Grußwort der Sächsischen Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Prof. Dr. Dr. Sabine von Schorlemer, anlässlich Eröffnung der Dauerausstellung der Gedenkstätte Münchner Platz Dresden
am 10. Dezember 2012
Sehr geehrte Frau Generalkonsulin,
sehr geehrte Magnifizenz,
sehr geehrter Herr Więckowski,
sehr geehrter Herr Prof. Janosch,
sehr geehrte Frau Schütze,
sehr geehrter Herr Reiprich,
sehr geehrte Frau Dr. Sack,
sehr geehrter Herr Howald,
sehr geehrte Mitglieder der Gremien der Stiftung: des Stiftungsrates, des Stiftungsbeirates und des wissenschaftlichen Beirates, meine sehr verehrten Damen und Herren,
Namens der Sächsischen Staatsregierung und im Namen der Stiftung Sächsische Gedenkstätten begrüße ich Sie herzlich zur Eröffnung der Ausstellung „Verurteilt. Inhaftiert. Hingerichtet. Politische Justiz in Dresden 1933-1945 // 1945-1957“.
Lassen Sie mich zunächst meiner großen Freude Ausdruck verleihen, dass Sie, liebe Gäste, der Einladung so zahlreich gefolgt sind. Das hat die Organisatoren, allen voran Sie verehrte Frau Dr. Sack, vor besondere organisatorische Herausforderungen gestellt. Für das Engagement aller Beteiligten, die diesen würdigen Rahmen möglich gemacht haben, meinen herzlichen Dank!
Meine Damen und Herren,
der authentische Ort der heutigen Gedenkstätte Münchner Platz Dresden steht für rund 60 Jahre deutscher Justizgeschichte vom Kaiserreich bis in die frühe DDR. Hier wurde in zwei Diktaturen des 20. Jahrhunderts das Recht für deren politische und weltanschauliche Zwecke missbraucht. Vor 1945 war Dresden eine Drehscheibe der justitiellen Verfolgung: Dresdner Gerichte verurteilten deutsche und tschechische Gegner des nationalsozialistischen Regimes. Hier tagten politische Sondergerichte sowie der berüchtigte Volksgerichtshof.
Nicht zuletzt war der Münchner Platz eine der zentralen Hinrichtungsstätten des NS-Staates.
Mehr als 1.300 Menschen, darunter mehr als 800 Tschechinnen und Tschechen, wurden zwischen 1933 und 1945 hier hingerichtet. Nach dem Kriegsende 1945 wurde aus der im Krieg schwer zerstörten Untersuchungshaftanstalt ein Durchgangsgefängnis der sowjetischen Geheimpolizei NKWD. Inhaftiert und verurteilt wurden hier, neben Funktionsträgern der NSDAP, willkürlich Verhaftete und politische Gegner des neuen Regimes.
In der frühen DDR diente der Gebäudekomplex wieder als Gerichtsort und seit 1952 auch als zentrale Hinrichtungsstätte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die neue Ausstellung der Gedenkstätte Münchner Platz Dresden wird nicht ohne Grund am heutigen Tag der Menschenrechte eröffnet. Vor 64 Jahren verkündete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Diese definiert grundlegende Rechte, die jedem Menschen zustehen und zwar, ich zitiere: „ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand“. Ende des Zitats. Auf dieser – an den universellen Menschenrechten orientierten – Basis wird die ganze, meist furchtbare, immer aber ambivalente Geschichte dieses Ortes in der Ausstellung dargestellt, wird der durchaus unterschiedliche Missbrauch der Justiz in den beiden Diktaturen, die sich in diesem Teil Deutschlands entfalten konnten, mit seiner elementaren Missachtung von Rechtstaatlichkeit und Menschenwürde benannt.
Dabei versucht die Ausstellung die Geschehnisse aus dem Blickwinkel der Betroffenen, sowohl der Verurteilten als auch ihrer Angehörigen, zu erzählen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
In Ergänzung zu der Vielzahl musealer Einrichtungen in Dresden, vom Grünen Gewölbe bis zur Gemäldegalerie Alte Meister, die sich den Kunst- und den Kulturschätzen der Stadt widmen, besteht nun mit dieser neuen ständigen Ausstellung die Möglichkeit für Einwohner und Besucher der Landeshauptstadt, sich vertieft über die jüngste Vergangenheit Dresdens zu informieren, die nicht nur für Täter, sondern auch für damalige Mitläufer und Zuschauer wenig ruhmvoll und unangenehm ist, aber angenommen werden will. Diese schmerzliche Einsicht gilt insbesondere auch und gerade für den Berufsstand der Juristen. Die Gedenkstätte Münchner Platz Dresden ist einer der wenigen Orte in der Stadt, die sich explizit und ausführlich an historischer Stätte der politischen Verfolgung und ihren Opfern zuwenden. In der hiesigen Erinnerungskultur gibt es die angenehme Selbstwahrnehmung als Barock- und Kulturstadt und den alljährlich Wahrnehmung fordernden Gedenkanlass des 13. Februar 1945 in seiner Ambivalenz aus Opferrolle und Verantwortung für den Angriffs- und Vernichtungskrieg.
Aber wie gehen wir um mit den langen Jahren der nationalsozialistischen und der kommunistischen Diktatur, wie mit der ineinander verwobenen Zeitgeschichte? Hier bietet die Gedenkstätte eine alternative Lesart, eine unbedingt notwendige Ergänzung und Vervollständigung, die für die Selbstvergewisserung einer demokratisch-rechtsstaatlich verfassten Gesellschaft unabdingbar ist. Die Ausstellung in der Gedenkstätte Münchner Platz Dresden eröffnet die Möglichkeit, sich am authentischen Ort mit Missbrauch und Instrumentalisierung der Justiz zum Zwecke diktatorischer Machtsicherung und diktatorischen Machterhalts in der direkten Abfolge zweier Verfolgungsperioden auseinanderzusetzen. Terror und Propaganda waren nach den Erkenntnissen der berühmtesten Analytikerin totalitärer Diktaturen ihre wesentlichen Elemente.Die örtliche Nähe der Gedenkstätte zum Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung kann Potenziale der Erkenntnis frei setzen.
Danken möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gedenkstätte Münchner Platz Dresden und der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, die mit knappen Ressourcen zur Fertigstellung dieser Ausstellung beigetragen haben. Ich möchte abschließend den Wunsch aller für die Gedenkstättenstiftung Verantwortlicher zum Ausdruck bringen, dass diese Ausstellung viele Interessierte in die Gedenkstätte führt, um auf diese Weise der dunklen Momente der jüngeren Dresdner Geschichte, aber eben auch des freiheitlichen Engagements in den Jahren vor und nach 1945 zu gedenken.
Vielen Dank.