1999: Die Suche nach Zygmunt Kosciesza und den verschollenen Gräbern der im Kriegsgefangenenlager Zeithain verstorbenen Polen
Nach der Wiedereröffnung der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain am Jahrestag der Befreiung, dem 23. April 1999 kam es kurz danach zu einem schicksalhaftem Besuch eines ehemaligen polnischen Kriegsgefangenen mit seinem Sohn. Bogumil Kosciesza hatte sich ohne vorherige Kontaktaufnahme von Washington D. C. unangekündigt mit seinem Sohn Stephen auf den Weg gemacht, um das Grab seines 1944 in Zeithain verstorbenen Bruders Zygmunt zu finden. Zusammen waren sie nach der Kapitulation der Polnischen Heimatarmee (Armia Krajowa) am 2. Oktober 1944 als Verwundete nach Zeithain gekommen.
Zeithain wurde seit Februar 1943 als größtes Kriegsgefangenen-Reservelazarett im Deutschen Reich betrieben. Zwei Transporte mit rund 1300 Verwundeten, Kranken sowie medizinisches Personal kamen am 13. Und 14. Oktober 1943 dort an. Anders als die sowjetischen und italienischen Gefangenen wurden die polnischen Gefangenen gemäß den völkerrechtlichen Normen der Genfer Kriegsgefangenenkonventionen sowie den Dienstvorschriften der Wehrmacht behandelt und versorgt. Trotz der schwierigen Kriegslage erreichten Pakete des Roten Kreuzes mit Nahrung, medizinischem Material sowie Kleidung die polnischen Gefangenen. Während Bogumil sich von seinen Verletzungen erholte, kam es bei seinem sechzehnjährigen Bruder Zygmunt, der bereits einen Fuß verloren hatte, am Zweiten Weihnachtfeiertag zu unerwarteten medizinischen Komplikationen mit einer Kopfverletzung, woran er schließlich verstarb.
Bogumil wurde zusammen mit seinen Eltern, die als Personal des Lazaretts ebenfalls von Warschau nach Zeithain gekommen waren, am 23. April 1945 von der Roten Armee befreit. Kurz danach machten sich die drei auf eigene Faust auf den Weg in Richtung Leipzig, wo sie bei Grimma die Mulde überquerten und von der US-Armee kontrolliertes Gebiet erreichten. Da der Vater Unternehmer war, erwarteten sie in der Volksrepublik Polen Repressalien. Die Familie schloss sich in der britischen Besatzungszone den unter britischem Kommando stehenden polnischen Streitkräften an. Bogumil diente noch bis 1948 in polnischen Einheiten der britischen Armee und wanderte nach einem Studium der Chemie schließlich in die USA aus.
Nach dem Tod seiner Frau wurde er katholischer Priester. Mit Beginn seines Ruhestands begann er die Suche nach dem Grab seines Bruders. Die 44 polnischen Gräber waren ebenso wie die mehr als 800 italienischen Einzelgräber auf dem Italienischen Soldatenfriedhof Jacobsthal nach 1945 durch die sowjetischen Streitkräfte zerstört worden. Diese nutzten den Friedhof bis 1992 als Übungsgelände. Kaum vorstellbar, die Gräber jemals wieder zu finden. Aber es gelang 1990/91 den Italienern, die Gebeine ihrer Toten zu finden und nach Italien zu überführen.
Gleiche Anstrengungen gab es seitens der polnischen Regierung nicht. Erst die 1999 beginnenden Recherchen von Bogumil und seinem Sohn Stephen in den National Archives der USA ermöglichten schließlich 2004 die Suche und den Fund der Grabstellen. Im Tiefflug aufgenommene Luftbilder der US-Luftwaffe ermöglichten die Ermittlung der Lage der polnischen Gräber. Bei der folgenden Exhumierung fanden sich auch die Gebeine von Zygmunt Kosciesza.
Der Beitrag wurde verfasst von Jens Nagel, Leiter der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain.
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