Beispiele zur Schicksalsklärung sowjetischer Kriegsgefangener
03.08.12
Die Dokumentationsstelle Dresden erreichen monatlich hunderte Anfragen zu Schicksalen sowjetischer Kriegsgefangener des Zweiten Weltkriegs. Das Interesse an den heutigen Graborten ehemaliger sowjetischer Soldaten und deren Geschichte ist auch 67 Jahre nach Kriegsende sehr groß. Noch immer suchen Angehörige nach den letzten Ruhestätten ihrer während der Kriegszeit verstorbenen Verwandten.
Nicht immer sind die gewünschten Informationen leicht zu ermitteln, so auch im Fall von Pjotr Shikin:
Gikin oder Shikin?
Grabstätte eines sowjetischen Kriegsgefangenen in Torgau
454 sowjetische Bürger liegen heute auf dem Ehrenfriedhof in Torgau begraben.[1]
Pjotr Stepanowitsch Shikin (geb. 2.3.1920) ist einer von 59 namentlich bekannten sowjetischen Kriegsgefangenen, die nachweislich auf dem Friedhof an der Bahnhofsstraße in Torgau ihre letzte Ruhestätte fanden. Pjotr Shikin starb laut Angaben am 2.8.1942 im Arbeitskommando Villeroy & Boch im sächsischen Torgau.[2] Mit Hilfe der Erkennungsmarkennummer und Dokumenten der ehemaligen Wehrmachtsauskunftsstelle lassen sich heute auch unbekannte sowjetische Soldaten identifizieren, die oft bisher als vermisst galten. Im Fall von Pjotr Shikin ließen sich auf der Grundlage überlieferter Angaben und einem Personaldokument der Kriegsgefangenenverwaltung Informationen zu seinem Schicksalsweg ermitteln.[3]
Eine Suche auf der Grundlage eines überlieferten Namens allein gestaltet sich häufig schwierig. Nicht selten haben die Schreiber bei der Kriegsgefangenenregistrierung den Namen niedergeschrieben, so wie sie ihn verstanden. Auch fehlerhafte Übertragungen der Namen in den Verwaltungsunterlagen können Schreibweisen verfälschen. Im Ergebnis finden sich deutsche Schreibweisen von russischen Namen, die heute nur schwer wieder „entschlüsselt“ werden können. Kenntnisse in der Schreibweise slawischer Namen, deren Transliteration und nicht zuletzt Erfahrung in der Recherche nach sowjetischen Kriegsgefangenen können dabei sehr nützlich sein. So auch im Fall von Fjodor Gikin. Der am 2.3.1920 im Dorf Panino (Bezirk Kosinski, Gebiet Molotow - heute Kraj Perm') geborene Russe wurde im Stalag IV B mit der Nummer 150541 registriert. Zuletzt war er als Kriegsgefangener im Arbeitskommando der Firma Villeroy & Boch in Torgau eingesetzt. Am 2.8.1942 starb er im Arbeitskommando, laut Angaben, an allgemeiner Körperschwäche und wurde auf dem Friedhof in Torgau beigesetzt.
Anhand von Übereinstimmungen u. a. bei Geburts- und Sterbedaten sowie Erkennungsmarkennummer konnte festgestellt werden, dass es sich bei Fjodor Stepanowitsch Gikin und Pjotr Stepanowitsch Shikin um ein und dieselbe Person handelte. Daraufhin fanden sich weiterführende Informationen in den elektronischen Archivbeständen der Dokumentationsstelle Dresden bzw. der Online-Datenbank des russischen Verteidigungsministeriums. Auf der überlieferten Sterbefallanzeige zu Fjodor Gikin sind neben der Todesursache auch der Tag (und Stunde) der Beerdigung sowie die genaue Grablage dokumentiert.[4] Auch Unterlagen der ehemaligen sowjetischen Besatzungsorgane belegen 1992 die Existenz des Grabes eines Pjotr Shikin (geb. 1920, gest. 2.8.42).[5]
Pjotr Shikin wird als Opfer des Zweiten Weltkrieges in einem 2008 veröffentlichten Gedenkbuch gedacht.[6]
(Autor: Lars Thiele, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt „Sowjetische und deutsche Kriegsgefangene und Internierte. Forschungen zum Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit“)
Quellen:
(1) Siehe: Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft/ Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (Hrsg.): Grabstätten sowjetischer Bürger auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen. Gedenkbuch, Dresden 2008, S. 290.
(2) Personalkarte I, Quelle: Elektronisches Archiv der Dokumentationsstelle Dresden, Stiftung Sächsische Gedenkstätten, ID 135237.
(3) Vgl. Oleschinski, Wolfgang: Wer war Pjotr Shikin? In: Torgauer Zeitung vom 2.3.2012, letzter Zugriff: 12.3.2012.
(4) Sterbefall-Anzeige, Quelle: Elektronisches Archiv der Dokumentationsstelle Dresden, Stiftung Sächsische Gedenkstätten, ID 616841.
(5) Bis zum Abzug der sowjetischen/russischen Truppen 1994 von deutschem Boden waren soweit möglich alle Grabstätten und Friedhöfe sowjetischer Soldaten auf deutschem Gebiet (vornehmlich Gebiet der ehemaligen DDR) erfasst worden. Zum Friedhof in Torgau sind Fotoaufnahmen und Gräberlisten vorhanden. Eine Kopie der betreffenden Unterlagen befindet sich heute im Bestand der Dokumentationsstelle Dresden.
(6) Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft/ Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (Hrsg.): Grabstätten sowjetischer Bürger auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen. Gedenkbuch, Dresden 2008.