Carl-Albert Brüll (1902–1989)
Carl-Albert Brüll wurde am 5. Mai 1902 in Görlitz als Sohn eines Rechtsanwalts und Notars geboren und katholisch getauft. Sein Jura-Studium absolvierte er bis 1929 in Freiburg, München und Breslau. Nach dem 2. Staatsexamen in Berlin ließ sich Carl-Albert Brüll 1935 in seiner Heimatstadt als Rechtsanwalt nieder. Der NSDAP gehörte er nicht an.
1940 wurde Carl-Albert Brüll zur Wehrmacht eingezogen. Wegen seiner guten Französischkenntnisse – Brülls Mutter hatte belgische Wurzeln – kam der Rechtsanwalt als Dolmetscher in das Kriegsgefangenenlager Stalag VIII A in Görlitz-Moys. Unter den Häftlingen befand sich der französische Komponist Olivier Messiaen. Carl-Albert Brüll erkannte die Begabung des jungen Musikers. Er organisierte Notenpapier, Stifte und Radiergummi sowie die Möglichkeit zu komponieren und zu proben. Am 15. Januar 1941 konnte das „Quartett für das Ende der Zeit“ („Quatuor pour la fin du temps“) vor 400 Mitgefangenen und der deutschen Lagerleitung uraufgeführt werden. Später wurde Carl-Albert Brüll nach Westeuropa versetzt und geriet 1944 in britische Kriegsgefangenschaft.
1947 kehrte Carl-Albert Brüll aus der Gefangenschaft zurück und ließ sich wieder als Anwalt nieder. Als Anfang 1948 in Görlitz ein Verfahren des Landgerichts Bautzen gegen zwei lokale Funktionäre der NSDAP - den ehemaligen Oberbürgermeister Hans Meinshausen und den ehemaligen NSDAP-Kreisleiter Bruno Malitz - eröffnet wurde, übernahm Brüll die Pflichtverteidigung des ersteren. Die SED plante gegen Hans Meinshausen ein „Nürnberg der Zone“. Der frühere Vertraute von Joseph Goebbels, der seit 1944 als Oberbürgermeister amtierte, war 1947 aus amerikanischer Internierung ausgelieferten worden. Das Verfahren besaß viele Merkmale eines Schauprozesses. Vorbereitet durch die politische Polizei und überwacht von Dutzenden Polizeiangehörigen, fand es in der Görlitzer Stadthalle statt. Die Verteidiger konnten vor Prozessbeginn weder Einblick in die Fallakten nehmen, noch wurden die von ihnen beantragten Entlastungszeugen geladen. Auch wenn die meisten Hauptanklagepunkte gegen Meinshausen mangels Schuldnachweises fallen gelassen werden mussten, stand das Todesurteil auch aus „präventiven Gründen“ schon vorher fest. Das Urteil gründete auf seiner allgemeinen Mitschuld an der Diktatur und auf dem Schutz der Gesellschaft vor einem versierten Propagandisten. Brülls Engagement für ein faires und rechtstaatliches Verfahren auch für belastete Nationalsozialisten war letztlich zum Scheitern verurteilt, dennoch blieb er weiter in Görlitz als Anwalt tätig.
Carl-Albert Brüll kam nach dem Mittag des 17. Juni 1953 von einem auswärtigen Termin auf den Görlitzer Obermarkt als auch die Haftanstalten der Stadt gestürmt und besetzt wurden. Der 17. Juni 1953 hatte sich in Görlitz aus einem Solidaritätsstreik der Beschäftigten des örtlichen Lokomotiv- und Waggonbau (LOWA) in einen Aufstand entwickelt, der bald die ganze Stadt erfasste. Aus den anfänglich vor allem ökonomischen Forderungen waren schnell politische geworden. Nach einer Demonstration auf dem Obermarkt war der Oberbürgermeister per Akklamation abgesetzt sowie eine neue Verwaltung und ein Ordnerdienst bestimmt worden. Die Aufständischen besetzten das Rathaus, die SED-Kreisleitung sowie nach Schüssen auf die Demonstranten auch den örtlichen Sitz des MfS. Sofort versuchte Carl-Albert Brüll, eine gewisse Ordnung in die Gefangenenbefreiung zu bringen. Nach Einsicht in die Fallakten bemühte er sich, die aus politischen Gründen Inhaftierten von den übrigen zu scheiden. Insgesamt konnten an diesem Tag 416 Häftlinge befreit werden. Brüll kümmerte sich bei Görlitzer Hotelbesitzern auch um die Unterbringung der obdachlosen Häftlinge. Erst in den Abendstunden konnten sowjetische Truppen unterstützt durch die Kasernierte Volkspolizei (KVP) wieder die Ruhe im Sinne der SED herstellen.
Der Rechtsanwalt floh nach der Niederschlagung des Aufstandes nicht. Am 24. Juni 1953 wurde er verhaftet. Nur sieben Woche später verurteilte ihn das Bezirksgericht Dresden am Münchner Platz wegen „Aufruhr und Gefangenenbefreiung in führender Rolle“ zu einer fünfjährigen Zuchthausstrafe. Er verlor seine Zulassung als Anwalt, die Kanzlei wurde aufgelöst. 1956 kam Carl-Albert Brüll aus dem Zuchthaus Waldheim frei und floh wenig später nach Westberlin. Hier war er bei der Justizverwaltung als Verwaltungsgerichtsrat für DDR-Flüchtlinge zuständig. Daneben wirkte er auch im „Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen“ (UfJ) mit.
Carl-Albert Brüll starb am 21. Oktober 1989 in Berlin.
Zur Person
Nachname: | Brüll |
Vorname: | Carl-Albert |
Nation/Land: | Deutschland |
Geburtsdatum: | 05.05.1902 |
Geburtsort: | Görlitz |
Sterbedatum: | 21.10.1989 |
Sterbeort: | Berlin |
Letzter frei gewählter Wohnort: | Berlin |
Orte/Stationen der Verfolgung/Haft |
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Ergänzungen
Quelle(n)/ Literatur |
Rolf Hensel: Carl-Albert Brüll. Ein Anwalt der Menschlichkeit. Berlin in Geschichte und Gegenwart, Jahrbuch des Landesarchivs Berlin 2011, S. 237–254. Rolf Hensel: Stufen zum Schafott. Der Berliner Stadtschulrat und Oberbürgermeister von Görlitz: Hans Meinshausen. Berlin 2012 (= Zeitgeschichtliche Forschungen 44). |
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