Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Ausstellungseröffnung „Ausgrenzung, Arbeitszwang & Abweichung“ des Riebeckstraße 63 e. V.
13.02.25
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Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten nahm am 12. Februar 2025 an der Eröffnung der Werkstattausstellung „Ausgrenzung, Arbeitszwang & Abweichung“ des Riebeckstraße 63 e. V. in Leipzig teil. Der Einladung folgten zahlreiche Gäste aus der Leipziger Zivilgesellschaft, Stadtverwaltung und Politik sowie aus der sächsischen Gedenkstättenlandschaft.
Der Förderkoordinator der Gedenkstättenstiftung Alexander Boger und Sven Riesel, stellvertretender Stiftungsgeschäftsführer, nahmen an der ersten Führung durch die Werkstattausstellung teil und hielten neben Vertreterinnen und Vertretern des Gedenkstättenvereins, der Stadt Leipzig, des Vereins Romano Sumnal und einer Zeitzeugin der einstigen Venerologischen Station ein Grußwort im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung.
Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten unterstützt seit mehreren Jahren im Rahmen von Ortsbesuchen, fachlichem Austausch, Förderberatungen und Fördermittelausreichungen (für bspw. Projektstellen, Konzepterstellungen, Workshops) die Initiative bzw. den nunmehrigen Verein. Der Riebeckstraße 63 e. V. hat sich das Ziel gesetzt, den historischen Ort als Erinnerungsort mit dauerhaften Vermittlungsangeboten weiterzuentwickeln.
Die Riebeckstraße 63 war ein zentraler Ort sozialer Ausgrenzung über die politischen Systeme des 19. und 20. Jahrhunderts hinweg. Dort sollte Pflichtarbeit der „Erziehung“ der Insassen und Insassinnen dienen. Zwangseingewiesen wurden unter anderem Menschen, die durch die Industrialisierung massenhaft arbeits- und obdachlos geworden waren, Bettler und Bettlerinnen sowie unterschiedliche als „Kranke“ bezeichnete Personen sowie tatsächliche oder vermeintliche Prostituierte.
Während des Nationalsozialismus wurde die Riebeckstraße 63 zu einem zentralen Ort der NS-Verfolgungspolitik in Leipzig. Neben von der Polizei eingewiesenen Menschen kamen nun insbesondere politische Gegner und Gegnerinnen des Nazi-Regimes als Verfolgten- und Gefangenengruppe dazu. Seit 1936 mussten Rom*nja und Sint*izze auf dem Gelände Zwangsarbeit leisten, seit 1938 auch Juden und Jüdinnen. Mindestens 76 Insassinnen und Insassen der Städtischen Arbeitsanstalt wurden bis 1941 Opfer der NS-Krankenmorde.
Während der Zeit der SED-Diktatur in der DDR wurde 1952 in der Riebeckstraße 63 eine geschlossene Venerologische Station (eine sogenannte „Tripperburg“) eingerichtet, die ein zentrales Instrument der staatlichen Repression darstellte. Mädchen und Frauen wurden dort oftmals ohne gesetzliche Grundlage zwangseingewiesen und gegen ihren Willen gynäkologisch auf Geschlechtskrankheiten untersucht. Damit wurde die Riebeckstraße 63 einmal mehr kein Ort der Genesung, sondern einer der Disziplinierung, Misshandlung und Repression.
Die unterschiedlichen an diesem einen Ort hier betrachteten Verfolgungs-, Ausgrenzungs- und Stigmatisierungskontexte wurden und werden bundesweit bislang nur marginal in den Blick genommen und sind auch innerhalb der sächsischen erinnerungskulturellen Landschaft einmalig. Der Verein nimmt sich dieser Querschnittsthemen über alle Jahrzehnte und Diktaturen hinweg gleichermaßen. Sie bieten zahlreiche Anknüpfungspunkte für eine gegenwartsorientierte Gedenkstättenarbeit: Sachwissen gepaart mit persönlichen Erinnerungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen bietet großes Potential, aktuelle und künftige gesellschaftspolitische Debatten zu eben jenen Themen zu bereichern und bestimmte gegenwärtige Denkmuster, Ideologien, Handlungen mit Geschehnissen aus der Vergangenheit in Bezug zu setzen.
Der Verein engagiert sich seit 2019 für die Erinnerung an die Geschichte der Riebeckstraße 63 auf vielfältige Weise wie mit zahlreichen Veranstaltungen, Führungen, Beiträgen in Presse und Medien, der Teilnahme an Podcasts, Tagungen und Vernetzungstreffen, mittels Austausch und Projekten mit anderen Einrichtungen, dem Wirken als Kontaktstelle für mit dem Ort verbundenen bzw. betroffenen Menschen oder deren Angehörigen, dem erfolgreichen Ein- und Umsetzen öffentlicher Mittel u. v. m.
Für 2025 ist die Umsetzung eines Projektes zur Erarbeitung pädagogischen Materials, was auch die neue Ausstellung mit einbeziehen soll, geplant. Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten beabsichtigt, dass Projekt zu fördern. Aufgrund der vorläufigen Haushaltsführung des Freistaates und einem noch nicht beschlossenen Stiftungshaushalt können derzeit aber keine Fördermittel ausgreicht werden.
Wir wünschen der Ausstellung viel interessiertes Publikum und viele sich in dem Raum eröffnende Gespräche. Und wir danken dem Verein und allen in dessen Umfeld Engagierten für die professionelle erinnerungskulturelle Arbeit! Mit der Beschäftigung dieser lokalen Geschichte beteiligt sich der Verein an der Erinnerungskultur Sachsens und Deutschlands und gestaltet sie aktiv mit. Vielen Dank dafür!
Kontakt
Sven Riesel
Stellvertretender Geschäftsführer | Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel. 0351 4695545
sven.riesel@stsg.de