Gedenkstätte Großschweidnitz feierlich eingeweiht und eröffnet
21.05.23
Am Sonnabend, dem 13. Mai 2023, wurde die Gedenkstätte Großschweidnitz in Anwesenheit von über 120 eingeladenen Gästen feierlich eingeweiht. Am Sonntag konnte das Gedenkstättenteam bereits mehr als 100 interessierte Besucherinnen und Besucher am neuen Erinnerungsort begrüßen und im Rahmen von Sonderführungen dessen Ausstellung vorstellen.
Schon an den ersten beiden regulären Öffnungstagen besuchten drei Gruppen die neue Gedenkstätte: Die Netzwerkstatt der Hillerschen Villa erhielt einen Rundgang durch die Ausstellung und über den historischen Friedhof. Darüber hinaus wurden mit der soziokulturellen Einrichtung aus Zittau mögliche gemeinsame Projekte besprochen.
Außerdem besuchte die Außenwohngruppe der Sozialtherapeutischen Wohnstätte St. Antonius aus Bautzen die Gedenkstätte. Nach einer Führung bot die Gedenkstätte Raum für den Austausch zu aktuellen Fragen: Was wünschen sie sich von ihren Mitmenschen und der Gesellschaft? Welche Barrieren oder Vorurteile gibt es noch? Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Führung hinterließen ihre Ideen und Meinungen in der Ausstellung, die mit partizipativen Elementen zur Teilhabe an gesellschaftlichen, ethischen und gesundheitlichen Debatten einlädt. Eine weitere Gruppe kam aus dem benachbarten Krankenhaus Großschweidnitz. Patientinnen und Patienten einer Sucht-Station erhielten eine kompakte Führung und gaben ebenfalls Feedback in der Ausstellung ab.
Diesem erfolgreichen Auftakt der Gedenkstättenarbeit gingen mehr als ein Jahrzehnt ehrenamtlichen Engagements des Gedenkstättenvereins, jahrelange Planungen und eine etwas mehr als zwei Jahre dauernde Bauzeit voraus.
Die Schaffung der Gedenkstätte geht maßgeblich auf den Verein Gedenkstätte Großschweidnitz zurück. Stiftungsgeschäftsführer Dr. Markus Pieper dankte im Rahmen der feierlichen Gedenkstätteneinweihung in seinem Grußwort „allen ehrenamtlich Engagierten des Gedenkstättenvereins für die wertvolle jahrelange Arbeit, die den Weg zum Aufbau dieses Erinnerungsortes und der Gedenkstätteneröffnung geebnet haben“. Das Team der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein hatte die zivilgesellschaftliche Initiative in Großschweidnitz seit Jahren fachlich begleitet und die Errichtung der Gedenkstätte unterstützt.
Die Einweihungsfeier wurde musikalisch vom Chor Kaleidoskop des SFZ Förderzentrums Chemnitz begleitet. Im Rahmen der Einweihung der Gedenkstätte verlieh der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer dem ehrenamtlichen Bürgermeister der Gemeinde Großschweidnitz, Jons Anders, den Verdienstorden des Freistaates Sachsen. Beim Sächsischen Verdienstorden handelt es sich um die höchste staatliche Auszeichnung Sachsens. Mit dieser Auszeichnung ehrt der Freistaat in- und ausländische Persönlichkeiten, die sich im politischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Bereich zum Wohle Sachsens und der hier lebenden Menschen besonders verdient gemacht haben.
Ministerpräsident Kretschmer würdigte die Verdienste von Jons Anders zum Aufbau der Gedenkstätte vor dem anwesenden Publikum: „Zukunft kann nur offen und gut sein, wenn auch die dunklen Kapitel in der Geschichte eines Ortes verstanden und aufgearbeitet werden. Wie kein anderer haben Sie, Herr Anders, dies verstanden und sich dafür eingesetzt, die Erinnerungskultur in Großschweidnitz zu fördern.“
Auch die Stiftungsratsvorsitzende und Sächsische Staatsministerin für Kultur und Tourismus Barbara Klepsch würdigte das Engagement zum Aufbau der Einrichtung: „Dass wir heute die Gedenkstätte Großschweidnitz eröffnen können, verdanken wir ganz wesentlich dem gemeinsamen Engagement von Bürgerinnen und Bürgern, von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, von Museen, von Gedenkstätten und der Politik. Wir übergeben damit einen neuen und bedeutenden Erinnerungsort an die Öffentlichkeit sowie einen Lernort, der durch seine tägliche Arbeit dazu beiträgt, dass künftige Generationen für eine demokratische und freiheitliche Gesellschaft eintreten. Ich danke den Mitgliedern des Trägervereins, die sich für die neue Gedenkstätte weit über das übliche Maß hinaus bürgerschaftlich engagiert haben. Ich danke zudem der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, welche den Prozess der Übernahme der Gedenkstätte in die Trägerschaft der Stiftung kontinuierlich begleitet hat.“
Erstmals nach Gründung der Stiftung Sächsische Gedenkstätten wurde mit Großschweidnitz eine neue Einrichtung in die Trägerschaft der Stiftung aufgenommen. Sie bildet zusammen mit der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein einen fachlichen Verbund zum Thema der NS-Krankenmorde – eine bundesweit einzigartige Konstellation. Bereits 2016 legte der Gedenkstättenverein ein entsprechendes Gedenkstättenkonzept vor, dass in den Gremien der Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Umsetzung empfohlen wurde.
Der Freistaat Sachsen hat gemeinsam mit dem Bund die Gedenkstätte mit über zwei Millionen Euro gefördert. Kulturstaatsministerin Claudia Roth: „Die Gedenkstätte Großschweidnitz widmet sich der Aufarbeitung eines bislang zu wenig beachteten Verbrechenskomplexes der menschenverachtenden NS-Ideologie. Mit ihrer zeitgemäßen Erinnerungs- und Bildungsarbeit gibt die Gedenkstätte zahlreichen Opfern der sogenannten ‚Euthanasiemorde‘ einen Namen. Zugleich legt sie eindrücklich das skrupellose System hinter den Kranken- und Kindermorden sowie den Zwangsterilisationen offen und benennt dessen willfährige Helfershelfer. Deshalb hat der Bund den Aufbau der Gedenkstätte Großschweidnitz als Beitrag zu einer umfassenden Aufarbeitung der NS-Terrorherrschaft auch gern unterstützt.“
Die Gedenkstätte Großschweidnitz erzählt die Geschichte der über 5 500 in Großschweidnitz durch überdosierte Medikamente, Hunger und Vernachlässigung systematisch ermordeten Menschen. Sie galten in der NS-Ideologie als „minderwertig“ und „unnütze Esser“. Die Gedenkstätte klärt über die Vorbedingungen und Nachwirkungen der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Verbrechen in Großschweidnitz auf. Als moderner Erinnerungsort bietet die Gedenkstätte Raum, Bezüge zu heutigen ethischen, medizinischen und gesellschaftlichen Debatten herzustellen.
Die Gedenkstätte Großschweidnitz hat täglich geöffnet: Montag bis Freitag 10 bis 16 Uhr sowie Samstag, Sonntag, Feiertage 11 bis 17 Uhr.
Publikumsgruppen können nach Anmeldung unter grossschweidnitz@stsg.de an Führungen und Projekten teilnehmen.
Dr. Maria Fiebrandt
Wissenschaftliche Referentin Gedenkstätte Großschweidnitz
maria.fiebrandt@stsg.de
Sven Riesel
Stellvertretender Geschäftsführer | Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel. 0351 4695545
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