Arnold Grünfeld (1887–1941)
Arnold Grünfeld gehörte zu den Menschen, die im Juni bzw. Juli 1941 im Rahmen der nationalsozialistischen Mord-„Aktion 14f13“ auf dem Sonnenstein im Gas erstickt wurden. Diese im Frühjahr 1941 begonnene eigenständige Mordaktion betraf Häftlinge aus nationalsozialistischen Konzentrationslagern, die durch die extremen Anstrengungen und die brutale Behandlung im Lager erschöpft oder durch Krankheiten und Behinderungen arbeitsunfähig waren. Die SS bediente sich bei diesen Tötungen der „Euthanasie“-Anstalten Pirna-Sonnenstein, Bernburg und Hartheim. Arnold Grünfeld war einer von 85 am 14. und 15. Juli 1941 in Pirna- Sonnenstein ermordeten Juden aus dem KZ Buchenwald.
Er wurde am 11. März 1887 als einziges Kind des Kaufmannes Salomon Grünfeld und seiner Frau Ernestine in der mährischen Bezirksstadt Kremsier (Kroměřiž) geboren. Nach dem Besuch der fünfjährigen Volksschule absolvierte er von 1897 bis 1905 das Staatsgymnasium in seinem Geburtsort.
Er verlor seine Eltern sehr früh und war bereits mit 15 Jahren Vollwaise. Vermutlich lebte er bis zum Ende der Schulzeit bei Verwandten. Eine seiner wenigen Jugenderinnerungen, von denen Arnold Grünfeld seiner Tochter zu erzählen pflegte, war seine Reise mit einigen Mitschülern im Jahre 1903 nach Wien, um dem Begründer des politischen Zionismus, Theodor Herzl (1860–1904), die von ihnen gesammelten Spenden zu übergeben. Mit Stolz berichtete er, wie herzlich und interessiert Herzl sie empfangen habe.
1905 immatrikulierte sich Arnold Grünfeld an der Universität Breslau als Student der Philosophie. Da er weitgehend mittellos war, wurde er von einer jüdischen Gemeinde mit einem Stipendium unterstützt. Zusätzlich studierte er von 1907 bis 1913 jüdische Theologie am Jüdisch-Theologischen Seminar in Breslau.
Unmittelbar danach wurde er als Rabbiner in das westböhmische Eger (Cheb) berufen. Dieses Amt übte er bis zum Jahresende 1927 aus. In dieser Stadt, die bis zur Gründung des tschechoslowakischen Staates im Jahre 1918 mit übergroßer Mehrheit Bürger deutscher Nationalität bewohnten bestand nur eine kleine jüdische Gemeinde.
Während des Ersten Weltkrieges war Arnold Grünfeld sehr aktiv in der Flüchtlings- und Verwundetenfürsorge tätig. Zeitweilig diente er als Feldrabbiner des kaiserlich-österreichischen Heeres an der Ostfront in Galizien und in der Bukowina sowie an der italienischen Front.
Drei Jahre nach Kriegsende, am 26. Oktober 1921, heiratete Arnold Grünfeld in Fürth die am 29. Juli 1897 in dieser Stadt geborene Selma Schatzmann. Ein Jahr wurde ihr einziges Kind Edith geboren.
Zum Jahreswechsel 1927/28 trat Grünfeld das Rabbineramt im mährischen Iglau (Jihlava) an. Der Grund für den Wechsel war, dass er Eger wegen eines Skandals verlassen musste. Er hatte in seiner Synagoge zahlreiche Juden aus Polen und dem früheren Russischen Zarenreich, die in Deutschland gelebt hatten, aber keine Aufenthaltsgenehmigung und deutsche Staatsbürgerschaft besassen, getraut.
Arnold Grünfeld war bestrebt, den guten Ruf der alten Gemeinde, die Traditionen bis ins 14. Jahrhundert aufweisen konnte, zu erneuern. Er war ein hochgebildeter Intellektueller, liberal gesinnt und kulturell außerordentlich interessiert. Seine Liberalität brachte ihm bei seiner Amtstätigkeit in dieser Provinzstadt auch einige Kritik ein. Er konnte in Iglau einige glückliche Jahre verleben. In seiner Freizeit unternahm er mit seiner Familie gern Ausflüge in die Umgebung. Mit seiner Frau verbrachte er 1934 einen Urlaub in Venedig, nicht ahnend, dass es seine letzte große Reise sein würde.
Arnold Grünfeld war ein loyaler tschechoslowakischer Staatsbürger, sympathisierte aber auch mit der zionistischen Bewegung. Mit außerordentlicher Sorge wird er im Herbst 1938 die Drangsalierungen von Juden in den nach dem Münchner Abkommen vom 29./30. September 1938 „Heim-ins-Reich“ geführten Grenzgebieten des Sudetenlandes verfolgt haben. Die jüdische Bevölkerung in Iglau, das der Mittelpunkt einer deutschen Sprachinsel war, nahm in der angespannten und unübersichtlichen Situation der Folgemonate ihre Bedrohung deutlich wahr. Am 15. März 1939 besetzte die Deutsche Wehrmacht die nach dem Münchner Abkommen noch nicht okkupierten Gebiete der Tschechischen Republik. In Iglau kam es am 29./30. März 1939 zu schweren antijüdischen Ausschreitungen, die von deutschen Einwohnern und mehreren Angehörigen der Besatzungsmacht betrieben wurden. In deren Verlauf wurden 21 Geschäfte und Firmen jüdischer Inhaber beschädigt und die Synagoge in Brand gesteckt. Arnold Grünfeld verlor nicht nur seine religiöse Wirkungsstätte. Im Zuge der im Protektorat massiv betriebenen Enteignung der jüdischen Bevölkerung verwiesen die Nationalsozialisten die Grünfelds Anfang Juni 1939 auch aus ihrer Wohnung. Sie fanden bei einem Arzt vorübergehend Unterkunft. Die Situation für die jüdischen Bürger wurde immer unerträglicher, Drangsalierungen waren an der Tagesordnung. Es war für Arnold Grünfeld deshalb eine große Erleichterung, dass sich seine Tochter noch vor Kriegsbeginn ins Ausland in Sicherheit bringen konnte.
Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges kam es im Protektorat durch die deutschen Besatzer zu einer Geiselnahme von namhaften Persönlichkeiten des tschechischen öffentlichen Lebens wie Beamten, Wissenschaftlern, Geistlichen und Politikern. Unter ihnen befand sich auch Arnold Grünfeld. Er wurde in Iglau von der Gestapo inhaftiert und am 10. September 1939 in das nationalsozialistische Konzentrationslager Dachau überführt. Seine Frau sollte er nicht mehr wiedersehen.
Als die Nationalsozialisten wenige Wochen nach Kriegsbeginn das Konzentrationslager Dachau vorübergehend räumten, befand sich Arnold Grünfeld unter den etwa 700 „Protektoratshäftlingen“, die man am 23./24. September 1939 in das Konzentrationslager Buchenwald deportierte.
Mitte Juni 1941 wurde Arnold Grünfeld mit zahlreichen Häftlingen einer Ärztekommission der „Aktion 14f13“ vorgeführt. Als die SS am 13. Juli 1941 einen ersten Transport in die Tötungsanstalt Sonnenstein zusammenstellte, stand auf dieser Liste auch Arnold Grünfeld. Ein SS-Kommando brachte ihn mit 93 weiteren Männern in den Morgenstunden des 14. Juli in Lastkraftwagen in einer etwa vierstündigen Fahrt in das ca. 230 Kilometer entfernte Pirna. Den Häftlingen wurde gesagt, dass sie in ein „Erholungslager“ kämen, doch bereits die Umstände des Transports dürfte ihnen diese Hoffnung genommen haben. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit noch am selben Tag, spätestens am folgenden Tag ermordete man Arnold Grünfeld in der Gaskammer der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein. Er starb im Alter von 54 Jahren.
Unmittelbar nach der Tötung wurden die Leichen der Häftlinge verbrannt, ihre Asche in Urnen abgefüllt und zusammen mit sämtlichen Hinterlassenschaften in das Konzentrationslager Buchenwald zurückgebracht.
Zur Vertuschung des Verbrechens wurde auch im Falle Arnold Grünfelds einige Tage nach seiner Ermordung vom Standesamt Weimar II, dem Standesamt des Konzentrationslagers, die Todesursache gefälscht. Der Jüdischen Kultusgemeinde in Prag wurden der 19. Juli 1941 als Todesdatum, Weimar als Sterbeort und als Todesursache Ruhr mitgeteilt. Die seit November 1939 in Prag lebende Selma Grünfeld hat über die dortige Jüdische Gemeinde vom Tod ihres Mannes erfahren. Sie wurde informiert, dass sie die sterblichen Überreste ihres Mannes gegen Zahlung der Kosten der Einäscherung anfordern könne. Sie erhielt aus Weimar eine Urne und trug diese auf dem Prager Jüdischen Friedhof Olšany zu Grabe.
Zur Person
Nachname: | Grünfeld |
Vorname: | Arnold |
Nation/Land: | Tschechien |
Geburtsdatum: | 11.03.1887 |
Geburtsort: | Kremsier (Kroměříž) |
Sterbedatum: | 14.07.1941 |
Sterbeort: | Pirna-Sonnenstein |
Letzter frei gewählter Wohnort: | Iglau (Jihlava) |
Begräbnisstätte: | unbekannt |
Orte/Stationen der Verfolgung/Haft |
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Ergänzungen
Quelle(n)/ Literatur |
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Links: |
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