Kalenderblatt - VOR 90 JAHREN: Sächsisches Innenministerium fordert Zwangssterilisationen
10.01.23
Nur fünf Monate nach der Machtübernahme erließ die nationalsozialistische Regierung das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“. Es ermöglichte die zwangsweise Unfruchtbarmachung von als „erbkrank“ geltenden Menschen. Das Gesetz war der Auftakt für die systematische Ausgrenzung und Verfolgung von Menschen mit Behinderungen und psychischen Krankheiten im Nationalsozialismus.
Allerdings waren die dahinterstehenden Gedanken nicht neu. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhunderts gab es Forderungen nach der Unfruchtbarmachung von Menschen, die als erblich „minderwertig“ galten. In Deutschland sprach sich der sächsische Psychiater Paul Näcke bereits 1899 für die Sterilisation „Degenerierter“ aus.
Spätestens seit der Weltwirtschaftskrise 1929 wurde im Deutschen Reich intensiv über die Einführung eines Sterilisationsgesetzes diskutiert. Als Argument tauchten immer wieder die hohen Kosten der Betreuung psychisch kranker und behinderter Menschen auf. Es ging um Einsparungen. 1932 legten in Preußen Vertreter verschiedener Parteien einen ersten Gesetzentwurf vor. Dieser sollte freiwillige Sterilisationen ermöglichen.
Der sächsischen Landesregierung ging der Entwurf nicht weit genug. Am 10. Januar 1933 forderte sie das Preußische Innenministerium auf, das Gesetz so zu formulieren, „daß für besonders schwere Fälle auch eine Sterilisierung gegen den Willen des betreffenden Beteiligten zulässig wäre.“
Genau dieser Zwang wurde zum wesentlichen Merkmal des NS-Sterilisationsgesetzes. Allein in Sachsen fielen diesem schätzungsweise 20.000 Menschen zum Opfer.
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