Jerzy Kahané (1901–1941)
Ein Leben ohne Wurzeln hätte es werden können, als Jerzy Kahané zusammen mit seinem Zwillingsbruder Aleksander am 27. Mai 1901 im damals noch zum russischen Zarenreich gehörenden Warschau zur Welt kam. Seine Eltern Józef und Stefanie (geb. Rosenbaum) gehörten der Evangelisch-Augsburgischen Kirche (EAK) an, waren also eine religiöse Minderheit im vor allem katholisch geprägten Warschau. Trotzdem fühlte sich die Familie als zu Polen gehörend und so begriff sie auch ihre nationale Identität. Konsequenterweise besuchte Jerzy von 1915 bis 1922 auch das Mikolaj-Rej-Gymnasium, welches sich zum Ziel setzte, „eine polnisch-evangelische Intelligenz heranzubilden“. Im Anschluss absolvierte er ein Studium der evangelischen Theologie an der Universität in Warschau, das seit 1918 Hauptstadt des neu geschaffenen polnischen Staates war, dem Kahané zeitlebens tief verbunden blieb.
Es folgten zahlreiche Stationen als Pfarrer in verschiedenen Gemeinden, unter anderem in Bydgoszcz (Bromberg), Gdynia (Gdingen) und Toruń (Thorn). Parallel wirkte er auch als Religionslehrer. 1935 heirate Kahané die Pfarrerstochter Dagmara Mey. Auch seine kirchliche Arbeit blieb geprägt von nationalen Konflikten. Die EAK verstand er als polnischen Widerpart zur von der deutschen Minderheit in Polen dominierten Evangelisch-Unierten Kirche (EUK) und forderte in verschiedenen Veröffentlichungen vehement eine stärkere staatliche Unterstützung ein.
Kahanés Einsatz für den polnischen Staat wurde für ihn mit dem deutschen Überfall auf Polen ab dem 1. September 1939 lebensgefährlich. Dieser Krieg war von Beginn an als sogenannter „Lebensraum- und Rassekrieg“ konzipiert und schloss die gezielte Verfolgung und Vernichtung der polnischen Eliten mit ein. Noch vor Kriegsausbruch kursierten Listen des Sicherheitsdienstes (SD) der SS, die potentielle „deutschfeindliche“ Kräfte verzeichneten. Ab wann Kahané in das Visier der deutschen Besatzer geriet, ist nicht mehr eindeutig zu klären. Im August 1940 wurde er von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) verhaftet und zunächst in das Konzentrationslager Stutthoff bei Gdansk (Danzig) verbracht. Infolge von körperlichen Misshandlungen durch die dortigen Wachmannschaften war er fortan in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt. Spätestens ab Februar 1941 war Kahané im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Sein körperlicher Zustand musste inzwischen so schlecht geworden sein, dass er in der Krankenbaracke aufgenommen wurde.
Als dauerhaft geschwächt und arbeitsunfähig wurde er 1941 durch Gutachterärzte selektiert, die bereits an der Auswahl von Opfern der zentralen „Euthanasie“-Morde beteiligt waren. Ziel der Selektionen war die Ermordung von kranken Häftlingen, die nicht mehr bei Arbeitseinsätzen ausgebeutet werden konnten. Da die SS zu diesem Zeitpunkt noch nicht über eigene Tötungsanlagen verfügte, griff sie auf die „Euthanasie“-Tötungsanstalten zurück. Intern wurde diese Mordaktion als „Sonderbehandlung 14f13“ bezeichnet. Als Kahané zum Transport nach Pirna geholt wurde, sprach er noch zusammen mit dem deutschen Pfarrer Heinrich Grüber ein kurzes Gebet, den 23. Psalm. „Und ob ich schon wanderte im finstren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.“ Am 7. Juni 1941 wurde Jerzy Kahané zusammen mit 84 weiteren Sachsenhausener KZ-Häftlingen auf Lastwagen nach Pirna-Sonnenstein deportiert und dort in der Gaskammer ermordet. Ein symbolisches Grab erinnert in Warschau noch heute an ihn.
Zur Person
Nachname: | Kahané |
Vorname: | Jerzy |
Nation/Land: | Polen |
Geburtsdatum: | 27.05.1901 |
Geburtsort: | Warschau |
Sterbedatum: | 07.06.1941 |
Sterbeort: | Pirna-Sonnenstein |
Letzter frei gewählter Wohnort: | Gdynia (Gdingen) |
Begräbnisstätte: | unbekannt |
Orte/Stationen der Verfolgung/Haft |
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Ergänzungen
Quelle(n)/ Literatur |
Maria Bewilogua, "Und ob ich schon wanderte im finstren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich" Jerzy Kahané (1901-1941), in: Kuratorium Gedenkstätte Sonnenstein e.V. (Hrsg.), "Von diesem tragischen Schicksal wusste ich nichts". Biographische Porträts von Opfern der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein, Pirna 2012, S.21 -33. |
Dokument(e) |
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