Abbruch der „Aktion T4“ vor 75 Jahren
24.08.16
Im Oktober 1939 initiierte Adolf Hitler die Ermordung von psychisch kranken und behinderten Menschen. Der NS-Staat bezeichnete Menschen mit einer unheilbaren Krankheit oder einer Behinderung als „unnütze Esser“, da sie aufgrund ihrer Arbeitsunfähigkeit für die Gesellschaft keinen Nutzen hätten. Im Rahmen der sogenannten „Aktion T4“ vergasten die Nationalsozialisten seit Januar 1940 in sechs Tötungsanstalten Menschen mit Kohlenstoffmonoxid.
Am 24. August 1941 wurden die Gasmorde auf Anweisung Adolf Hitlers eingestellt. Einer der Hauptgründe war der öffentliche Protest von Bischof Clemens August Graf von Galen. Dieser hatte in einer Predigt am 3. August 1941 in der Lamberti-Kirche in Münster die nationalsozialistischen Krankenmorde mit weitreichender Wirkung öffentlich gemacht. Er klagte den Nationalsozialismus nicht nur wegen des Verstoßes gegen alle zehn Gebote an. Zudem erläuterte der Bischof, welche Konsequenzen es für die Gesellschaft habe, Menschen nur nach ihrer Leistungsfähigkeit und Produktivität zu bewerten.
„Wenn einmal zugegeben wird, daß Menschen das Recht haben, ’unproduktive‘ Mitmenschen zu töten […], dann ist grundsätzlich der Mord an allen unproduktiven Menschen, also an den unheilbar Kranken, […] den Invaliden der Arbeit und des Krieges, dann ist der Mord an uns allen, wenn wir alt und altersschwach und damit unproduktiv werden, freigegeben.“
Zwischen Januar 1940 und August 1941 töteten die Nationalsozialisten 70.273 Menschen im Rahmen der zentralen Krankenmorde. Allein in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein fielen 13.720 Menschen den „Euthanasie“-Verbrechen zum Opfer. Darüber hinaus wurden an diesem Ort ebenfalls 1.031 kranke und schwache KZ-Häftlinge ermordet.
Die Einstellung der „Aktion T4“ bedeutete jedoch nicht das Ende der Mordaktionen. In der zweiten Phase der NS-„Euthanasie“ ermordeten Ärzte und Pflegepersonal Patienten mithilfe überdosierter Medikamente. Zudem töteten sie die Menschen auch durch systematischen Nahrungsmittelentzug, wie beispielsweise in der sächsischen Landesanstalt Großschweidnitz.
Derzeit erarbeitet die Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein ein Gedenkbuch, das an alle Opfer erinnern soll, die aus Sachsen stammen oder hier ermordet wurden. Die Fertigstellung des Gedenkbuches ist bis Ende 2017 geplant.