Gedenkstätte Münchner Platz Dresden erinnert in Museumsnacht an verurteilte Frauen
11.06.24
Zur Langen Nacht der Museen am 8. Juni kamen zahlreiche Besucher und Besucherinnen in die Gedenkstätte Münchner Platz Dresden. Im Mittelpunkt der Veranstaltungen stand der berüchtigte Volksgerichtshof der Nationalsozialisten, der vor 90 Jahren gegründet worden war und auch in Dresden urteilte.
Die Gedenkstätte widmete sich drei Frauen, die hier verurteilt wurden: Die Dresdner Künstlerin Eva Schulze-Knabe verarbeitete später ihren Prozess in einem Aquarell-Zyklus. Anna Štruncová musste als Mitangeklagte erleben, wie ihre Mutter zum Tode verurteilt wurde.
Eva Schulze-Knabe (1907–1976) schuf 1947 einen Bilderzyklus mit dem Titel „Verhandlung vorm Volksgericht“. Darin setzte sie sich mit ihrem als traumatisch empfundenen Prozess auseinander: Im März 1942 war sie vom Volksgerichtshof in Dresden zu einer lebenslänglichen Zuchthausstrafe und ihr Mann Fritz Schulze (1903–1942) zum Tode verurteilt worden. Vorgeworfen wurde dem Paar und den Mitangeklagten „Verfassungshochverrat“, weil sie eine lose Gruppe der verbotenen Kommunistischen Partei gebildet hatten.
Die Aquarelle zeigen eine Konfrontation zwischen einem stehenden Mann und einem Richter, der ihn in die Schranken weist. Welches Ereignis ist hier dargestellt? Wie die Gedenkstättenleiterin Dr. Birgit Sack vor einem interessierten Publikum darlegte, muss es sich bei dem Dargestellten um Herbert Bochow (1906–1942) gehandelt haben, einen Freund des Künstlerpaares. Sein Auftritt als Zeuge in ihrem Prozess hat Eva Schulze-Knabe nachhaltig beeindruckt, so dass sie später immer wieder darauf zu sprechen kam. In einem Bericht aus der Nachkriegszeit schreibt sie:
„Herbert kam herein, abgemagert in Häftlingskleidung. Mit flammendem, kampferfülltem Blick trat er in den Zeugenstand und hielt ohne vorherige Angabe der Persönlichkeit eine hasserfüllte Anklagrede gegen das verbrecherische Naziregime. Er schleuderte den Richtern und Beisitzern seinen ganzen Zorn entgegen, warf ihnen vor, einen Schauprozess zu führen, und entlarvte ihr unmenschliches Handeln. Das Gericht war darüber wütend, der Präsident klingelte ab, und Herbert wurde wie ein Schwerverbrecher wieder abgeführt.“
Ein solch mutiges Auftreten vor Gericht war außergewöhnlich. Eva Schulze-Knabe selbst verhielt sich vor den Richtern sehr zurückhaltend, wie Birgit Sack berichtete. Ihr Mann Fritz Schulze bat nach seiner Verurteilung in einem Brief an den „Führer“ um Gnade – vergeblich. Herbert Bochow stand zwei Wochen nach seinen Freunden ebenfalls in Dresden vor Gericht. Wieder ging er auf Konfrontation, sprach dem Gericht dessen Legitimation ab, und wurde zum Tode verurteilt.
Ein geführter Rundgang auf dem Gelände des früheren Justizstandortes am Münchner Platz widmete sich außerdem der Geschichte der jungen Tschechin Anna Štruncová (1922–2007). Sie und ihre gleichnamige Mutter (1895–1944) wurden ebenfalls in Dresden vom Volksgerichtshof verurteilt. Die 22-Jährige kam im Juni 1944 gemeinsam mit ihrer Mutter ins Untersuchungsgefängnis am Münchner Platz. Weil die Mutter einige Tage lang geflohene sowjetische Kriegsgefangene bei sich untergebracht hatte, wurde ihr von der deutschen Besatzungsjustiz „Gebietshochverrat“ und „Feindbegünstigung“ vorgeworfen. Sie wurde deswegen zum Tode verurteilt, ihre Tochter erhielt – weil sie ihre Mutter nicht angezeigt hatte – eine vierjährige Zuchthausstrafe. Als sie in der Zelle saß, musste sie jederzeit damit rechnen, dass ihre Mutter hingerichtet werden würde. In ihren Erinnerungen schreibt sie:
„Es war schrecklich daran zu denken, dass das Leben meiner Mutter unter der Dresdner Guillotine enden würde. Wenn Hinrichtungen stattfanden, wiesen uns die Aufseherinnen an, die Fenster zu schließen. Welch ein Schrecken – befand sich meine Mutter unter den aufgerufenen Todeskandidatinnen oder nicht. Das Herz blutete mir und der Kopf zersprang förmlich. Um meinen Kopf hatte ich ein nasses Handtuch gebunden. Die Nächte durchwachte ich, tagsüber weinte ich. Das war ein schreckliches Leben.“
Zur 25. Museumsnacht in Dresden hatten 45 Museen und Ausstellungsräume von 18 Uhr bis Mitternacht geöffnet. Die Gedenkstätte Münchner Platz beteiligt sich seit über zwanzig Jahren an dem Veranstaltungsformat.
Kontakt:
Volker Strähle (Referent für Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit)
Tel. 0351 4633 1992
volker.straehle@stsg.de