Aus der Arbeit der Gedenkstätte Münchner Platz Dresden: Von einer Bitte nach Informationen über den hingerichteten Großvater zur Überführung seiner Urne ins Familiengrab
08.06.20
Am 7. Mai 2019 erreichte die Gedenkstätte Münchner Platz Dresden eine Bitte aus Mladá Boleslav um Informationen über František Šuk. Iveta Šuvarinová war für die Erstellung eines Stammbaumes auf der Suche nach ihren Vorfahren. Sie wusste bis dahin nur, dass ihr Großvater am 6. November 1942 in Dresden hingerichtet worden war. Die Leiterin der Gedenkstätte, Dr. Birgit Sack, konnte Frau Šuvarinová bestätigen, dass ihr Großvater, ein Fleischer aus Jičín, am Münchner Platz in Dresden hingerichtet worden war. Das Sondergericht Prag hatte ihn wegen „Schwarzschlachtungen“ zum Tode verurteilt. Auch wusste die Gedenkstätte durch die Recherchen zum letzten Verbleib der Dresdner Hinrichtungsopfer, dass seine sterblichen Überreste eingeäschert und am 9. Dezember 1942 auf dem städtischen Urnenhain Tolkewitz beigesetzt worden waren.
Allerdings war das Grab, wie andere auch, den zuständigen Stellen bis heute nicht als Ruhestätte eines Opfers von Krieg und Gewaltherrschaft bekannt. Deshalb war es nach Ablauf der 20-jährigen Ruhefrist aufgehoben worden.
Iveta Šuvarinová nahm die Einladung zu einem Besuch der Gedenkstätte und des Friedhofs an. Am 28. Oktober 2019 reiste sie nach Dresden und brachte der Gedenkstätte persönliche Unterlagen, unter anderem das abgebildete Familienfoto, mit.
Anschließend führte der Leiter des Urnenhains, Jens Börner, Frau Šuvarinová zum damaligen Bestattungsort. Iveta Šuvarinová konnte am Grab ihres Großvaters trauern. Damit hätte die Geschichte zu einem gewissen Abschluss kommen können. Noch blieb aber die Unsicherheit, wo sich die Urne tatsächlich befand. In der Regel, aber eben nicht immer, wurde diese nach Ablauf der Ruhefrist in derselben Grablage lediglich tiefer gelegt.
Nach der Abreise von Frau Šuvarinová schlug Jens Börner eine Sondierung vor. Tatsächlich lag die Urne noch im Grab. Daraufhin bot Herr Börner an, bei einer Überführung in die Tschechische Republik Frau Šuvarinová zu unterstützen, falls sie dies wünsche. Diese stimmte sofort zu. Nach Abwicklung der Formalitäten – so musste die Familie einen Nachweis über eine Grabstätte auf einem Friedhof einreichen – konnten die sterblichen Überreste in einer neuen Urne trotz Corona-Einschränkungen aus Dresden an den Städtischen Friedhof in Jičín versandt werden.
Am 1. Juni 2020 war es dann endlich soweit. Die Urne von František Šuk wurde feierlich im Familiengrab in Anwesenheit aller Enkelkinder auf dem Friedhof Jičin beigesetzt.
Auch um Angehörigen künftig die Recherche zu erleichtern, bereitet die Gedenkstätte mit tschechischen Kooperationspartnern ein zweisprachiges Online-Portal zu den fast 900 in Dresden hingerichteten tschechoslowakischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern vor.
Es ist immer wieder eine schöne Erfahrung, dass Recherchen nicht nur in einem Zuwachs an Wissen münden, sondern Angehörigen ganz unmittelbar dienlich sein können.
Kontakt:
Dr. Gerald Hacke (Wissenschaftliche Dokumentation und Ausstellungsbetreuung)
0351 46331952
gerald.hacke@stsg.de