Geschäftsführer nimmt Stellung zur Debatte über Evaluation
01.04.16
Anmerkungen des Geschäftsführers der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Plenardebatte des Sächsischen Landtages vom 16. März 2016 zum Antrag der Fraktion Die LINKE „Evaluation der Tätigkeit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten“.
In der Plenardebatte zum Antrag der Fraktion Die LINKEN auf Evaluation der Tätigkeit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten wurde mehrfach betont, dass es sich bei dem Tun und Lassen der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft um wichtige öffentliche Angelegenheiten handelt. Deshalb ist es unerlässlich, im öffentlichen Raum objektiv und verantwortungsbewusst zu kommunizieren. Diesem Zweck dienen die folgenden sachlichen Richtigstellungen.
Zu einem „Arbeitsrechtsstreit wegen angeblich geführter Schwarzkassen in Bautzen“ behauptete Franz Sodann (Die LINKE) „Den von den Medien begleiteten Streit verlor die Stiftung. Die bis dato gekündigte Mitarbeiterin musste infolge des Urteils wieder eingestellt werden“.
Der Begriff „angeblich“ ist hier unangebracht, da es sich um unstrittige und sehr ernste finanzielle Verfehlungen handelt. Dies wurde auch von der anwaltlichen Vertretung der gekündigten Mitarbeiterin im öffentlichen Gerichtsverfahren nicht dementiert. Die arbeitsrechtliche Würdigung ist eine andere Frage. Ein Rechtsstreit ist zudem erst beigelegt, wenn ein Urteil rechtskräftig ist. Hierzu sind eine Urteilsbegründung und der Verzicht auf Berufung notwendige Voraussetzungen. Dies ist im genannten Fall bisher nicht gegeben. Zudem entspricht die Behauptung Franz Sodanns, wonach die betreffende Mitarbeiterin wieder eingestellt worden sei, nicht den Tatsachen.
Weiterhin stellt Franz Sodann fest, der Personalrat der Stiftung Sächsische Gedenkstätten habe sich öffentlich von der Geschäftsführung distanziert. Diese Behauptung ist unrichtig. Geschäftsführer und Personalrat erörtern unterschiedliche Auffassungen in den dazu vorgesehenen stiftungsinternen Verfahren.
Die von Sodann zitierte Behauptung eines Mitglieds des Stiftungsbeirates, wonach die „Stiftung […] stark zentralistisch organisiert und auf den Geschäftsführer zugeschnitten [sei], der willkürlich agieren kann“, ist in mehrfacher Hinsicht unrichtig. Zum einen ist der Betreffende nur eines von insgesamt 17 Stiftungsbeiratsmitgliedern. Die Stiftungsgremien (Stiftungsrat, Stiftungsbeirat, Wissenschaftlicher Beirat) umfassen rund 40 kompetente Personen, die sich einbringen können. Zum anderen – und vor diesem Hintergrund – sollte ein Einzelner seine persönliche Meinung nicht verabsolutieren und dogmatisch „feststellen“ wollen, was wiederum Andere völlig anders sehen. Der Stiftungsbeirat hat sich bereits mit dieser Angelegenheit befasst und den geschätzten Kritiker darum gebeten, sofern nötig, als eines von 17 Mitgliedern zu diskutieren. Mehrheiten für seine Sichtweisen und Empfehlungen möge er im demokratischen Verfahren erringen.
Richtig ist: Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten ist dezentral organisiert und subsidiär ausbalanciert. Sie ist auf die vier Organe Geschäftsführer, Stiftungsrat, Stiftungsbeirat und Wissenschaftlicher Beirat ausgerichtet, so dass der Geschäftsführer gerade nicht „willkürlich agieren“ kann. Der Geschäftsführer ist an die Beschlüsse der Gremien gebunden, er handelt im Rahmen des Sächsischen Gedenkstättenstiftungsgesetzes (SächsGedenkStG) und der Satzung. Die Rechtsaufsicht liegt beim Sächsischen Staatsministerium des Innern (SMI). Die Geschäftsordnung regelt die internen Arbeitsprozesse. Der Löwenanteil aller Entscheidungen zum Vollzug der praktischen Aufgaben wird von den Verantwortlichen vor Ort getroffen. Die Geschäftsstelle der Stiftung in Dresden arbeitet konstruktiv mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den einzelnen Gedenkstätten zusammen.
Die von der 1. Sprecherin des Verbandes VVN-BdA Sachsen (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) aufgestellte und von Franz Sodann in der Plenardebatte zitierte Tatsachenbehauptung, die Stiftung verschleppe die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit im Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Torgau genauso wie in der Gedenkstätte Bautzen, ist nachweislich falsch und hält keiner Überprüfung stand. So wird weiterhin erklärt, der Verband werde in die Stiftungsarbeit nicht eingebunden.
Korrekt ist: Die Vertreter von VVN-BdA sind mit ihrer Stimme in den Gremien ebenso repräsentiert wie andere Opfergruppen des Nationalsozialismus. Demokratische Willensbildungsprozesse sowie haushalterische Rahmenbedingungen ermöglichen es jedoch nicht, individuelle Wünsche nach Förderung sofort und vollumfänglich umzusetzen. In diesem Zusammenhang sei die Anmerkung erlaubt, dass es für den inneren Frieden in der Stiftung Sächsische Gedenkstätten nicht hilfreich war, dass der Verband VVN-BdA den Opfern der kommunistischen Diktatur als Bundesvorsitzenden ausgerechnet einen inoffiziellen Mitarbeiter des DDR-Staatssicherheitsdienstes zugemutet hat.
Des Weiteren behauptet Herr Sodann, die regierungskritische Twitter-Meldung des stellvertretenden Geschäftsführers der Stiftung im November 2015 sei „folgenlos“ geblieben; der Twitter-Account dürfe nun lediglich nicht mehr für private Zwecke genutzt werden. Das ist so nicht richtig: Der Twitter-Account der Stiftung (@gedenkstaetten) durfte noch nie für private Zwecke genutzt werden. Der stellvertretende Geschäftsführer hat vielmehr ohne letztendliche Autorisierung für die Stiftung gesprochen. Von Folgenlosigkeit kann keine Rede sein: Der Geschäftsführer hat die Twitter-Meldung gelöscht und die Öffentlichkeit darüber informiert, dass ein Fehlverhalten seines Stellvertreters arbeitsrechtlich geprüft und sanktioniert würde - „angemessen, verhältnismäßig, mit Augenmaß und im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten“. Dies ist geschehen. Der Stiftungsrat hat im Dezember 2015 die getroffenen Maßnahmen zur Kenntnis genommen, die Angelegenheit ist damit erledigt. Im Übrigen verbietet es die Fürsorgepflicht des Geschäftsführers für alle Mitarbeiter der Stiftung, zu vertraulichen Disziplinarmaßnahmen öffentlich Stellung zu nehmen. Es ist auch nicht Aufgabe von Politikern, hier initiativ zu werden.
Besonders problematisch ist folgende Behauptung des Abgeordneten Sodann: „Als Geschäftsführer der Stiftung installierte die CDU 2009 den Geophysiker Siegfried Reiprich, obwohl die Wahl des Stiftungsrats auf den Historiker und SPD-Mann Christoph Meyer gefallen war.“ Dies ist eine bewusste Verdrehung von Tatsachen bei gleichzeitig absichtlicher Ausblendung relevanter Fakten. Das Sächsische Gedenkstättenstiftungsgesetz (SächsGedenkStG) sieht vor, dass der Stiftungsrat den Geschäftsführer wählt und dieser im Anschluss von der sächsischen Staatsregierung bestätigt und berufen wird. Dr. Christoph Meyer war zwar vom Stiftungsrat gewählt, aber letztlich nicht von der Staatsregierung (zum damaligen Zeitpunkt eine Große Koalition) bestätigt und berufen worden. Die CDU ist wie jede andere politische Partei auch vor dem gesetzlichen Hintergrund keineswegs in der Lage, einen Geschäftsführer der rechtlich selbstständigen Stiftung zu „installieren“. Die Stelle war 2009 neu ausgeschrieben worden, der heutige Geschäftsführer Siegfried Reiprich wurde vom Stiftungsrat mit absoluter Mehrheit gewählt und von der sächsischen Staatsregierung bestätigt und berufen. Nach fünf erfolgreichen Jahren wurde er 2014 vom Stiftungsrat mit noch größerer Mehrheit (83 Prozent ohne Gegenstimmen) wiedergewählt und von der Staatsregierung bestätigt. Die Falschdarstellung durch die LINKE kompromittiert nun die pluralistisch strukturierten Gremien, insbesondere den Stiftungsrat. Und nicht zuletzt diffamiert sie auch die demokratisch legitimierte Staatsregierung.
Höchst verwunderlich ist auch die pauschalierende Behauptung: „In den letzten drei Jahren wurden circa 15 % der Fördermittel der Stiftung für den Themenbereich NS-Aufarbeitung und 85 % für die Themenbereiche Sowjetische Besatzungszone und DDR-Unrecht bewilligt.“ Diese Aussage wurde bereits in einer Pressemeldung der Stiftung Sächsische Gedenkstätten vom 12. November widerlegt. Rund die Hälfte aller Stiftungsgelder wurde und wird für die Aufarbeitung der Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur verwendet. Die Allokation von Ressourcen entspricht den historischen Gegebenheiten und dem 2012 novellierten Stiftungsgesetz. Relativ gesehen – zum Beispiel gemessen an der Kennziffer „aufgewendete öffentliche Gelder pro betreutem Besucher“ – werden sogar mehr Finanzmittel zur Verstärkung der Angebote zur NS-Aufarbeitung investiert als für die Erinnerung an die Opfer des Stalinismus und der SED-Diktatur.
Falsch ist ebenfalls die Aussage, es lägen keine konzeptionellen Überlegungen zur Weiterentwicklung der Stiftung Sächsische Gedenkstätten vor, sondern es gäbe nur ein Papier des „Vorgängers [von Siegfried Reiprich,] Klaus Dieter Müller“. Da Vertreter der Partei Die LINKE offensichtlich mit dem zeitweiligen kommissarischen Stiftungsgeschäftsführer kommuniziert haben, wissen sie auch um die Existenz entsprechender Unterlagen des Geschäftsführers Reiprich aus den Jahren 2010 bis 2012. Die darin formulierten konzeptionelle Überlegungen wurden im Zuge der Beilegung des so genannten sächsischen Gedenkstättenstreits und der Novellierung des sächsischen Gedenkstättengesetzes durch den Stiftungsrat freundlich und konstruktiv zur Kenntnis genommen - erst einmal wurden sie jedoch nicht weiterverfolgt. Mit der Gesetzesnovelle 2012 ging schließlich eine erhebliche Ausweitung der Aufgaben einher, die praktische Erfahrung der Jahre danach sollte in die konzeptionellen Überlegungen einfließen. Hier wird auf den jüngst publizierten Tätigkeitsbericht 2013/2014 verwiesen.
Abschließend sei noch bemerkt, dass die Darstellung des Verhältnisses zwischen der Stiftung Sächsische Gedenkstätten und dem Förderverein Ehrenhain Zeithain e.V. völlig falsch ist. Ein Kooperationsvertrag verpflichtet beide Partner (Stiftung und Förderverein) dazu, ihn auch einzuhalten. Hier verweisen wir auf unsere Meldung vom 4. März 2016. Konstruktive Sacharbeit sollte stets im Vordergrund stehen, nicht parteipolitische Durchsetzung von Partikularinteressen. Nicht zuletzt werden Fördervereine gegründet, um Gedenkstätten zu fördern - nicht umgekehrt.
Weblinks:
Sächsischer Landtag, 30. Sitzung vom 16.03.2016, TOP 7 (Video)
Plenarprotokoll 6/30 (PDF)