Mehr Aufgaben, weniger Mittel. Geplante Haushaltskürzungen gefährden Zukunft der Gedenkstättenarbeit in Sachsen
14.04.25

Der von der Sächsischen Staatsregierung vorgelegte Haushaltsentwurf des Freistaates für die Jahre 2025 und 2026 sieht die Förderung der Stiftung Sächsische Gedenkstätten aus Landesmitteln in Höhe von 4,48 Millionen Euro sowie 4,98 Millionen Euro vor. Im Vergleich zu 2024 wird damit in diesem Jahr der Haushalt der Stiftung Sächsische Gedenkstätten abgesenkt und 2026 auf der Höhe von 2024 fortgeschrieben. Durch tarifbedingt erhöhte Personalkosten und stark angestiegene Betriebskosten ergibt sich eine erhebliche Kürzung des Stiftungshaushalts. Dies wird nicht nur die Arbeit der acht Stiftungseinrichtungen einschränken, sondern auch der sachsenweit zwölf institutionell geförderten Gedenkstätten in freier Trägerschaft, die bereits jetzt am unteren Limit des Möglichen arbeiten. Für die Stiftung selbst am dramatischsten ist, dass ihr nach wie vor nicht die notwendigen Personalmittel zugewiesen werden sollen, die sie für die Erfüllung der ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben benötigt. Mit reduzierten Finanzmitteln und ohne das notwendige Personal wird die Stiftung nicht aus ihrer seit vielen Jahren bestehenden Krise kommen können.
„Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten erhielt in den vergangenen Jahren einen enormen Aufgabenzuwachs. Sachsenweit wurden zivilgesellschaftliche Initiativen in der Fläche gestärkt sowie neue Gedenkstätten aufgebaut und eröffnet. Wir haben die längst überfällige Modernisierung bestehender Erinnerungsorte angestoßen, Strukturen innerhalb der Stiftung reformiert, das seit Jahren im Landtag eingeforderte Entwicklungskonzept verabschiedet, langjährige Versäumnisse konsequent aufgearbeitet und Vertrauen wieder aufgebaut. Die Stiftung hat seit 2021 alles in ihrer Macht Stehende getan, um die Krise zu überwinden, in die sie zuvor geraten war. Mit diesem Haushaltsentwurf droht nun aber die ernsthafte Gefährdung des bis jetzt Erreichten und unserer Arbeitsfähigkeit. Die von der Politik immer wieder verlangte und im Koalitionsvertrag festgeschriebene Weiterentwicklung der Stiftung lässt sich ohne ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung nicht umsetzen. Dem Freistaat Sachsen droht damit erneut der Verlust des Anschlusses an die bundesdeutsche Aufarbeitungslandschaft“, stellt der Geschäftsführer der Stiftung, Dr. Markus Pieper, klar.
Bereits in den vergangenen Jahren stand die Entwicklung des Stiftungshaushalts in keinem angemessenen Verhältnis zur dynamischen Entwicklung der sächsischen Gedenkstättenlandschaft. „Viele Erinnerungsorte in freier Trägerschaft arbeiten bereits unter prekären Bedingungen fernab tarifgerechter Vergütung. Durch die Unterbesetzung gibt es nur in Ausnahmefällen Stellen für Pädagogik. Die Gedenkstättenstiftung braucht dringend eine grundlegende strukturelle Stärkung, um den aktuellen Herausforderungen wie dem Erhalt der historischen Orte und den Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels in den kommenden Jahren gewachsen zu sein“, schätzt die Vorsitzende des Stiftungsbeirates, Uljana Sieber, die Lage ein.
Prof. Dr. Joachim Scholtyseck äußert sich als Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates der Gedenkstättenstiftung: „Historisch bedingt gibt es in Sachsen eine Vielfalt geschichtsträchtiger Orte, die Zeugnisse staatlich begangener Gewalt, undemokratischen Handelns und totalitärer Regime des 20. Jahrhunderts sind. Die Erinnerung an deren Opfer und die Vermittlung historischen Wissens sind Kern der Gedenkstättenarbeit. Keine der von der Stiftung betriebenen Gedenkstätten verfügt bislang über eine voll ausgestattete Bildungsstelle. Das wird weder der fachlichen Arbeit vor Ort noch der historischen Bedeutung dieser Orte gerecht – weder in sächsischer, bundesdeutscher noch internationaler Perspektive.“
Auch andere Bereiche der sächsischen Erinnerungskultur sollen auf besorgniserregende Weise zurückgefahren werden. So sieht der Haushaltsentwurf vor, die Finanzierung der sächsischen Landesarbeitsgemeinschaft Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus (sLAG) um 30 Prozent zu kürzen. Die sLAG leistet sachsenweit wichtige Vernetzungs- und Beratungsarbeit für zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure, auf denen von der Gedenkstättenstiftung geförderte Initiativen und Projekte aufbauen. Zurückgezogen werden soll ebenso die bereits zugesagte Finanzierung des Aufbaus der Gedenkstätte KZ Sachsenburg. Das KZ Sachsenburg in Frankenberg war eines der frühesten nationalsozialistischen Konzentrationslager und steht exemplarisch für die Anfänge des NS-Terrorsystems in Deutschland. „Nach jahrelanger Projektförderung durch die Gedenkstättenstiftung droht mit dieser Entscheidung dem gesamten Vorhaben, für das der Bund bereits Fördermittel in Höhe von 2,5 Millionen Euro in Aussicht gestellt hat, das Aus“, so Prof. Dr. Scholtyseck.
„Wir als Stiftung Sächsische Gedenkstätten appellieren an die Staatsregierung und an die Abgeordneten des Sächsischen Landtages, den Haushaltsentwurf dahingehend abzuändern, dass wir unseren gesetzlichen Auftrag zuverlässig erfüllen können. Dies bedeutet, dass der Stiftung endlich die notwendigen Personalmittel zur Verfügung gestellt und die Fördermittel für die sächsische Gedenkstättenlandschaft erhöht werden. Die zugesagte Aufbaufinanzierung der Gedenkstätte KZ Sachsenburg muss im 80. Jahr nach dem Ende der NS-Diktatur erfüllt werden. Die angestoßene Weiterentwicklung der Gedenkstätten zu zeitgemäßen, offenen und inklusiven Lernorten und die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Projekte in ganz Sachsen dürfen nicht gefährdet werden“, so Dr. Pieper.
Öffentliche Aufrufe und Bekenntnisse zur Unterstützung der Gedenkstättenarbeit sind für uns sehr wichtig. Diese allein reichen jedoch leider nicht. Denn die Auseinandersetzung mit den Diktaturen der Vergangenheit und die Sensibilisierung der Gesellschaft und insbesondere junger Menschen für die Gefährdungen der Demokratie kosten nun einmal Geld, auch wenn die Haushaltslage schwierig ist. „Das vom Stiftungsrat beschlossene Entwicklungskonzept der Stiftung muss als direkte Investition in die Zukunft unserer freien und demokratischen Gesellschaft finanziell unterlegt werden. Erinnerungsorte und Gedenkinitiativen schaffen Räume für gesellschaftspolitische Debatten und vermitteln demokratische Werte. Gerade in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Spaltungen und politischer Radikalisierung ist die Gedenkstättenarbeit ein unverzichtbarer Pfeiler unserer Demokratie und des gesellschaftlichen Zusammenhalts“, appelliert Dr. Pieper an die Abgeordneten des Sächsischen Landtages.
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