Memorial International und die Dokumentation doppelter Verfolgung sowjetischer Kriegsgefangener in der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain
02.12.21
Am 14. Dezember dieses Jahres wird der Prozess gegen die Menschenrechtsorganisation Memorial International in Russland fortgesetzt. Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten hat eine der vielen in Deutschland initiierten Petitionen gegen die auf offensichtlich konstruierten Vorwürfen basierende juristische Verfolgung unterzeichnet. Es gibt in Bezug auf die Erforschung der stalinistischen Verfolgung in der SBZ/DDR vielfache Beispiele für den Wert der Zusammenarbeit zwischen sächsischen Gedenkstätten sowie Erinnerungsinitiativen und Memorial International.
Weitgehend unbekannt ist, dass Memorial International im Verlaufe ihrer mehr als 30 Jahre andauernden Arbeit für eine der größten Opfergruppen nationalsozialistischer Verfolgung, die sowjetischen Kriegsgefangenen, eine sehr bedeutende archivarische Sammlung aufgebaut hat.
Überlebende sowjetische Kriegsgefangene sahen sich nach ihrer Rückkehr in die Heimat mit dem Vorwurf der Kollaboration konfrontiert. Rückkehrer mussten in Prüf- und Filtrationslager des sowjetischen Innenministeriums und Geheimdienstes NKWD ihre Unschuld beweisen. Memorial International ist es zu verdanken, dass die stalinistische Verfolgung nach der Auflösung der Sowjetunion dokumentiert worden ist.
So analysierte Memorial International Interviews der Shoah Foundation mit überlebenden jüdischen Rotarmisten gezielt nach Aussagen zu den Umständen der sogenannten Repatriierung und Repressalien bzw. deren stalinistischer Verfolgung. Zeitzeugeninterviews ehemaliger sowjetischer Kriegsgefangener oder Dokumentationen ihrer stalinistischen Verfolgung sind rar. Dank dieser Forschungs- und Dokumentationsarbeit konnte die Gedenkstätte die Geschichten von überlebenden Kriegsgefangenen des Lagers Zeithain nach der Befreiung weiter erzählen. In diesem Jahr haben wir eine Medienstation in unsere Dauerausstellung integriert, wo erstmals Ausschnitte aus dem Interview eines Überlebenden, Dawid Isaakowitsch Dodin, Besucherinnen und Besuchern angeboten werden. 1941 in Gefangenschaft geraten überlebte er vier Jahre Kriegsgefangenschaft und achteinhalb Jahre Gulag-Haft.
Präsident Wladimir Putin zeichnete 2012 die Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain für Ihre Arbeit aus. Dazu gehört seit ihrer Wiedereröffnung 1999 immer auch die Dokumentation und Vermittlung der doppelten Verfolgung der sowjetischen Kriegsgefangenen und der damit verbundenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. In einem viel bedeutenderen und umfangreicheren Umfang leistet Memorial International diese wichtige Arbeit in Russland und im Rahmen vielfältiger internationaler Zusammenarbeit. In Anbetracht der drohenden Auflösung können wir nur unsere uneingeschränkte Solidarität versichern und uns der Einschätzung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier anschließen: "Die angedrohte Schließung einer angesehenen, hoch verdienstvollen Organisation wie Memorial durch offene Kriminalisierung ihrer wertvollen Versöhnungsarbeit und Forschung macht uns fassungslos."
Kontakt
Jens Nagel (Leiter Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain)
Tel: 03525 510460
jens.nagel@stsg.de