Neue Stolpersteine wurden in Leipzig verlegt
30.09.22
Am 14. September 2022 wurden in Leipzig 25 weitere Stolpersteine an sieben Orten für Opfer der NS-Gewaltherrschaft verlegt. Zu diesem Anlass konnten Familienangehörige aus den USA, Israel, Frankreich, England, Hessen und Berlin begrüßt werden. Das schlechte Wetter konnte den sehr bewegenden Zeremonien nichts anhaben.
Erstmals verlegte der Initiator des Projektes Gunter Demnig die Stolpersteine nicht mehr selbst. Unterstützung fanden wir mit Kay Heller vom Städtischen Eigenbetrieb Behindertenhilfe, der die Steine mit sehr viel Sorgfalt und Demut einbrachte. In der Mariannenstr. 3 realisierten wir ein Projekt des Erich-Zeigner-Haus e.V. mit der Lessing-Oberschule Schkeuditz. Irma Faber (Jg. 1902) wuchs hier mit ihren Eltern und ihren drei Brüdern auf. Die ledige Büroangestellte kam im Holocaust ums Leben. Über Berlin wurde sie 1943 nach Auschwitz deportiert.
In der Humboldtstr. 10 wurde an die Familie Schwarzbard erinnert. Die jüdische Familie überlebte den Holocaust. Während die Kinder noch rechtzeitig nach England kamen, überlebten die Eltern die Torturen deutscher Lager und wurden befreit. Zu diesem Anlass reiste Zev Bard aus Israel mit seiner Familie nach Leipzig. Bis zu seinem 3. Lebensjahr wohnte er hier. Mit einem Kindertransport konnte er gerettet werden. Nie wieder war er in Deutschland. Im Vorfeld der Verlegung der Steine für seine Familie lernte er wieder die deutsche Sprache und verwendete seinen deutschen Namen Wolfgang Schwarzbard.
Ebenfalls mit drei Jahren verließ Schaja (Charles) Lastmann das Elternhaus in der Jakobstr. 6. Die 3-
köpfige jüdische Familie floh nach Frankreich. Hier wurde sie von den Deutschen eingeholt. Vater Moritz wurde ermordet. Katholische Geistliche versteckten Rahel und den mittlerweile 6-jährigen Schaja vor der Deportation. 1944 wurde der ebenfalls aus Lyon angereiste René Lastmann geboren. Die beiden beinahe gleichaltrigen Charles und Wolfgang mutmaßten, dass sie sich schon mal im nahegelegenen Kindergarten begegnet sein könnten.
In einem Gemeinschaftsprojekt des Erich-Zeigner-Haus e.V., dem Johannes-Kepler-Gymnasium und der Historikerin Dr. Jutta Faehndrich wurden in der Christianstr. 15 fünf Steine für die Familie Nemann verlegt. Während die beiden älteren Kinder der jüdischen Familie Nemann noch rechtzeitig nach Palästina fliehen
konnten, wurden die Eltern und ihr 14-jähriger Sohn im besetzten Polen ermordet. Auch hier konnten wir die Enkelgeneration aus Israel in Leipzig begrüßen. Sehr eindrucksvoll berichtete Ilan Neeman vom Schicksal seiner Familie. Gleichzeitig drückte er seine Dankbarkeit aus, dass so viele Menschen an dem Projekt
teilhaben.
In Zusammenarbeit mit dem Verein Zeitgeschichte(n) Halle wurden im Beisein der Enkelin Eve Kugler aus England zwei Steine in der ehem. Nordstr. 41 (Ecke Ernst-Pinkert-Str.) verlegt. Ihrem Großvater Moses Azderbal gelang zunächst die Flucht in die Niederlande und ihrer Tante Edith die nach Frankreich. Nach der deutschen Besetzung wurden sie in Auschwitz ermordet. Als Kind besuchte Eve Kugler aus Halle kommend oft ihren Großvater. Schülerinnen und Schüler der Leipzig International School nahmen sich des Schicksals an und referierten im strömenden Regen über den Leidensweg.
Während eines Praktikums im US Holocaust Memorial Museum in Washington lernte Johanna Sarah May das Schicksal der Leipziger 5-köpfigen Familie Sprung aus der Berggartenstr. 12 kennen und initiierte die Stolpersteine. Einzig Sohn Heinz überlebte eine über 5-jährige Haft und Zwangsarbeit in verschiedenen deutschen Konzentrationslagern. Seine beiden Söhne Peter und Jeff sowie dessen Tochter Hava aus den USA kamen nach Leipzig. Es war auch für diese Familie ein besonderer Moment, an ihre ermordeten Familienmitglieder zu denken. Das schlechte Wetter tat der beeindruckenden Zeremonie keinen Abbruch.
Zu einem besonderen Familientreffen kam es vor den Häusern Am Hirtenhaus 2-6. Margret Bach vereinte über zwanzig Mitglieder der Familie aus den USA, Israel, England und Deutschland, um an ihren Großvater Max Lesser und seine zweite Frau Mary zu erinnern. Beide hatten nur zwei Jahre im damaligen Seniorenheim „Am Hirtenhaus“. Als Juden schikaniert wurden sie 1942 in das Ghetto Riga deportiert und kamen ums Leben. Korrespondierend zu unserer Verlegung wurden zwei Tage später Stolpersteine für Großmutter Wally in Brandenburg an der Havel verlegt.
Zum gesamten Bericht der Stolpersteinverlegung mit Fotos gelangen Sie HIER.
Kontakt:
Archiv Bürgerbewegung Leipzig e. V.
Tel: 0341 30 65 175