Heinz Krupicka (1912–1944)
Der Bäckergehilfe Heinz Krupicka gehörte zu den homosexuellen Häftlingen im Konzentrationslager Sachsenburg. Wie andere auch war er aber nicht wegen seiner Homosexualität in „Schutzhaft“ genommen worden. Seine Verfolgungschronik zeigt trotz einiger Lücken, wie widersprüchlich die Zuordnung eines Einzelnen innerhalb der Häftlingsgesellschaft sein konnte. War er ein homosexueller „Sicherungsverwahrter“, ein „Rückwanderer“ oder doch eher ein politischer „Schutzhäftling“? Was ist über den jungen Mann bekannt, der schon frühzeitig ins Visier der deutschen Justizbehörden geraten war?
Heinz Georg Krupicka (auch Krupiczka) wurde am 18. April 1912 als Sohn eines Eisenbohrers in der Seidenblumenstadt Sebnitz in der Sächsischen Schweiz geboren. Seine Eltern waren Anton Herbert Krupicka und Frieda Bertha Vierig. Seit wann sie in Sebnitz ansässig waren, ist nicht überliefert. Bekannt ist, dass sie die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft besaßen. Vor dem Jahr 1925 starb sein Vater. Die verwitwete Mutter lebte fortan von Heimarbeit. Mit ihrem Sohn wohnte sie in dem Haus Neustädter Straße 12.
Heinz Krupicka erlernte den Beruf eines Bäckers. Bereits am 26. April 1932 wurde er vom Schöffengericht Bautzen wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt zu 30 RM bzw. sechs Tagen Gefängnis verurteilt. Ob der Widerstand einen politischen Hintergrund hatte, ist nicht bekannt. Am 9. Januar 1934 stand Krupicka erneut vor Gericht. Vor dem Landgericht Bautzen musste er sich diesmal wegen sechs Sittlichkeitsverbrechen verantworten. Aufgrund der §§ 175/176 (sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts bzw. sexueller Missbrauch von Kindern) wurde er zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis sowie drei Jahren Ehrenrechtsverlust verurteilt. Die Untersuchungshaft wurde ihm angerechnet, sodass er schon am 14. Mai 1935 aus der Haftanstalt entlassen wurde. Bereits am 8. April 1935 hatte der Kreishauptmann zu Dresden-Bautzen verfügt, dass Krupicka als Ausländer aufgrund des Gesetzes über Reichsverweisungen vom 23. März 1934 umgehend aus dem Reichsgebiet ausgewiesen werden sollte. Krupicka lebte daraufhin in der nordböhmischen Stadt Niedereinsiedel (tschechisch Dolní Poustevna). Er fand dort auch eine neue Arbeit. Am 29. Juli 1935 wurde er jedoch erneut von der deutschen Justiz in Haft genommen. Was war geschehen?
Laut Haftbefehl war Krupicka dringend verdächtig, „am 28. Juli 1935 auf dem Hammerberg in Sebnitz die deutsche Reichsgrenze überschritten zu haben, ohne dass er im Besitz eines Passes oder Passersatzes war.“ Ein Zollgrenzangestellter hatte Krupicka an jenem Tag an der Landesgrenze auf deutschem Territorium „unbefugt“ angetroffen. Er gab gegenüber dem Bezirkszollkommissar zu Protokoll: „Während meines Dienstes sah ich am 28.7.1935 gegen 14.15 Uhr am Zaun des Parks des Fabrikbesitzers Hesse den Bäcker Krupicka, der die Reichsgrenze nach der Tschechoslowakei überschreiten wollte. Ich gab mich als Grenzbeamter zu erkennen und bat um seinen Ausweis. Dabei stellte ich fest, dass K. reichsverwiesen ist, also auch keinen Grenzausweis hatte. Ich nahm K. fest und führte ihn ab. In der Nähe des Grenzsteines 18/10, auf dem Wege über den Hammerberg, versuchte K. durch Flucht die Grenze zu erreichen. Ich konnte ihn jedoch noch rechtzeitig auf deutschem Boden fassen und an den Gartenzaun drücken. Dort hielt er sich jetzt krampfhaft fest und schrie: ‚Lassen Sie mich los, ich bin jetzt auf tschechischem Boden‘. Ich nehme an, dass K. dadurch die tschechischen Grenzbeamten, die sich dort oft aufhalten, auf seine Festnahme aufmerksam machen wollte. […] Eine Vernehmung war nicht möglich, da K. nur die Wahrheit vor Gericht aussagen wollte.“
Der Bezirkszollkommissar führte daraufhin eine erste Befragung des Verhafteten wegen „unbefugten Grenzübertritt“ durch. Als Grund für den Grenzübertritt gab Krupicka an: „Am 28.7.1935 gegen 14 Uhr war ich in Sebnitz bei meiner Mutter, um von ihr Geld in Empfang zu nehmen.“ Weitere Auskünfte verweigerte er. Das Hauptzollamt in Bad Schandau wandte sich noch am selben Tage mit einem Antrag auf Strafverfolgung an den diensthabenden Staatsanwalt beim Amtsgericht Sebnitz. Vor dem Gericht fand daraufhin eine weitere Befragung statt. Während dieser bestritt er, deutsches Reichsgebiet betreten zu haben. Er gab an, dass er mit seiner Mutter am 28. Juli 1935 das Annafest in Niedereinsiedel besuchen wollte. Zu diesem Zwecke hätte er an der Grenze auf sie gewartet. Ein „Abzeichen der Kommunistischen Jugend“ an seiner Kleidung wurde ihm, wie sich später zeigte, zum Verhängnis. Danach befragt, bestritt er, der Kommunistischen Jugend anzugehören. Der Haftbefehl folgte umgehend. Weil Krupicka Ausländer war, wurde Untersuchungshaft verhängt. Die Aufnahmeanweisung ins Gerichtsgefängnis enthielt den Vermerk „nicht zusammenlegen, da gleichgeschlechtlich veranlagt“.
Am 12. August 1935 wandte sich Krupicka mit einem Bittgesuch an das Amtsgericht, ihn von „einer weiteren Untersuchungshaft“ zu befreien. Dem Gesuch wurde jedoch nicht entsprochen, im Gegenteil. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurde am 14. August 1935 gegen ihn wegen illegalen Grenzübertritts eine Gefängnisstrafe von drei Wochen verhängt. Infolge der angerechneten Untersuchungshaft wurde Krupicka bereits am Nachmittag des 18. August 1935 aus dem Gerichtsgefängnis in Sebnitz entlassen.
Dies bedeutete jedoch nicht die Wiedererlangung der Freiheit, denn am 16. August 1935 hatte die Geheime Staatspolizei verfügt, Krupicka in „Schutzhaft“ zu nehmen und dem „Schutzhaftlager“ Sachsenburg zuzuführen. Er stand nunmehr „unter Verdacht der Kuriertätigkeit für die illegale KPD“. Gerade in den ersten Jahren der NS-Herrschaft gab es viele illegale Grenzstützpunkte der KPD und SPD in der Sächsischen Schweiz. Ob Krupicka tatsächlich die Grenzarbeit unterstützte, ist nicht belegt. Trotz mangelnder Beweise wurde ihm umgehend der „Schutzhaftbefehl“ ausgehändigt, demzufolge er am 20. August 1935 in das Konzentrationslager gebracht werden sollte. Zunächst wurde er in polizeiliche Verwahrungshaft genommen. Entgegen der Anordnung wurde er bereits am 19. August von einem Verwaltungsinspektor der Stadt Sebnitz in das „Schutzhaftlager“ überführt. Zuvor hatte er noch die Haftkostenschuld in Höhe von 19,50 RM begleichen müssen.
Die anschließende Verfolgungschronik weist nunmehr größere Lücken auf. Wie lange Krupicka in Sachsenburg in Haft war, ist nicht überliefert. Ob er in der Folgezeit entlassen oder doch im Sommer 1937 oder schon vorher in ein anderes Konzentrationslager überführt wurde, kann nicht mit Bestimmtheit gesagt werden. Bekannt ist nur, dass er am 20. Januar 1943 in das Konzentrationslager Mauthausen verlegt wurde. Von wo er eingeliefert wurde, geht aus der Liste der Lagerschreibstube nicht hervor. Er erhielt die Häftlings-Nummer 22.203. Am 24. Januar 1944 wurde der ehemalige Bäckergehilfe in das Nebenlager Gusen überstellt.
In Mauthausen wurde Krupicka als „Sicherungsverwahrter“ eingestuft. Dies waren Justizhäftlinge, die auf Grundlage einer Vereinbarung zwischen Reichsführer-SS Himmler und Justizminister Thierack ab September 1942 in das Konzentrationslager Mauthausen eingeliefert wurden. Ob Krupicka ab Ende 1943 auch beim Bau unterirdischer Fabriken, wie sie zum Beispiel in St. Georgen an der Gusen errichtet wurden, eingesetzt wurde, ist nicht überliefert. Die dort herrschenden unmenschlichen Arbeitsbedingungen trieben die Opferzahlen jedoch kontinuierlich in die Höhe. Zu den Toten gehörte auch Heinz Krupicka, der am Vormittag des 9. Februar 1944 infolge „Herzmuskelschwäche bei allgemeinem Körperverfall“ in Gusen „starb“.
Text: Dr. Jürgen Nitsche
Zur Person
Nachname: | Krupicka |
Vorname: | Heinz |
Nation/Land: | Deutschland |
Geburtsdatum: | 18.12.1912 |
Geburtsort: | Sebnitz |
Sterbedatum: | 09.02.1944 |
Sterbeort: | Gusen (Österreich) |
Letzter frei gewählter Wohnort: | Sebnitz |
Begräbnisstätte: | unbekannt |
Orte/Stationen der Verfolgung/Haft |
|
Ergänzungen
Quelle(n)/ Literatur |
Gerichtsakte, Hauptstaatsarchiv Dresden, Amtsgericht Sebnitz, Nr. 71
KZ-Gedenkstätte Mauthausen
Arolsen Archives
|
Sie kennen bzw. wissen etwas über Heinz Krupicka? Dann schreiben Sie uns bitte eine
E-Mail oder nehmen auf anderem Weg Kontakt mit uns auf.
Eine weitergehende Nutzung der hier abgebildeten Fotografien und Dokumente, zum Beispiel für eine Veröffentlichung, bedarf unserer Zustimmung.