Stiftung Sächsische Gedenkstätten trauert um den letzten sächsischen Auschwitz-Überlebenden Justin Sonder
09.11.20
Am 3. November, wenige Wochen nach seinem 95. Geburtstag, ist in Chemnitz der letzte sächsische Auschwitz-Überlebende Justin Sonder verstorben. Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten gedenkt seiner in großer Trauer. Justin Sonders Tod hinterlässt eine schmerzliche, nicht zu schließende Lücke – er war einer der letzten Zeugen des nationalsozialistischen Terrors.
Justin Sonder wurde 1925 in Chemnitz geboren und wuchs dort auf. 1943, seine Eltern wurden bereits von den Nationalsozialisten deportiert, wurde er wegen seiner jüdischen Herkunft zuerst in das so genannte „Judenlager Hellerberg“ in Dresden verbracht. Von dort aus wurde er in einem Sammeltransport in das KZ Auschwitz überführt. Justin Sonder überlebte in Auschwitz 17 „Selektionen“ – die Aussortierung und anschließende Ermordnung von Menschen, die wegen Krankheit oder Kräfteverlust als nicht mehr „arbeitsfähig“ galten – und mehrere Todesmärsche.
Bis auf seinen Vater, den er kurz nach Kriegsende durch Zufall wiedertraf, wurde Justin Sonders gesamte Familie von den Nationalsozialisten ermordet. Am 19. Juni 1945 kehrte er mit seinem Vater nach Chemnitz zurück. Er begann eine berufliche Laufbahn bei der Chemnitzer Kriminalpolizei und lernte seine Frau Marga kennen, mit der er drei Kinder und zahlreiche Enkel und Urenkel hat. Seit den 1990er-Jahren war Justin Sonder unermüdlich als Zeitzeuge an Schulen unterwegs, um jungen Menschen von seinem Schicksal zu berichten und sie für die Thematik der nationalsozialistischen Verfolgung in Deutschland zu sensibilisieren.
Justin Sonder unterstützte die Initiative Klick und später den Geschichtswerkstatt Sachsenburg e. V. Anna Schüller, Mitbegründerin des Vereins, erinnert sich: „Justin Sonder war als Überlebender der Shoah gemeinsam mit den ehemaligen Inhaftierten des KZ Sachsenburg Karl Stenzel und Otto Schubring Gründungsmitglied der Lagerarbeitsgemeinschaft KZ Sachsenburg. In dieser Zeit sind wir, die Initiative Klick, als junge Menschen gerade auf die Geschichte des KZs in unserer unmittelbaren Umgebung aufmerksam geworden. Dabei durften wir auch Justin Sonder kennenlernen. Er hatte den Mut und die Kraft seine Lebensgeschichte immer wieder jungen Menschen zu erzählen. Diese Kraft hat mich immer tief beeindruckt. Die Begegnungen und die Gespräche mit ihm haben mich und andere nachhaltig bewegt und sind mir bis heute in Erinnerung. Sie waren der Ausgangspunkt für unser bis heute andauerndes Engagement für einen Gedenkort auf dem ehemaligen Gelände des früheren KZ Sachsenburg und eine lebendige Erinnerungskultur.“
Justin Sonder setzte sich intensiv für den Aufbau einer Gedenkstätte KZ Sachsenburg ein. Anna Schüller: „Dafür sind wir ihm sehr dankbar. Er wird uns in unserer Arbeit fehlen, denn auch Audio- und Videoaufnahmen können den Austausch mit ihm und seine Impulse nicht ersetzen. Umso mehr spüren wir die Verantwortung, die Erinnerung an ihn, sein Leben und damit die Geschichte(n) der Opfer des Nationalsozialismus wach zu halten und neue – unsere Formen des Gedenkens und Erinnerns zu finden.“
Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten spricht Justin Sonders hinterbliebener Familie ihr tiefes Beileid aus und wird das Andenken an ihn in Ehren und sein Wirken als Zeitzeuge und sein Engagement gegen das Vergessen immer in Erinnerung halten.
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Sven Riesel
Stellvertretender Geschäftsführer
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