2019: Kriegsgräberstätte auch für Opfer der Krankenmorde
Kriegsgräberstätte – ein Wort, bei dem man gemeinhin an Soldatenfriedhöfe denkt. Aber das Gräbergesetz gilt für viele weitere Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft – auch für die Opfer der Krankenmorde. Die Formulierung ist hier allerdings denkbar vage, wenn von Personen gesprochen wird, „die als Opfer nationalsozialistischer Gewaltmaßnahmen seit dem 30. Januar 1933 ums Leben gekommen sind“.
Seit 1993 galt das Gesetz auch im „Beitrittsgebiet“, also der früheren DDR. Das Krankenhaus Großschweidnitz erreichte 1995 eine Anerkennung der Zwangsarbeitergräber als Kriegsgräber. Das betraf allerdings nur 83 von über 3500 auf dem Friedhof beigesetzten Opfern der Krankenmorde und nur ein spezielles Quartier. Die überwältigende Mehrzahl fehlte – ihr Opferstatus war offenbar strittig. Sie blieben eine vergessene Opfergruppe. Ein Präzedenzfall wurde schließlich mit der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein geschaffen. Dort war der Hang hinter dem Tötungsgebäude, auf den die Leichenverbrenner die Aschreste der ermordeten Menschen „abgekippt“ hatten, zur Kriegsgräberstätte anerkannt worden. Die Anerkennung des Großschweidnitzer Anstaltsfriedhofes schien daher aussichtsreich. Allerdings waren dafür alle 3580 dort bestatteten Opfer namentlich zu erfassen und den konkreten Grablagen – Quartier, Reihe, Einzelgrab – zuzuordnen. Es sollte sich herausstellen, dass das gar nicht möglich war, da es ab 1944 kaum noch Einzelbeisetzungen gab. Tatsächlich waren immer mehrere Patientinnen in einem Grab bestattet wurden.
Aber woher stammte diese Information? Im Krankenhaus Großschweidnitz hatten sich mehrere Gräberverzeichnisse erhalten, in denen der Friedhofsmitarbeiter jede Bestattung akribisch und bürokratisch korrekt vermerkte. Die Auswertung dieser Bücher und der Abgleich mit der Opferdatenbank machte die Erstellung der Liste möglich. Nun gab es allerdings Zweifel daran, ob die Toten auch noch in den Quartieren ruhen würden. Ganz unberechtigt war die Frage nicht, denn auf dem separaten „Ausländerquartier“, wo die ermordeten Zwangsarbeiter beerdigt worden waren, hatte es Ende der 1940er-Jahre Exhumierungen gegeben – allerdings hatten sich nur westeuropäische Länder um eine Überführung der Toten in die Heimatländer bemüht. Die osteuropäischen Opfer befanden sich nach wie vor dort und waren als Kriegsopfer anerkannt worden.
Mit Hilfe verschiedener Dokumente und im Zuge eines Vororttermines konnten die Zweifel schließlich beseitigt und von einer schon im Raum stehenden Grabung bzw. Inaugenscheinnahme durch einen Umbetter der Kriegsgräberfürsorge abgesehen werden. 2019 erfolgte die Anerkennung des gesamten Patientenfriedhofes als Kriegsgräberstätte. Neben der ideellen Anerkennung der Ermordeten als Kriegsopfer ist damit auch eine dauerhafte Pflege und Erhaltung des Friedhofes gewährleistet. Seit 2020 sind die Namen aller auf dem Anstaltsfriedhof bestatteten Opfer der Krankenmorde auf Tafeln zu lesen und zu einem wichtigen Ort des Gedenkens, besonders für Angehörige, geworden.
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