Johanna Strähle (1902–1940)
Am 12. Juni 1902 wurde Johanna Strähle als Tochter von Elsa und Ludwig Strähle und ältere Schwester von zwei Brüdern in Dresden geboren, wo sie auch Ihre Kindheit verbrachte. Ludwig Strähle arbeitete als Metalldreher und seine Frau Sabina als Hausfrau, die aufgrund der schwierigen finanziellen Lage der Familie, sich durch nächtliche Näharbeiten etwas hinzuverdienen musste.
Ab 1908 besuchte Johanna die Volksschule und zu Ostern 1916 begann sie einen Jahreskursus an einer Handelsschule in Dresden. In beiden Schulen zeichnete sie sich durch überdurchschnittliche Leistungen aus.
Noch während des Ersten Weltkrieges, im Oktober 1917, zog sie ins württembergische Göppingen und arbeitete dort in der Maschinenfabrik und Eisengießerei ihres Onkels Friedrich Strähle. Nach einer kaufmännischen Lehre stieg sie 1924 zur Prokuristin auf und war Leiterin der kaufmännischen Abteilung. Zu Ihren Aufgaben gehörten unter anderem die Erledigung der täglichen Korrespondenz, die Buchhaltung und Kassenführung. Diese Funktion ermöglichte ihr ein relativ unabhängiges Leben. So unternahm sie – damals noch unüblich –mit dem Auto selbstständig Dienstreisen durch ganz Süddeutschland.
Auch privat schätzte Johanna ihre Unabhängigkeit. 13 Jahre lang lebte sie mit Karl Strähle, dem Adoptivsohn ihres Onkels Ludwig, zusammen. Trotz der langen Zeit heirateten sie nicht, bekamen aber zwei gemeinsame Kinder: Karl-Heinz und Inge. Durch ihre erfolgreiche Arbeit hatten es Johanna und Karl Strähle zu einigem Wohlstand gebracht und ließen sich in Göppingen eine Villa bauen, die im Jahr 1930 bezogen werden konnte. Trotzdem kam es bald darauf zum Bruch zwischen Beiden.
Kurz nach der Trennung von Karl Strähle 1932 litt Johanna erstmals unter Depressionen. Nachdem sie zurück nach Dresden gezogen war, wurde Johanna nach kurzen Aufenthalten in der Anstalt Christophsbad in Göppingen und im Dresdner Krankenhaus Löbtauer Straße im August 1933 in die Landesanstalt Arnsdorf eingewiesen. Ihre Kinder lebten zu dieser Zeit bei ihrem Großvater Johannes in Dresden. In einer Beurteilung des Krankenhauses Löbtauer Straße wurde sie noch als überaus lebenslustiger, geselliger und beliebter Mensch beschrieben. Später galt sie als zunehmend unruhig und ängstlich, offenbar litt sie auch an Wahnvorstellungen. Die Ärzte diagnostizierten bei ihr daraufhin Schizophrenie. Damit fiel Johanna Strähle als vermeintlich „erbkrank“ unter das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, welches seit 1934 zwangsweise Unfruchtbarmachungen ermöglichte. In der NS-Ideologie galten Menschen mit psychische Erkrankungen als Gefahr für den „Volkskörper“. In einer Mitteilung vom 23. März 1936 an ihre Eltern teilte die Anstaltsdirektion mit, dass Johannas Gesundheitszustand in letzter zwar besser geworden sei, ein Spaziergang mit dem Vater außerhalb der Anstalt jedoch so lange nicht gestattet werde, bis die Sterilisation durchgeführt wurde. Zu einer Entlassung aus Arnsdorf sollte es nicht mehr kommen.
Am 9. Oktober 1940 bekam Ludwig Strähle die Nachricht, Johanna Strähle sei einen Tag zuvor in der Landesanstalt Hartheim bei Linz plötzlich an einer Lungenblutung verstorben. Offenbar weckte dieses Schreiben bei ihrem Vater Zweifel. Eine Woche später schrieb er an die Landesanstalt Arnsdorf und erkundigte sich nach den Todesumständen seiner Tochter. Er erhielt die Antwort, dass von einer Lungenerkrankung dort nichts bekannt gewesen sei, dass jedoch Blutungen bereits in der Anfangsphase einer solchen Erkrankung auftreten können.
Ludwig Strähles Verdacht war, trotz der Beschwichtigung aus Arnsdorf, dennoch richtig. Tatsächlich war Johanna Strähle bereits am 27. September 1940 von Arnsdorf zusammen mit 83 weiteren Menschen in einem Sammeltransport in die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein verbracht und dort noch am selben Tag ermordet worden. Lediglich zur Tarnung der Mordaktion wurde ihre Akte nach Hartheim geschickt und dort ihr Tod offiziell beurkundet. Die Familie ließ die Urne in Dresden beisetzen. Sie enthielt nicht die Asche von Johanna Strähle.
Zur Person
Nachname: | Strähle |
Vorname: | Johanna Elsa Sabina |
Nation/Land: | Deutschland |
Geburtsdatum: | 12.06.1902 |
Geburtsort: | Dresden |
Sterbedatum: | 27.09.1940 |
Sterbeort: | Pirna-Sonnenstein |
Letzter frei gewählter Wohnort: | Dresden |
Begräbnisstätte: | unbekannt |
Orte/Stationen der Verfolgung/Haft |
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Ergänzungen
Quelle(n)/ Literatur |
Patientenakte Bundesarchiv Berlin R179/12162 "War ein lebenslustiger Mensch." Johanna Strähle (1902-1940), in: Boris Böhm/Ricarda Schulze (Bearb.), "... ist uns noch allen lebendig in Erinnerung" Biografische Porträts von Opfern der nationalszialistischen "Euthanasie"-Anstalt Pirna-Sonnenstein, Dresden 2003, S. 30-39. [=Lebenszeugnisse-Leidenswege Heft 14] |
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