August 2015
Liebe Leserinnen und Leser,
in jedem Jahr machen sich Menschen in der Urlaubszeit auf den Weg zu zeitgeschichtlichen Erinnerungsorten – auch in Sachsen. Manche nehmen an einer „Entdeckertour“ einer regionalen Tageszeitung durch Torgau teil. Mit einer Kranzniederlegung am Montag im Ehrenhain Zeithain geht das diesjährige internationale Workcamps des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., Landesverband Sachsen, mit Teilnehmern aus acht Ländern zu Ende. Jugendliche aus aller Welt begeben sich im Rahmen des 13. SCI-Workcamps noch bis Ende dieses Monats gemeinsam mit der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain und dem Service Civil International (SCI) unter fachkundiger Betreuung auf archäologische Entdeckertour auf dem Gelände des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers STALAG IV H. Aber auch unseren Freistaat Sachsen sollen sie gemeinsam kennen lernen.
Auch dessen Ministerpräsident, Stanislaw Tillich, hat sich auf die Spuren der Geschichte begeben und aus Anlass des 54. Jahrestages des Mauerbaus mit seinem Besuch im Archiv Bürgerbewegung Leipzig den Beitrag des Vereins zur Erforschung der SED-Diktatur gewürdigt.
In Bautzen ist der Sommer auch in diesem Jahr wieder vom „Kino im Freihof“ der Gedenkstätte Bautzen geprägt gewesen, bei dem die Besucher mit filmisch umgesetzter Geschichte – oftmals anhand von Einzelschicksalen – konfrontiert wurden.
Es ist ermutigend, gerade auch im Rahmen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für die Stiftung feststellen zu dürfen, wie viele Vereine und Einzelpersonen für die Erforschung der Geschichte Sachsens während der Diktatur des Nationalsozialismus und der kommunistischen Gewaltherrschaft engagiert sind. Anstoß dazu geben oftmals persönliche Erlebnisse oder auch Berichte von Familienangehörigen und Bekannten. So manches Geheimnis wartet aber noch darauf, „ausgegraben“ zu werden.
Wenn der heutige Newsletter im „Sommerloch“ auch etwas spärlich ausfällt, so hoffe ich doch, dass Sie beim Lesen interessantes Neues entdecken. Bleiben Sie unserem Gedenk- und Erinnerungsauftrag gewogen.
Lothar Klein
Inhalt |
Neues aus der Arbeit der Stiftung und ihrer Gedenkstätten
08.08. | 13. Internationales SCI-Workcamp in Zeithain
Zwischen dem 8. und dem 29. August 2015 organisieren die Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain und der Förderverein der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain e.V. in Zusammenarbeit mit dem Service Civil International (SCI) auf dem Gelände des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers das 13. SCI-Workcamp. Die 14 Freiwilligen kommen aus acht Ländern (Mexiko, Thailand, Irland, Slowakei, Spanien, Russland, Taiwan, Großbritannien und Deutschland).
> Mehr26.07. | Öffentliche Führungen zur Entdeckertour Torgau am 26. Juli 2015
Zur Entdeckertour Torgau der Sächsischen Zeitung am 26.7.2015 bot das DIZ Torgau öffentliche Führungen durch die ständige Ausstellung »SPUREN DES UNRECHTS« und die aktuelle Sonderausstellung »TORGAU 1945 - Ein Kriegsende in Europa« an.
> Mehr17.08. | Abschlussveranstaltung mit Kranzniederlegung des 6. Internationalen Workcamps des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. in der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain
Um 10.00 Uhr findet die feierliche Abschlussveranstaltung mit Kranzniederlegung des diesjährigen internationalen Workcamps des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., Landesverband Sachsen, statt. Es ist das sechste Workcamp, nachdem zwischen 2000 und 2004 fünf aufeinanderfolgende Workcamps stattgefunden hatten.
> MehrNeues von weiteren zeitgeschichtlichen Erinnerungsorten Sachsens
12.09. | 13. Treffen ehemaliger DDR-Heimkinder in Torgau
»Wirklichkeiten und Folgen der Heimerziehung zwischen gestern und heute«
Das Jahr 2015 steht ganz im Zeichen des 25. Jahrestages der Deutschen Einheit. Vor dem Hintergrund dieser historischen Perspektive sollen zum diesjährigen Treffen Ergebnisse, Möglichkeiten und Erfahrungen zur Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR und der frühen Bundesrepublik im Mittelpunkt stehen.
13.08. | Wichtige Schritte auf dem Weg zur Freiheit: Tillich würdigt Dokumentation von DDR-Opposition und Bürgerbewegung
Ministerpräsident Stanislaw Tillich besuchte am Jahrestag des Mauerbaus das Archiv Bürgerbewegung Leipzig. Er würdigte das Engagement des Vereins bei der Sammlung und Archivierung von Zeitdokumenten der oppositionellen Gruppen, Bürgerbewegung, Parteien und Initiativen aus den Jahren 1989 und 1990:
„Es war der Wunsch nach Freiheit, der den Freistaat Sachsen zu dem gemacht hat, was er heute ist: Ein freiheitlich demokratisches Land. Das haben wir nicht zuletzt denjenigen zu verdanken, die sich in Opposition zur DDR-Diktatur mutig für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte eingesetzt haben."
Rückblick
05.08. | „Was war die DDR?“
Muriel Wegner aus Grimma belegte beim Schülerwettbewerb Platz 3
Die Friedliche Revolution 1989 in der DDR und die Wiedervereinigung Deutschlands zählen zu den herausragenden Ereignissen der neueren deutschen Geschichte. Bei dem von der Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Länder und der Deutschen Gesellschaft ausgeschriebenen Wettbewerb "Was war die DDR?" waren Schüler aufgefordert, im eigenen Umfeld auf Spurensuche nach Erinnerungen an die DDR zu gehen.
06.08. | Zum Heimkindertreffen wird das erste Mal Besuch aus dem Westen erwartet.
Am 12. September treffen sich in der Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau erneut ehemalige DDR-Heimkinder. Die Torgauer Zeitung kam darüber im Vorfeld mit Gabriele Beyler, der Vorsitzenden des Trägervereins, ins Gespräch.
> Mehr14.08. | Archiv gegen das Vergessen
Sachsens Ministerpräsident würdigt anlässlich des 54. Jahrestages des Mauerbaus den Beitrag der Bürgerbewegung zur Erforschung der SED-Diktatur.
> MehrVorschau
25.08. | Vortrag: „Doppelte Gefährdung: Polnische Jüdinnen und Juden in Leipzig vor und nach der ‚Polenaktion‘“
Ariowitsch-Haus: Hinrichsenstr. 14, Leipzig-Zentrum Nordwest, Waldstraßenviertel
Polnische Jüdinnen und Juden waren im Deutschland der 1930er Jahre doppelt gefährdet: Zum einen erfuhren sie antisemitische Anfeindungen, zum anderen hatten sie nur eine befristete Aufenthaltsgenehmigung und waren somit der Willkür der Deutschen ausgesetzt. Wie lebten polnische Jüdinnen und Juden in Leipzig? Wie erinnern sie sich an das „Präludium zur Vernichtung“, die so genannte „Polenaktion“ im Oktober 1938? Am Beispiel der Familien Fischel und Kohs zeigt Dr. Uta Larkey die wenigen Überlebensoptionen der aus Leipzig vertriebenen polnischen Jüdinnen und Juden.
> Mehr10.09. | Vortrag: Der jüdische Widerstand im Nationalsozialismus
HATiKVA e.V., Pulsnitzer Straße 10, 01099 Dresden
in Kooperation mit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten
Über jüdischen Widerstand wurde fast seit Beginn der nationalsozialistischen Verfolgung kontrovers diskutiert. Entgegen lange verbreiteter Annahmen hat es sehr viel mehr Widerstand von Juden gegeben. Dr. Markus Roth geht in seinem Vortrag der Frage nach, was überhaupt unter jüdischem Widerstand zu verstehen ist. An konkreten Beispielen illustriert und vergleicht er Ausgangsbedingungen, Möglichkeiten und Grenzen des Widerstands von Juden im Deutschen Reich sowie in den deutsch besetzten Ländern - sei es in den Konzentrations- bzw. Vernichtungslagern und Ghettos oder aber im Alltag.
> Mehr13.09. | Tag des offenen Denkmals
Gedenkstätte Münchner Platz Dresden,
Münchner Platz 3, 01187 Dresden
Der ehemalige Justizkomplex am Münchner Platz ist ein Pfahl im Fleische der bei Touristen beliebten Barock- und Kunstmetropole Dresden. Die hier präsentierte Geschichte erzählt von hundertfachem Leiden und Tod, vom Missbrauch der Justiz durch die nationalsozialistische Diktatur. An diesem Ort, wo 1959 eine „Gedenkstätte des antifaschistischen Widerstands“ eingerichtet wurde, fanden aber auch nach 1945 politische Strafverfahren statt. Selbst die Hinrichtungsstätte wurde wieder reaktiviert.
> Mehr13.09. | Tag des offenen Denkmals „Handwerk, Technik, Industrie“. Zeitzeugen- und Sonderführungen, Dokumentarfilme
Gedenkstätte Bautzen, Weigangstraße 8a, 02625 Bautzen
Angelehnt an das Motto des diesjährigen Tages des offenen Denkmals informiert die Gedenkstätte Bautzen über die vielfältigen Umbauten und Arbeiten im Gebäude in dessen Geschichte als auch Gegenwart.
> Mehr15.09. | ALFRED ANDERSCH DESERTIERT. Fahnenflucht und Literatur (1944-1952). Vortrag von Jörg Döring und Rolf Seubert
DIZ Torgau, Schloss Hartenfels, Flügel B, 2. Etage, Schlossstr. 27, 04860 Torgau
Alfred Andersch ist Westdeutschlands berühmtester Deserteur. Sein autobiografischer Bericht »Kirschen der Freiheit« (1952) beschreibt die Umstände seiner Fahnenflucht aus der Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges. Aber war Andersch überhaupt ein Deserteur?
> MehrZitat des Monats
Je weiter sich eine Gesellschaft von der Wahrheit entfernt, desto mehr wird sie jene hassen, die sie aussprechen.
George Orwell (1903 - 1950, eigentl. Eric Arthur Blair, engl. Schriftsteller, Essayist und Journalist) in „Nineteen Eighty-Four“ („1984“) Secker & Warburg, London 1949, Foto: Wikimedia Commons
Kalenderblatt
16.08.1941 | Befehl Nr. 270 des Oberkommandos der Roten Armee über sowjetische Kriegsgefangene als „Vaterlandsverräter“
Anders als in der westlichen Welt galt in der Sowjetunon Kriegsgefangenschaft als Schande. Die sowjetischen Gefangenen wurden als feige Verräter angesehen. Am 16. August 1941 erlässt das sowjetische Oberkommando auf Anordnung Stalins den Befehl 270, der alle Kriegsgefangenen zu Deserteuren erklärt. Die Familien von Offizieren wurden verhaftet, den Familien einfacher Soldaten die staatliche Unterstützung entzogen. Gefangene, denen die Flucht durch die Front gelang oder die befreit wurden, „durften“ im besten Fall in Strafbataillonen als „Kanonenfutter“ ihre „Schuld mit Blut begleichen“. Im Mai 1945 wurden 100 „Filtrationslager“ für jeweils 10000 Gefangene eingerichtet. Nach russischen Untersuchungen Ende der 90er Jahre wurden „praktisch alle männlichen Repatrianten – Kriegsgefangene und Zivilisten – über 16 Jahre“ in verschiedene Formen der Zwangsarbeit überführt. Sie – darunter Frauen und Kinder – wurden beim NKWD (Volkskommissariat für Inneres) registriert, was selbst für Angehörige z.B. Berufsverbote und vorgeschriebene Wohnorte bedeutete. Im Zuge der Entstalinisierung wurden die zu Lagerhaft verurteilten Gefangenen amnestiert, bezeichnenderweise erst Monate nach verurteilten Kollaborateuren, die z.B. als Hilfspolizisten in deutschen Diensten Verbrechen begangen hatten. Aber auch danach blieben die ehemaligen Kriegsgefangenen gesellschaftlich geächtet. Mit Glasnost setzten 1987 Bemühungen zu ihrer Rehabilitierung ein, die gegen viele Widerstände schließlich am 24. Januar 1995 mit einem Erlass Jelzins erfolgte, ohne dass dies den Betroffenen spürbare Vorteile brachte. Wie sehr die ehemaligen Gefangenen auch nach dem Krieg noch leiden mussten, zeigt die Tatsache, dass von ihnen 1998 nur noch ein Prozent am Leben waren, während von den übrigen Veteranen noch 10 Prozent lebten.
Quellen:
- Christian Streit, „Keine Kameraden - Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen“ 2007 in www.kontakte-kontakty.de
- Vladimir Naumov/Leonid Resin, „Repressionen gegen sowjetische Kriegsgefangene und zivile Repatrianten in der UdSSR 1941 bis 1956“, in: Klaus-Dieter Müller u.a. (Hrsg.), Die Tragödie der Gefangenschaft in Deutschland und der Sowjetunion 1941–1956, Köln 1998, S. 343 u. 350.
- Manfred Zeidler/Ute Schmidt (Hrsg.), Gefangene in deutschem und sowjetischem Gewahrsam 1941 bis 1956: Dimensionen und Definitionen, Dresden 1999, S. 29
Foto: Sowjetische Kriegsgefangene im Stalag 304 (IV) Zeithain, Herbst 1941 (Archiv der Stiftung Sächsische Gedenkstätten)
Impressum
Stiftung Sächsische Gedenkstätten
Dülferstraße 1
01069 Dresden
Redaktion: Dr. Julia Spohr
pressestelle@stsg.smwk.sachsen.de
www.stsg.de
Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten erschließt, bewahrt und gestaltet historische Orte im Freistaat Sachsen, die an die Opfer politischer Verfolgung sowie an Opposition und Widerstand während der nationalsozialistischen Diktatur oder der kommunistischen Diktatur in der SBZ/DDR erinnern.
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