12. Juli 1941 – Ankunft erster sowjetischer Kriegsgefangener in Zeithain
09.07.21
Am 12. Juli 1941, vor genau 80 Jahren, kam der erste Transport mit ca. 2 000 sowjetischen Kriegsgefangenen am Bahnhof Jacobsthal in der Gemeinde Zeithain bei Riesa an. 20 Tage nach dem Beginn des deutschen Vernichtungskrieges im Osten. Zu den gefangenen Ankömmlingen gehörte der Leutnant Nikolaj Gutyrja. Er wurde bei der Verteidigung der Brester Festung von der deutschen Wehrmacht am 25. Juni 1941 gefangen genommen. Sein Weg führte ihn über Front- und Durchgangslager im besetzten Polen in das knapp 1 000 Kilometer entfernte Kriegsgefangenenlager Zeithain. In seinen Erinnerungen schildert er die Transportbedingungen: “Das in den Waggons durchlebte ließ sich nicht mit dem menschlichen Geist beschreiben. Stöhnen, Fluchen, tiefe Seufzer der Sterbenden, Fieberwahn, Blutvergiftungen, Wundstarrkrampf, Sehnsucht nach der Heimat – so lebte jeder Waggon überfüllt mit ehemaligen Kämpfern der roten Armee, jetzt Kriegsgefangene Hitlers.
Vor allem in den ersten Monaten des Krieges mussten die sowjetischen Kriegsgefangenen aufgrund langer Fußmärsche, fehlender Behausungen sowie völlig unzureichender Nahrung wochenlang Qualen während ihres Transportes ins deutsche Reich erleiden. Ein großer Teil von ihnen überlebte sie nicht.
Nach seiner Ankunft wurde Gutyrja im sogenannten „Russenlager Zeithain“ registriert. Er erhielt die Erkennungsmarkennummer 28. Anhand der Nummern kann heute ermittelt werden, wann die Gefangenen in Zeithain eintrafen. Ein Teil der ankommenden Kriegsgefangenen musste zu Fuß ins ca. 20 Kilometer entfernte Kriegsgefangenenlager Mühlberg weiter gehen. Der Bahnhof Jacobsthal diente der Wehrmacht seit 1941 als wichtige Ankunfts- und Verteilstation für die beiden Kriegsgefangenenlager. Schätzungsweise 274 000 Kriegsgefangene kamen bis April 1945 dort an.
Während Nikolaj Gutyrja die Ankunft in Zeithain aus Sicht eines gefangenen Sowjetsoldaten beschreibt, spiegelt eine Postkarte von Mitte Juli 1941 wider, wie die Deutschen die Ankunft der Kriegsgefangenen in Jacobsthal erlebten: Ein Gast, der am Bahnhof befindlichen Gaststätte „Hasenschänke“ schrieb: „Hier muss man kommen und schauen! Täglich werden hier Russen ausgeladen. Über 100 000 sollen hierher kommen. Man braucht einmal 2000 davon zu sehen, da hat man genug.“ Die Zeilen des Zivilisten zeigen, wie sehr antisowjetische Ressentiments in der deutschen Bevölkerung verbreitet waren. Die katastrophalen Transportbedingungen führten zudem dazu, dass völlig erschöpfte und abgemagerte Rotarmisten im Deutschen Reich ankamen, die mit ihrem ausgezehrten Aussehen genau dem von der NS-Propaganda entworfenen Zerrbild vom angeblich „bolschewistischen Untermenschen“ entsprachen.
Kontakt:
Nora Manukjan (Referentin Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain)
nora.manukjan@stsg.de
Tel: 03525 510472