Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus | Siegfried Reiprich: Defizite in der öffentlichen Erinnerung an NS-Zwangsarbeiter, Opfer von Todesmärschen, sowjetische Kriegsgefangene und Frühe Konzentrationslager
26.01.12
In zahlreichen Veranstaltungen wird auch in diesem Jahr am 27. Januar der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Der Sächsische Landtag widmet seine Gedenkstunde in besonderer Weise den körperlich und geistig Behinderten oder psychisch Kranken, die im Rahmen der NS-„Euthanasie“ ermordet wurden. Siegfried Reiprich, Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, hebt in diesem Zusammenhang die besonderen Verdienste der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein und ihres Fördervereins hervor. Beide hätten maßgeblichen Anteil daran, dass das grausame Schicksal dieser Menschen, aber auch die Verantwortlichen hierfür, nicht in Vergessenheit geraten.
Zugleich stellt Reiprich fest: "Trotz aller Bemühungen sind einzelne, auch bedeutende Opfergruppen des Nationalsozialismus im öffentlichen Bewusstsein nach wie vor nicht hinreichend präsent. Dies gilt zum Beispiel für die Zwangsarbeiter, die zehntausendfach in sächsischen Industriebetrieben und der Landwirtschaft als Arbeitssklaven ausgebeutet worden sind. Es gibt nahezu keinen Ort in Sachsen, an dem nicht Zwangsarbeiter eingesetzt worden sind. Trotzdem wird dieses Unrecht bislang im Freistaat nirgendwo ausreichend öffentlich thematisiert. Qualitative und quantitative Dimension des Zwangsarbeitereinsatzes sind den meisten unbekannt."
Zu den ungenügend im öffentlichen Bewusstsein verankerten Opfergruppen zählen des Weiteren die Opfer der Todesmärsche im Zuge der Auflösung der Konzentrationslager in den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges, sowjetische Kriegsgefangene sowie die Insassen der frühen Konzentrationslager 1933/34.
Reiprich ruft dazu auf, sowohl das bürgerschaftliche Engagement als auch die staatliche Unterstützung zu verstärken: "Wir brauchen eine stärkere und dauerhafte finanzielle Förderung der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig, aber auch Mittel für projektgeförderte regionale Aufarbeitungsinitiativen. Von besonderer Bedeutung ist die Errichtung einer zentralen Gedenkstätte Frühe Konzentrationslager am Standort des ehemaligen KZ Sachsenburg bei Frankenberg."
Die Stiftung sei sich der Haushaltslage des Freistaates Sachsen sehr wohl bewusst. Reiprich verweist jedoch auf die relative Bescheidenheit der Forderungen und appelliert an die Abgeordneten des Sächsischen Landtages und die Staatsregierung, alldies bei der geplanten Novellierung des Sächsischen Gedenkstättenstiftungsgesetzes zu berücksichtigen.
Veranstaltungen zum Gedenktag: https://www.stsg.de/cms/stsg/veranstaltungen/aktuell
Kontakt für Rückfragen: Siegfried Reiprich, Tel. (03 51) 4 69 55 42