal der ehemaligen Dresdnerin und ihrer beiden Töchter, deren Liebe zueinander die Mühlen staatlicher Repression überwand. Damit nimmt die heutige Referentin der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung ein dunkles Kapitel der DDR-Geschichte ins Visier: die politisch motivierten Zwangsadoptionen.
> MehrNeues aus der Arbeit der Stiftung und ihrer Gedenkstätten
19.05.2014 | Bericht von der Gedenkveranstaltung anlässlich des 69. Jahrestages der Befreiung des Kriegsgefangenenlagers Zeithain
Am 23. April fand in der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain eine Gedenkfeier anlässlich des 69. Jahrestages der Befreiung des Kriegsgefangenenlagers Zeithain statt. Neben Vertretern aus der Politik und Botschaftsangehörigen nahmen unter anderem auch Angehörige von in Zeithain umgekommenen Kriegsgefangenen an der Gedenkveranstaltung teil.
> Mehr19.05.2014 | Zeithain/Torgau: Delegation aus Russland und Belarus zu Besuch an der Elbe
Anlässlich des 69. Jahrestages der Begegnung an der Elbe, dem so genannten Elbe-Day, war am 25. April eine russisch-weißrussische Delegation zu Besuch in der Elberegion.
> Mehr10.06.2014 | Konferenz zum „Erbe des Totalitarismus heute“ tagt im Prager Parlament
Die vierte Jahreskonferenz der Plattform für Europäisches Erinnern und Gewissen fand am 12. und 13. Juni 2014 im Parlament der Tschechischen Republik in Prag statt. Der Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Siegfried Reiprich, sprach zum Thema: "Memory institutions – why and how long do we need them?"
> MehrNeues von weiteren zeitgeschichtlichen Erinnerungsorten in Sachsen
7. Internationales Workcamp für Jugendliche Görlitz-Zgorzelec 2014
Zum 7. Mal findet vom 26. Juli bis zum 9. August 2014 das Internationale Workcamp statt, initiiert vom Meetingpoint Music Messiaen e.V. Es steht in diesem Jahr unter dem Motto “Creating a Common Future ”. 25 TeilnehmerInnen aus Polen, Deutschland und Italien begegnen sich zwei Wochen lang in der deutsch-polnischen Doppelstadt und gestalten den Gedenkort auf dem historischen Gelände des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers Stalag VIII A. Neu in diesem Jahr ist das Angebot eines Metallworkshops. Außerhalb der Arbeit und des Lernens auf dem Stalag bleibt den jungen Menschen genügend Zeit, die facettenreiche Region des Dreiländerecks und sich selbst gegenseitig zu entdecken und kennenzulernen.
Rückblick
13.05.2014 | "Kaßberg-Gefängnis Chemnitz: Größte Abschiebehaftanstalt der DDR wird Gedenkort"
Bericht über den Beschluss des Stiftungsrates zur Gestaltung des Gedenkortes Chemnitz-Kaßberg und seine Folgen.
> Mehr21.05.2014 | Projektwoche von Schülern des Johann-Walter-Gymnasiums im DIZ Torgau zum Thema "Schutzhaft" im Nationalsozialismus
Schüler erstellten während einer Projektwoche im DIZ Torgau zum Thema „Schutzhaft“ im Nationalsozialismus eine Extra-Seite der Torgauer Zeitung.
> Mehr10.06.2014 | "Ein letzter Gruß für Gustav Schulz"
Ein norddeutscher Klempnermeister forscht nach dem Schicksal seines verschollenen Vaters, der von sowjetischen Uniformierten abgeholt worden war und nie wiederkehrte. Er wird fündig in der Dokumentationsstelle der Stiftung Sächsische Gedenkstätten. Der SPIEGEL berichtet über den Fall, die langjährige Suche und die Schicksalsklärung in den russischen Archiven. Für Interessenten wird der Artikel - der noch nicht komplett online verfügbar ist - gern auf Anfrage zur Verfügung gestellt.
> MehrKalenderblatt
17. Juni 1953 | Volksaufstand in der DDR
Die sich in der gesamten DDR ausbreitenden Unruhen entwickeln sich in Görlitz von einem Solidaritätsstreik der Beschäftigten des örtlichen Lokomotiv- und Waggonbau (LOWA) zu einen Aufstand, der bald die ganze Stadt erfasst. Aus den anfänglich vor allem ökonomischen Forderungen werden schnell politische. Nach einer Demonstration auf dem Obermarkt wird der Oberbürgermeister per Akklamation abgesetzt sowie eine neue Verwaltung und ein Ordnerdienst bestimmt. Die Aufständischen besetzen das Rathaus, die SED-Kreisleitung, Haftanstalten sowie nach Schüssen auf die Demonstranten auch den örtlichen Sitz des MfS.
Der Rechtsanwalt Carl-Albert Brüll kommt am Nachmittag des 17. Juni 1953 von einem auswärtigen Termin auf den Görlitzer Obermarkt. Sofort versucht er, eine gewisse Ordnung in die Gefangenenbefreiung zu bringen. Nach Einsicht in die Fallakten bemüht er sich, die aus politischen Gründen Inhaftierten von den übrigen Insassen zu scheiden. Insgesamt werden an diesem Tag 416 Häftlinge befreit. Brüll kümmert sich bei Görlitzer Hotelbesitzern auch um die Unterbringung der obdachlosen Häftlinge. Erst in den Abendstunden können sowjetische Truppen, unterstützt durch die Kasernierte Volkspolizei (KVP), wieder die Ruhe im Sinne der SED herstellen. Der Rechtsanwalt flieht nach der Niederschlagung des Aufstandes nicht. Am 24. Juni 1953 wird er verhaftet. Nur sieben Wochen später verurteilt ihn das Bezirksgericht Dresden am Münchner Platz wegen „Aufruhr und Gefangenenbefreiung in führender Rolle“ zu einer fünfjährigen Zuchthausstrafe. Er verliert seine Zulassung als Anwalt, die Kanzlei wird aufgelöst. 1956 kommt Carl-Albert Brüll aus dem Zuchthaus Waldheim frei und flieht wenig später nach Westberlin. Hier ist er bei der Justizverwaltung als Verwaltungsgerichtsrat für DDR-Flüchtlinge zuständig. Daneben wirkt er auch im „Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen“ (UfJ) mit.
Am 17. Juni 2014 hält der Berliner Publizist Dr. Rolf Hensel in der Gedenkstätte Münchner Platz Dresden einen Vortrag zum Wirken von Carl Albert Brüll.
Zitat des Monats
Daß die Geschichte eine Lehrmeisterin des Lebens sey ist ein Satz der gewiß von vielen ununtersucht nachgebetet wird. Man untersuche einmal, wo die Menschen, die sich durch ihren Verstand gehoben haben, ihren Verstand herhaben. Sie holen ihn in den Affairen selbst, da wo die Begebenheiten sind und nicht da wo sie erzählt werden. Man kan sehr viel gelesen haben und wenig Verstand zeigen. Die Geschichte solte die Begebenheiten so erzählen, aber welcher Geschichtsschreiber kan dieses thun? Sie belohnt vielmehr die grosen Thaten, sie kan anflammen.
Georg Christoph Lichtenberg, Die Aphorismenbücher. Nach den Handschriften herausgegeben von Albert Leitzmann, Frankfurt am Main: Zweitausendeins 2005, S. 212f.
Impressum
Stiftung Sächsische Gedenkstätten
Dülferstraße 1
01069 Dresden
Redaktion: Dr. Julia Spohr
pressestelle@stsg.smwk.sachsen.de
www.stsg.de
Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten erschließt, bewahrt und gestaltet historische Orte im Freistaat Sachsen, die an die Opfer politischer Verfolgung sowie an Opposition und Widerstand während der nationalsozialistischen Diktatur oder der kommunistischen Diktatur in der SBZ/DDR erinnern.
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