2000: „Ab nach Bautzen ...“
„Ab nach Bautzen!“ – mit dieser Überschrift warb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung am 25. August 2024 mit einem fast ganzseitigen Bericht für einen Besuch der sächsischen Kleinstadt Bautzen. Die Autorin Susanne Kippenberger erläuterte: „Ein kleines Licht unter Sachsens Städten, das umso charmanter leuchtet: Bautzen ist eine Reise wert – auch weil es die dunkle Vergangenheit als Stasi-Knast nicht versteckt.“ Kippenberger führte ferner aus: „Am liebsten würde man die Rechten, überhaupt alle nostalgischen Antibundesrepublikaner, die sich als politisch Verfolgte gerieren und von der Diktatur der politisch Korrekten, vom Verlust der Meinungsfreiheit reden, an die Hand nehmen: ab nach Bautzen. In der DDR war bekannt, was das hieß – ab in den Stasiknast, eine Drohung für politisch Aufmüpfige“. Dieser Artikel wurde vielfach durchaus wohlwollend aufgenommen. Erregte Gemüter zog er nicht nach sich.
Ganz anders war die Situation noch vor 24 Jahren, als im Juli 2000 ein Bautzener Hotelier offensiv mit dem damaligen Negativimage Bautzens warb. Auf Werbeplakaten und Postkarten prangte die Headline „Ab nach Bautzen ...“ über der malerischen Silhouette der nächtlichen Bautzener Altstadt. Die Werbung irritierte und provozierte – konterkarierte das romantische Motiv doch die Assoziationen, die der Slogan hervorrief: Mauern, Gitter, ‚Stasi-Knast‘. Eine Presseinformation erläuterte die Motive der Verantwortlichen: „Initiiert wurde die Aktion von Personen, die mit dem auch nach zehn Jahren Wende keineswegs verblassten „Knast-Image“ von Bautzen sehr unglücklich sind und dieses für ihre schöne Stadt aushöhlen wollen, ein Image, das uralte sorbische Traditionen und Bräuche geradezu verschweigt, eine sehenswerte mittelalterliche Stadt überschattet und die Bautzener heute wie damals bedrückt. Der Ruf von Bautzen – für immer ein Opfer vergangener totalitärer Regime, welche gerade diese idyllische Stadt zum Kerker ihrer Gegner erklärten?“ (Presseinformation des Holiday Inn vom 18. Juli 2000)
Die Werbeaktion war in aller Munde. Einige ehemalige Häftlinge nahmen die Kampagne amüsiert auf, manche begrüßten sie gar ausdrücklich und auch viele Bewohner Bautzens befürworteten die Aktion. Bundesweit wurde ihr indes überwiegend Pietät- und Geschmacklosigkeit attestiert. Die Werbeaktion wurde abgebrochen, der Initiator, Geschäftsführer des Holiday Inn, sogar umstandslos entlassen.
Die Gedenkstätte Bautzen lud ehemalige Häftlinge, Bewohner der Stadt und Werbetreibende am 12. September 2000 ein, ihre Positionen zur Werbekampagne auf einem öffentlichen Podium zu vertreten. Das Gespräch zeigte die Vielschichtigkeit der Frage, wie mit der Gefängnisgeschichte Bautzens umzugehen sei. Zugleich belegte es deutlich, wie stark Bautzens Ruf damals noch von seinen Gefängnissen geprägt war.
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