Vom Stalag zum Lazarett – 80 Jahre „Kriegsgefangenen-Reservelazarett Zeithain“
01.03.23
Vor Ankunft der ersten sowjetischen Gefangenen im Stalag 304 (IV H) Zeithain Mitte Juli 1941 war auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Zeithain einige Kilometer entfernt vom Hauptlager am 30.06.1941 das „Reservelazarett (Kgf.) Truppen-Übungsplatz Zeithain“ eingerichtet worden. Dafür wurden bereits bestehende Baracken, unmittelbar am Wasserwerk des Truppenübungsplatzes gelegen, genutzt und als Waldlager bezeichnet.
Mit der Inbetriebnahme dieses Lazaretts folgte man bei der Errichtung des Kriegsgefangenenlagers Zeithain der „Dienstanweisung der Wehrmacht über Raumbedarf, Bau und Einrichtung eines Kriegsgefangenenlagers“ vom 14.03.1939, die die Errichtung eines Lazaretts in mindestens 400 Meter Entfernung zum Kriegsgefangenen-Mannschaftsstammlager (Stalag) vorschrieb. Die Behandlung von Kriegsgefangenen im Waldlager endete bereits am 10.02.1942 und die 538 Betten wurden fortan mit kranken und verwundeten deutschen Soldaten belegt. Zusätzlich zum bestehenden Krankenrevier entstand daraufhin zusätzlich innerhalb des Hauptlagers Ende Februar ein Lazarett.
Mitte September 1942 wurde das Kriegsgefangenenlager Zeithain dem nur wenige Kilometer entfernt gelegenen Stalag IV B Mühlberg als Zweiglager unterstellt und führte fortan die Bezeichnung Stalag IV B/Z. Es diente weiterhin der ausschließlichen Unterbringung sowjetischer Gefangener. Den größeren Teil der Baracken nutzte bereits ab diesem Zeitpunkt das Lagerlazarett, dass von nun an die Bezeichnung Reservelazarett (Kgf.) Zeithain führte. Hierher wurden entkräftete, sehr häufig schwer an offener Tuberkulose erkrankte sowjetische Kriegsgefangene aus den Arbeitskommandos des Wehrkreis IV Dresden, zunehmend aber auch aus Lazaretten anderer Wehrkreiskommandos im Reichsgebiet verlegt.
Insbesondere die immer größer werdende Zahl an offener Tuberkulose leidender Gefangener musste isoliert werden, um weitere Ansteckungen unter den Gefangenen, aber auch der deutschen Zivilbevölkerung in den Betrieben zu verhindern. Letztere kam im Rahmen des im Verlauf des Jahres 1942 stetig ansteigenden Arbeitseinsatzes in der deutschen Kriegswirtschaft am Arbeitsplatz verstärkt in Kontakt mit sowjetischen Kriegsgefangenen. Zeithain wurde zum zentralen Abschiebelager tuberkulosekranker Gefangener mit wenig Aussicht auf Heilung – für tausende war es ein Warten auf den Tod.
General Otto Roettig, 1943/44 Generalinspekteur der Kriegsgefangenen beim Oberkommando der Wehrmacht (OKW) berichtete befragt in einem Verhör am 20.10.1947 in Nürnberg durch den US-Hauptankläger für die Nürnberger Nachfolgeprozesse u.a. über seinen Besuch des Kriegsgefangenen-Reservelazaretts Zeithain: „[…] Weiter erinnere ich mich, dass ich ein Tuberkuloselazarett für russische Kriegsgefangene besucht habe in einem Lager bei Mühlberg an der Elbe. Es befanden sich etwa 10-20.000 Kriegsgefangene dort. Diese hatten alle Tuberkulose als Folge der Unterernährung und sahen ebenso aus wie Skelette. Diese Kriegsgefangenen kamen aus allen Lagern von verschiedenen Wehrkreisen. Dies bedeutete also, dass in allen Lagern die Unterernährung derartige Folgen hatte. […]“
Am 20. Januar 1943 wurde das Stalag IV B/Z aufgelöst und mit der Unterstellung des sogenannten Holzbarackenlagers - rund 90 Baracken - unter das Reservelazarett (Kgf.) Zeithain am 19.03.1943 wurde die Umwandlung Zeithains in das größte Kriegsgefangenen-Reservelazarett im Deutschen Reich abgeschlossen. Es unterstand weiter dem Stalag IV B Mühlberg und hatte eine Kapazität von 7 700 Betten. Zum Vergleich: sonstige Reservelazarette für Kriegsgefangene hatten eine Kapazität von 300 bis 1 000 Betten.
Bis zur Befreiung des Lagers durch Einheiten der Roten Armee am 23. April 1943 blieb das Lager ein Ort des Sterbens. Nur schwer kranke und stark durch Unterernährung geschwächte Gefangene, das heißt im Sprachgebrauch der Wehrmacht „langfristig dienstunfähig“, kamen nach Zeithain. Immer stellten sowjetische Soldaten die Masse der Gefangenen, doch ab September 1943 kamen auch Italiener und schließlich ab Oktober 1944 Polen in großer Zahl in das Lazarett.
Die sowjetischen und italienischen Gefangenen mussten widrigsten Bedingungen trotzen. Die Hygiene und die medizinische Versorgung waren katastrophal und die Gefangenen waren allesamt stark unterernährt. Anders sah dies bei den polnischen Verwundeten und Kranken aus, die nach dem Ende des Warschauer Aufstands eintrafen. Sie erhielten Nahrungsmittel, Medikamente,Verbandsmaterial, medizinisches Gerät, Kleidung sowie Post über das Internationale Komitee des Roten Kreuzes, das zudem mindestens zweimal die 25 mit polnischen Gefangenen belegten 25 Holzbaracken mit Inspekteuren besuchte.
Als das Lager am 23. April 1945 befreit wurde, zählte es allein 25 000 bis 30 000 Tote unter den sowjetischen Kriegsgefangenen. Mit 874 Sterbefällen war Zeithain zudem das Lager mit der höchsten Opferzahl für die Italiener im Deutschen Reich. Nachweisen lassen sich darüber hinaus die Todesfälle von 44 polnischen, 12 serbischen und 4 französischen Kriegsgefangenen.
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