Einrichtung der Hinrichtungsstätte in Prag-Pankratz
Nach der Einrichtung der Hinrichtungsstätte in Prag im April 1943 wurden bis Ende September 1943 81 Menschen, darunter 78 Tschechinnen und Tschechen, einzeln oder in Gruppen nach Prag zurück transportiert. Sie waren vom Sondergericht Prag zum Tode verurteilt und zur Urteilsvollstreckung nach Dresden verbracht worden. Der neue Scharfrichter in Prag, Alois Weiß, sollte auf Wunsch der Prager Justizbehörden die Möglichkeit bekommen, sich „einzuarbeiten“. Einige Häftlinge mussten seit Ende 1941 in der Dresdner Haftanstalt in George-Bähr-Straße 5 auf ihre Hinrichtung warten. Der überraschende Rücktransport dürfte bei ihnen die Hoffnung auf Begnadigung geweckt haben. Die Hinrichtung in Prag erfolgte kurz nach der Ankunft.
Dr. Oskar Löwenstein (1897-1943)
Der tschechische Ingenieur war im Januar 1943 vom Sondergericht Prag wegen Urkundenfälschung zum Tode verurteilt worden. Mit Hilfe seiner Lebensgefährtin versuchte er, seine jüdische Identität zu verbergen, um seiner Deportation in ein Vernichtungslager zu entgehen. Eine Woche nach dem Todesurteil kam der 46-Jährige zur Urteilsvollstreckung nach Dresden. Dort besuchte ihn ein Mitarbeiter der Ufa in der Todeszelle, um seine Erfindung zum plastischen Film zu prüfen. Oskar Löwenstein bemühte sich unter Hinweis auf diese Erfindung vergeblich um eine Begnadigung. Am 30. Juni 1943 wurde er in einem Einzeltransport nach Prag-Pankratz zurückgebracht. Dort starb Oskar Löwenstein am 1. Juli 1943 unter dem Fallbeil.
Das Sondergericht Prag
Bereits seit März 1933 bestanden in allen Oberlandesgerichtsbezirken als „Sondergerichte“ bezeichnete Spezialstrafkammern der Landgerichte. Mit der Errichtung des „Protektorats Böhmen und Mähren“ im März 1939 wurde eine deutsche Gerichtsbarkeit eingeführt. Dazu gehörten auch Sondergerichte in Prag (Böhmen) und Brünn (Mähren). Die Errichtung dieser Sondergerichte fiel in eine Zeit, in der Charakter und Umfang der Sondergerichtstätigkeit durch kriegsstrafrechtliche Sonderbestimmungen, darunter die „Kriegswirtschaftsverordnung“ (KWVO) und die „Verordnung gegen Volksschädlinge“ (VVO) verändert wurde. In allen Fällen reichte der Strafrahmen bis zur Todesstrafe. Im Protektorat standen den Richtern zusätzliche Verordnungen zur Verfügung, die sich gegen „Waffenbesitz“ und „Sabotagehandlungen“ richteten oder der „Abwehr der Unterstützung reichsfeindlicher Handlungen“ dienten. Auch hier konnten Verstöße mit der Todesstrafe geahndet werden.
Im reichsweiten Vergleich stach die Sondergerichtsbarkeit im Protektorat durch eine außerordentlich drakonische Urteilspraxis hervor.
„Verbrecher in Richterroben“
1960 legte der „Ceský svaz protifasistických bojovníku” (CSPB, Tschechoslowakischer Verband der Antifaschistischen Widerstandskämpfer) die Broschüre „Verbrecher in Richterroben“ vor. Die aufsehenerregenden Veröffentlichungen der ČSSR und der DDR über die „Blutrichter“ trugen maßgeblich dazu bei, dass die westdeutsche Justiz Anfang der 1960er Jahre erste Ermittlungsverfahren einleitete.
Landgerichtsrat Fritz Littmann alias „Dr. Ludwig“
Der 1904 in Breslau geborene Fritz Littmann schloss sich 1934 dem Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund und 1937 der NSDAP an. Im Februar 1942 wurde er als Landgerichtsrat an das Sondergericht Prag abgeordnet. Bis Kriegsende war Fritz Littmann als stellvertretender Vorsitzender dieses Gerichts an zahlreichen Todesurteilen beteiligt. Nach Kriegsende geriet er in sowjetische Gefangenschaft. Nach seiner Entlassung zog Fritz Littmann in die Bundesrepublik, wo er sich als „Dr. Ludwig“ ausgab und als „Heimatvertriebener“ anerkannt wurde. 1961 leitete die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth wegen der Mitwirkung an Todesurteilen des Sondergerichts Prag ein Ermittlungsverfahren gegen Fritz Littmann ein, das 1963 eingestellt wurde. 1988 wurde das Verfahren im Rahmen eines Sammelverfahrens der Staatsanwaltschaft Bremen gegen Richter, Staatsanwälte und sonstige Justizangestellte wegen Mordverdachts auf dem Gebiet der ČSR wiederaufgenommen. 1992 wurde es mangels Beweises eingestellt.