Resumee des Projektes „Das Kriegsende im Tharandter Wald“: Führungen und Gespräche zum Tag des offenen Denkmals über das Kriegsende in Grillenburg
22.09.22
Am 11. September fand wieder der jährliche Tag des offenen Denkmals statt. Wir, Anke Binnewerg und Carola Ilian vom Projekt „Mitmach-Raum-Tagebuch im Tharandter Wald“, haben die Gelegenheit genutzt, um die Ereignisse der letzten Kriegswochen konkret für Grillenburg auszuwerten und vorzustellen. Dabei legten wir das Augenmerk vor allem auf die Erlebnisse und Erfahrungen der Zivilbevölkerung, um zu zeigen, wie der Krieg die Menschen in Grillenburg in ihrem Alltag unmittelbar betraf.
Schon bei der Vorbereitung waren wir etwas überfordert, denn die Fülle an Ereignissen in dem kleinen, 1939 gerade einmal 175 Bewohner zählendenden Ort zu Kriegsende war nahezu erschlagend. Nach dem Bombenangriff auf Dresden am 13. Februar 1945 erfolgte neben Einquartierungen ausgebombter Menschen auch die Verlegung der damaligen Landesregierung („Sächsische Reichsstatthalterei“) ins vermeintlich geschützte Grillenburg mitten im Tharandter Wald. Doch schon Mitte April wurde ein Personenzug in der Nähe des Ortes bombardiert, wobei vermutlich drei Personen ums Leben kamen. Es waren Geflüchtete aus Schlesien, die in einem Nachbarort untergekommen waren.
Durch Grillenburg zog wenige Tage später einer der drei „Todesmärsche“, die den Tharandter Wald betrafen. Am 21. April 1945 schleppten sich die Gefangenen aus dem 175 Kilometer entfernten Buchenwalder Außenlager Neustaßfurt entlang der Hauptstraße, wobei in der Nähe mindestens einer der Männer umkam. Nach weiteren Stationen durchs unwegsame Erzgebirge endete die Tortur erst 17 Tage später am 8. Mai in Annaberg, wo sie von der roten Armee befreit wurden. Allein auf diesem Todesmarsch verloren mindestens 221 der etwa 700 Gefangenen ihr Leben.
Doch das war nicht der einzige Bezug Grillenburgs zum nationalsozialistischen Zwangslagersystem. Schon seit 1939 mussten neben Strafgefangenen auch französische, belgische und sowjetische Kriegsgefangene Zwangsarbeit im Forst und beim Ausbau des Staatsprojektes „Sächsischer Jägerhof“ auf der Jagdschlossinsel leisten und unter anderem Teiche neu ausheben. Sie waren in Grillenburg und in den Nachbarorten untergebracht.
Vor, während und nach Kriegsende im Mai waren dann die Grillenburger selbst in das Kriegsgeschehen involviert. Sie waren von Fluchten, Militäraktionen, mehrfachen Plünderungen, Vergewaltigungen und Einquartierungen massiv betroffen bis hin dazu, dass Grillenburg zeitweilig eine Art sowjetisches Militärlager war, für das die Bewohner Versorgung und Dienstleistungen übernehmen mussten. Erst im Sommer 1945 normalisierte sich die Lage langsam.
Für die Führungen haben wir versucht, aus diesen vielen Informationen eine Art reduzierten Erlebnisbericht zu den wesentlichen Ereignissen „zusammenzuschneiden“. Gestützt haben wir uns dabei auf Briefe, tagebuchartige Aufzeichnungen und verschiedene Berichte ehemaliger Einwohnerinnen und Einwohner, die wir mit Informationen aus Forschung und Dokumenten abglichen. Zur Veranschaulichung erstellten wir erste Karten über Ereignisse und Zusammenhänge. So ausgestattet begaben wir uns am 11.9. zum Treffpunkt an der Brücke zum Grillenburger Jagdschlossareal. Obwohl unser Kooperationspartner André Kaiser mit Helfern parallel laufend Führungen durchs „Neue Jägerhaus“ durchführte, wurden wir von einer großen Menschentraube erwartet.
Die erste Führung geriet aufgrund der großen Teilnehmerzahl von ca. 60 Leuten eher zu einem Vortrag unter freiem Himmel. Der Kreis der Interessierten war sehr gemischt von alt bis jung, Menschen aus der Umgebung, aber auch aus Dresden, Glashütte und anderen Orten. Noch während wir in anschließenden Gesprächen vertieft waren und uns eine Materialsammlung übergeben wurde, bildete sich bereits eine neue Gruppe. Nun waren es etwa 30 Menschen, mit denen wir uns auf die Schlossinsel begaben. Auch diesmal folgten auf unsere Ausführungen viele Rückfragen, Hinweise und Anregungen. Gerührt waren wir von einer älteren Dame, die mit ihrem Rollator und Begleitpersonen extra nach Grillenburg gekommen war, um sich als Zeitzeugin zu melden. Die letzte Führung erfolgte schließlich in kleinem Kreis und hatte zum Teil den Charakter eines Arbeitstreffens, da wir mit zwei Einwohnern ins Gespräch kamen, deren Familie schon lange in Grillenburg ansässig ist.
Besonders bereichernd waren für uns die vielen Gespräche. Insgesamt zeigte sich ein großes Bedürfnis, über die Thematik zu reden. Wir führen das darauf zurück, da es um Erlebnisse und Erfahrungen aus Perspektive der Zivilbevölkerung geht und um Schauplätze im Lebensumfeld der Menschen. Das große Interesse und die Dankbarkeit haben uns sehr bestärkt.
Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage des Projektes.
Kontakt:
Projekt „Mitmach-Raum-Tagebuch im Tharandter Wald“
raumtagebuch@gmx.de