Vor 80 Jahren: Ermordung des Homosexuellen Ferdinand Boxhorn in Pirna-Sonnenstein
15.07.21
Im Frühjahr 1941 gab es Absprachen zwischen dem Reichsführer SS, Heinrich Himmler und dem Leiter der Kanzlei des Führers und Mitorganisator der zentralen Krankenmorde, Philipp Bouhler. Himmler wollte arbeitsunfähige KZ-Häftlinge in den Gaskammern der Tötungsanstalten der „Aktion T4“ ermorden lassen. Der Beginn der sogenannten Sonderbehandlung 14f13 war die Ermordung von 95 KZ-Häftlingen aus Sachsenhausen in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein am 4. Juni 1941. Über eintausend Häftlinge aus den Konzentrationslagern Buchenwald, Sachsenhausen und Auschwitz wurden nach Pirna-Sonnenstein deportiert und ermordet. Unter ihnen auch der schwule Würzburger Kellner Ferdinand Boxhorn, der heute vor 80 Jahren in Pirna-Sonnenstein starb.
Boxhorn wurde am 22. November 1892 in Würzburg geboren. Nach seiner Ausbildung als Kellner diente er seit 1915 als Artillerist im Ersten Weltkrieg an der Westfront. 1917 erhielt er das Eiserne Kreuz II. Klasse. Nach dem Krieg arbeitete er wieder in Würzburg, seit 1929 im dem als Varieté und Kabarettbühne bekannten Central-Café. Bei einer Großrazzia am 11. Mai 1935 wurde Ferdinand Boxhorn aufgrund des Paragraphen 175, dem sogenannten „Schwulenparagraphen“, der männliche Homosexualität kriminalisierte, festgenommen. In seinen Verhören weigerte er sich, Namen von anderen Verdächtigen preis zu geben. Ihm konnten keine strafbaren Handlungen nachgewiesen werden, und er kam nach kurzer Zeit frei.
Nach weiteren Vernehmungen von Bekannten Boxhorns wurde er im Januar 1936 wegen „zwanzig Vergehen nach § 175 RStGB“ zu sechs Monaten Haft verurteilt. Am 20. April 1936 trat er seine Haft in Nürnberg an. Aufgrund miserabler Haftbedingungen erkrankte Boxhorn schwer an Tuberkulose, was nach fünf Monaten zu einer frühzeitigen Entlassung führte. Anschließend war er durch die Schwere der Krankheit arbeitsunfähig und musste von einer knappen Invalidenrente leben. Am 30. November 1937 wurde Ferdinand Boxhorn erneut nach Paragraph 175 zu sechs Monaten Haft verurteilt. Der Antritt der Gefängnisstrafe wurde aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes ausgesetzt. Nach einer mehrmonatigen Behandlung in einer Lungenheilstätte musste Ferdinand Boxhorn am 18. Juli 1939 seine Haftstrafe antreten. Nach zehn Monaten wurde er entlassen und kehrte nach Würzburg zurück. Seine Wohnung in der Alten Kasernenstraße 3 hatte er aufgrund des Gefängnisaufenthaltes verloren. Die Kriminalpolizei Würzburg verhaftete Ferdinand Boxhorn am 14. September 1940 erneut wegen seiner Homosexualität und ordnete noch am selben Tag die „Schutzhaft“ an. Am 15. November 1940 wurde Boxhorn in das Konzentrationslager Dachau gebracht.
Am 11. Dezember 1940 erfolgte die Verlegung Boxhorns von Dachau in das KZ Buchenwald. Dort wurde er einer Strafkompanie zugeteilt, in die alle Homosexuellen kamen. Die Strafkompanie war weitgehend isoliert vom Rest des Lagers und die Lebensbedingungen gekennzeichnet durch Demütigung, täglich schwerste Zwangsarbeit, unzureichende Essensrationen und Psychoterror. Weihnachten 1940 kam Boxhorn in das Arbeitskommando Bahnbau, was seinen ohnehin schon angeschlagen Gesundheitszustand weiter verschlechterte. Damit hatte er für die SS jeglichen Nutzen verloren. Im Juni 1941 führten Ärzte der Krankenmordorganisation in Buchenwald eine Selektion durch, bei der auch Ferdinand Boxhorn zur Ermordung bestimmt wurde. Am 14. Juli 1941 wurde er mit 92 Mithäftlingen nach Pirna-Sonnenstein deportiert und dort ermordet.
Zu seinem Gedenken ließ der Arbeitskreis Würzburger Stolpersteine am 1. Dezember 2014 einen Stolperstein in der ehemaligen Alten Kasernenstraße 3, heute Alte Kasernenstraße 1, dem letzten frei gewählten Wohnort Ferdinand Boxhorns, verlegen. Die Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein erinnert an seinen Lebensweg am 15. Juli 2021 im Rahmen der Christopher Street Days Pirna mit einem thematischen Rundgang zu homosexuellen Opfern der „Sonderbehandlung 14f13“ in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein.
(Verfasst von Annika Röder)
Hagen Markwardt (Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein, Öffentlichkeitsarbeit)
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