Fachworkshop in Frankenberg „Das NS-Konzentrationslager Sachsenburg“ – Ein Ergebnisbericht
31.10.16
Die Geschichte des NS-Konzentrationslagers Sachsenburg bei Frankenberg (1933–1937) war Thema eines am 29. Oktober 2016 von der Stiftung Sächsische Gedenkstätten gemeinsam mit dem Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V. veranstalteten fachöffentlichen Workshops am historischen Ort.
Nach einem Grußwort des Bürgermeisters von Frankenberg, Thomas Firmenich, und einer Ortsbesichtigung unter Führung von Anna Schüller tauschten sich die Teilnehmer, überwiegend Historiker, unter der Leitung von Dr. Bert Pampel (Stiftung Sächsische Gedenkstätten) und Dr. Mike Schmeitzner (Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V.) über den Forschungsstand zum bedeutendsten Konzentrationslager in Sachsen aus. Im Mittelpunkt standen neben einführenden Beiträgen über die Geschichte der frühen KZ in Sachsen und über Entwicklungslinien des KZ Sachsenburg Vorträge zu den verschiedenen Häftlingsgruppen, vor allem Kommunisten und Sozialdemokraten, wie auch jüdischen Häftlingen.
Ein weiterer Beitrag widmete sich den quantitativen Dimensionen der Häftlingsgesellschaft. Während in der Literatur bislang von 2 000 Lagergefangenen in Sachsenburg die Rede war, konnten inzwischen fast 6 000 namentlich ermittelt werden. Aber auch die Täterseite, in Gestalt der SS-Wachtruppe und ihres zeitweisen Kommandanten Max Simon, wurde thematisiert. Weitere Beiträge nahmen die sogenannten „Abwaschaktionen“ in Chemnitz im März 1933 als Vorspiel zum Lagerterror sowie den Fall des in Sachsenburg ermordeten Redakteurs der Dresdner Volkszeitung Max Sachs, der zu (letztlich erfolglosen) justiziellen Ermittlungen noch in der NS-Zeit führte, in den Blick.
In der Diskussion wurde die These einer vermeintlichen „Umerziehungsfunktion“ problematisiert und demgegenüber die „Abschreckungsfunktion“ der frühen Lager gegenüber den politischen Gegnern des Nationalsozialismus wie auch gegenüber der Bevölkerung betont. In mehreren Beiträgen ging es um die Frage der öffentlichen Wahrnehmung des Lagers Sachsenburg, sei es die Sichtbarkeit im lokalen Umfeld, Beziehungen zu den umliegenden Gemeinden oder Reaktionen aus der Bevölkerung. Letztere reichten von Zuschauerschaft über Gleichgültigkeit bis hin zu Solidarität und mutigem Protest. Ortsansässige Gewerbe verdienten aber auch an Häftlingen und Wachmannschaften. In Bezug auf die Täterseite, insbesondere die Angehörigen der Lager-SS, wurde die prägende Wirkung ihrer harten ideologischen und militärischen Ausbildung in den früheren Lagern für ihre weitere Karriere bis hin zur Beteiligung an den nationalsozialistischen Massenverbrechen (Holocaust, Partisanenbekämpfung) herausgearbeitet. Fragen ergaben sich unter anderem hinsichtlich der soziodemographischen Struktur der SS und der Heterogenität der Häftlingsgesellschaft und deren Folgen für den Lageralltag.
Als Fazit hielten die Teilnehmer fest, dass das Lager Sachsenburg ein zentraler Ort in der Erinnerungslandschaft an die NS-Diktatur in Sachsen ist, der unbedingt einer fundierten Weiterentwicklung bedarf und mehr öffentliche Aufmerksamkeit verdient. Die Teilnehmer waren sich einig, dass das Gebäudeensemble am historisch authentischen Ort so weit als möglich erhalten werden sollte. Dies gilt insbesondere für die ehemalige Kommandantenvilla. Für den Fall ihres Abrisses sei mindestens eine vorherige umfassende Dokumentation und nachträglich eine informatorische Markierung notwendig. Die Teilnehmer gaben ihrer Hoffnung Ausdruck, dass es nunmehr zu nachhaltigen Schritten beim Aufbau der Gedenkstätte kommen wird und appellierten hier sowohl an die Stadt Frankenberg als auch an die Stiftung Sächsische Gedenkstätten, sich schnellstmöglich über konkrete Projektvorhaben zu verständigen.
Der Workshop war ein weiterer Beitrag auf dem Weg, eine wissenschaftlich solide Grundlage für die künftige KZ-Gedenkstätte Sachsenburg zu erarbeiten und die daran beteiligten Akteure miteinander zu vernetzen. Ende 2017/Anfang 2018 soll ein Sammelband den bis dahin erreichten Forschungsstand dokumentieren.
Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten setzt damit ihre Bemühungen um die Vermittlung der für ein Verständnis des Nationalsozialismus wesentlichen Bedeutung der frühen KZ fort. Diese finden ihren Ausdruck auch in der nunmehr seit 10 Jahren gezeigten Ausstellung „Was damals losging, war ungeheuerlich… – Frühe KZ in Sachsen (1933–1937)“ (>> weitere Informationen). Die Ausstellung, die 2006 in Frankenberg zum ersten Mal präsentiert wurde, war seitdem sachsenweit an 22 Stationen zu sehen und kann noch bis zum 15. November 2016 in der Gedenkstätte Großschweidnitz besichtigt werden.
Ansprechpartner: Dr. Bert Pampel, Leiter der Dokumentationsstelle Dresden der Stiftung Sächsische Gedenkstätten (bert.pampel@stsg.smwk.sachsen.de, 0 351 / 46955-48)