Lisa-Maria Schuster: Mein Praktikum in der Dokumentationsstelle in Dresden
28.08.24
Vom 5. bis 30. August 2024 absolvierte ich mein spannendes Praktikum in der Dokumentationsstelle Dresden der Stiftung Sächsische Gedenkstätten. Meine Aufgaben in diesen vier Wochen waren vielfältig.
Für das Erinnerungsportal www.verurteiltundvergessen.de recherchierte ich passende Biographien aus der umfangreichen Datenbank. Dieses Projekt dokumentiert die Lebensläufe von Menschen, die zwischen 1945 und 1955 zu Unrecht von sowjetischen Militärtribunalen verurteilt wurden, inzwischen aber wieder rehabilitiert worden sind. An diesen Kriterien und dem Ausschluss einer früheren Mitgliedschaft in der NSDAP orientierte sich meine Personensuche. Nachdem ich geeignete Datensätze gefunden hatte, wurden meine Ergebnisse in der täglichen Teamsitzung besprochen. Ich konnte beim Sächsischen Staatsarchiv in Chemnitz die Haftakten zur Einsicht bestellen. Die Lebensläufe als Eigenaussagen der Inhaftierten wurden mittels der Gefängnisunterlagen und den Kollegen in anderen Gedenkstätten- bzw. Archiveinrichtungen auf Richtigkeit überprüft.
Hierbei hat mich überrascht, wie wenige Informationen am Anfang vorliegen können und welcher Wissensstand mittels der Unterlagen in Archiven erreicht werden kann, trotz der gelegentlichen Schwergängigkeit mit dem öffentlichen Dienst. Hier war durchaus Geduld gefragt! Leider kam in einigen Fällen überhaupt keine Antwort, was angesichts der zeitintensiven Recherche enttäuschend war. Durch die fehlende Überprüfbarkeit der Angaben konnten meine Ergebnisse daher nicht immer für die Dokumentation auf www.verurteiltundvergessen.de verwendet werden.
Sämtliche bereitgestellte Informationen und Materialien sind nämlich archivalisch belegt. Sie stammen aus russischen und deutschen Depots, aus Rehabilitierungsvorgängen, von Standesämtern, aus Veröffentlichungen, aus Selbstauskünften der Verurteilten oder von Angehörigen. Im Rahmen dessen fand ich eindrücklich, wie widersprüchlich die Eigenaussagen der Inhaftierten zu verschiedenen Zeitpunkten waren. Dies spiegelte die extremen Hafterfahrungen und Verhörmethoden wieder, denen sie ausgesetzt waren und verdeutlicht, wie wichtig eine Überprüfung der Angaben durch die Dokumentationsstelle ist.
Nach der Herausarbeitung der stimmigen Informationen erstellte ich nach Vorlage einen Lebenslauf mit den wichtigsten Personendaten und Informationen zur Verurteilung und Haftzeit. Diese Biographie wurde zusammen mit einem Foto der Person auf www.verurteiltundvergessen.de veröffentlicht. Ausgehend von der letzten bekannten Wohnanschrift vor der Inhaftierung wird der Weg der Haft und Verurteilung hier virtuell sichtbar und nachgezeichnet. Durch einen neuen Flyer zu diesem Projekt wurden während meiner Praktikumszeit alle weiterführenden Schulen in Sachsen über diese Erinnerungsplattform informiert. Ich erstellte zu diesem Vorhaben den Serienbrief an die Schulleitungen und übernahm den Druck des Anschreibens sowie die Vorbereitungen für den Versand.
Für eine Erweiterung des von der Bundesstiftung Aufarbeitung geförderten Projekts „SMT-Urteile in Dresden“ (www.smt-dresden.de) schnitt ich digital Ausschnitte aus einem Zeitzeugeninterview zurecht. Diese Filmsequenzen machen Verurteilungen und Inhaftierung durch die Sowjetischen Militärtribunale zwischen 1945 und 1953 durch Aussagen von Überlebenden nachvollziehbar.
Ein weiterer Tätigkeitsbereich meines Praktikums betraf die Archivierung von Dokumenten im Depot der Dokumentationsstelle. Besonders die Datensätze, zu denen bereits umfassendes Material vorhanden war bzw. die anfällige Originaldokumente wie Schriftstücke, Fotografien oder elektronische Datenträger enthielten, sollten in säureresistenten, archivgeeigneten Kartons gelagert werden. Auf diese Weise erhielt ich Einblick in etliche weitere interessante Lebensläufe und einen Überblick über die diversen Archive, aus denen die Informationen stammten.
Während des Praktikums hatte ich die Möglichkeit, mir die Ausstellungen in den Gedenkstätten Münchner Platz Dresden, Bautzener Straße Dresden, Pirna-Sonnenstein und Bautzen anzusehen. Auf diese Weise konnte ich mir auf anschauliche Weise ein Bild von den geschichtlichen Ereignissen machen, da im Gegensatz zu anderen Gedenkstätten noch sehr viel von den ursprünglichen Einrichtungen erhalten ist.
Mein Praktikum in der Dokumentationsstelle hat meine Erwartungen absolut erfüllt. Ich konnte meine bisherigen Praktikumserfahrungen um wichtige Aspekte zur Schicksalsforschung und archivgerechten Dokumentation erweitern und vertiefen. Mir wurde klar, wie wichtig die Rehabilitierung der zu Unrecht Verurteilten nicht nur für die ehemaligen Inhaftierten, sondern auch für die Angehörigen ist. Etwa 700 Anfragen von Angehörigen, Forschern, Journalisten und öffentlichen Stellen erhält die Dokumentationsstelle im Jahr. Die Arbeit hält nicht nur die Erinnerung an die Verfolgten und Verurteilten lebendig oder gibt diesen durch Rehabilitierung ihre Würde zurück. Sie zeigt auch, dass Freiheit, politische Mitbestimmung und Bewahrung der Menschenwürde nicht selbstverständlich sind, sondern immer wieder aufs Neue verteidigt werden müssen. Allerdings verdeutlichte mir mein Praktikum, dass die Rehabilitation ein überaus sensibles Thema sein kann. Einerseits kann eine Akteneinsicht in russische Archivunterlagen fast ausschließlich aufgrund eines Rehabilitationsantrags erfolgen, andererseits soll die Rehabilitierung von Menschen vermieden werden, die in das NS-Regime verstrickt waren.
Die Organisation des Praktikums fand ich sehr gut. Gerade für eine Institution mit so wenigen Beschäftigten war die Betreuung hervorragend. Ich konnte jederzeit Fragen stellen und erhielt direkten Einblick in den täglichen Arbeitsablauf und über die verschiedenen Plattformen, die für die Informationsrecherche zur Verfügung stehen. Ich durfte meine Aufgaben recht selbstständig bearbeiten und wurde vom gesamten Team von Beginn an freundlich empfangen. Nach den vier Wochen hatte ich eine gute Vorstellung von den wichtigsten Aspekten der Arbeit der Dokumentationsstelle und bin mit meinem Praktikum sehr zufrieden.
Kontakt
Dr. Bert Pampel, Leiter der Dokumentationsstelle Dresden | Stiftung Sächsische Gedenkstätten
Tel. 0351 4695548
bert.pampel@stsg.de
www.dokst.de