Zwischen Westfernsehen und Dederonbeutel. Ausstellungseröffnung »Die heile Welt der Diktatur?« in der Gedenkstätte Bautzen
04.05.12
»Sie werden platziert!« Wer, der jemals ein DDR-Restaurant besuchte, kennt nicht diese seltsame Aufforderung? Zu warten, bis einem trotz freier Tische erst der Kellner einen Platz zuweisen muss, war einer der seltsamsten Bräuche im Alltag der DDR. Mit der deutschen Einheit verschwand er sofort, im Gedächtnis ist er allen geblieben.
Rund 1,9 Millionen »Trabis« fuhren 1988 auf den Straßen zwischen Rostock und Karl-Marx-Stadt. Das waren mehr als die Hälfte der in Privatbesitz befindlichen PKW in der DDR. Die kürzeste offizielle Wartezeit auf einen »Trabi« betrug 13 Jahre, im realen Sozialismus kosteten gebrauchte Autos mehr als neue, weil man sie sofort nutzen konnte. Während viele Produkte der Mangelwirtschaft das Ende der DDR nicht überlebten, begann für den »Trabi« der erinnerungskulturelle Aufstieg als »Legende«, die aktuell von mehr als 140 Clubs gepflegt wird.
»Ab nach Bautzen ...« Drei Wörter reichten, um einen aus der »heilen Welt« jäh in die Diktatur zu befördern. So fern der Staat auch aus der Nischenperspektive manchmal schien, war das Alltagsleben von der SED-Diktatur stets durchherrscht. Die Ausstellung »Die heile Welt der Diktatur?« der Bundessstiftung Aufarbeitung und des Magazins »stern« zeigt auf großformatigen Plakaten typische Szenen aus dem Alltag in der DDR. Zahlreiche Fotografien machen eine heute oft exotisch anmutende Lebenswirklichkeit sichtbar.
Im Rahmen des 23. Bautzen-Forums der Friedrich-Ebert-Stiftung Leipzig wird mit einem Podiumsgespräch die Ausstellung in der Gedenkstätte Bautzen eröffnet. Unter der Moderation von Sven Felix Kellerhoff (Redakteur für Zeit- und Kulturgeschichte »Die Welt«, Autor) gehen Stefan Wolle (DDR-Museum Berlin, Kurator der Ausstellung) und Silke Klewin (Gedenkstätte Bautzen) der Frage nach, ob es überhaupt so etwas wie eine »heile Welt« inmitten der Diktatur gab oder geben konnte. Ließen alltägliche Situationen eine Wahl zwischen Nische und Kollektiv, zwischen Widerstand und Einnisten zu? Warum wird der Alltag in der DDR heute häufig verklärt? Welche Erinnerungen an die DDR sollten denen vermittelt werden, die die »zweite Diktatur« nicht mehr selbst erlebt haben?
Hochauflösende Fotos zur Darstellung der Ausstellung »Die heile Welt der Diktatur?« sowie der Gedenkstätte Bautzen finden Sie für Ihre Berichterstattung im Pressebereich unter https://www.stsg.de/cms/bautzen/pressefotos_downloads oder auf Anfrage per Email.
Weitere Informationen erhalten Sie von Sven Riesel, Öffentlichkeitsarbeit Gedenkstätte Bautzen, Telefon 0 35 91 - 53 03 62 oder Email sven.riesel@stsg.smwk.sachsen.de