»Verhängnisvoll verstrickt. Richard Hesse und Leo Hirsch - zwei jüdische Funktionäre und ihre Lebenswege in zwei Diktaturen«. Buchvorstellung mit Heidi Bohley
Als sich Richard Hesse 1984 in Halle das Leben nahm, glaubte der Nachlassverwalter beim Sichten der Dokumente und Briefe seinen Augen nicht zu trauen: Der jüdische Rechtsanwalt hatte das Ghetto Theresienstadt überlebt, wurde aber schon ab Januar 1946 erneut im Speziallager Nr. 8 in Torgau und im ehemaligen KZ Buchenwald, nun sowjetisches Speziallager Nr. 2, interniert und 1950 in einem Scheinverfahren im Zuge der »Waldheimer Prozesse« zu 18 Jahren Haft verurteilt. Wie war das möglich und was war von dem Vorwurf zu halten, Hesse habe 100 Juden an die Gestapo verraten?
Dieser Frage gehen die Autoren Uta Franke, Heidi Bohley und Falco Werkentin in dem Buch »Verhängnisvoll verstrickt« nach, das in diesen Tagen in der Edition Zeit-Geschichte(n) erschienen ist. Das Buch beschreibt das Leben von Richard Hesse, der Opfer zweier Diktaturen wurde.
Das Böse, das ihm widerfuhr, wurzelte zum einen in den politischen Systemen: Unter den Nationalsozialisten erlitt er zwölf Jahre der Entrechtung, Deportation und mehrere Monate KZ-Haft. In der sowjetischen Besatzungszeit und der DDR geriet er in die Mühlen stalinistischer Justiz, die ohne Rücksicht auf individuelle Schuld automatisierte Strafen verhängte und vollstreckte. Das Böse kam aber auch von einem einzelnen Menschen, Leo Hirsch, der sich den jeweiligen Machthabern zum eigenen Vorteil andiente.
Das Buch führt vor Augen, wie diktatorische Systeme Niedertracht fördern und belohnen und menschliche Schwächen, die in jeder Gesellschaft vorkommen, in Diktaturen sehr viel weiter reichende Konsequenzen als in rechtssicheren Verhältnissen haben. Es schildert aber auch die Geschichte einer Treue in guten wie in schlechten Zeiten. Die Katholikin Elisabeth Hesse hielt zu ihrem Mann, begleitete ihn ins »Judenhaus«, nahm Zwangsarbeit auf sich und wurde nicht müde, um seine Freilassung aus kommunistischer Haft zu kämpfen.