Auszug aus dem Lebenslauf Stefan Hampels. Wehrmachtgefängnis Freiburg (Breisgau), Mai 1943 (Transkription)
„Auf diesem Urlaub hatte ich auch das Erlebnis, welches dann den mittelbaren Anlaß zu meiner Tat gab. Voriges Jahr im Mai wurde in Weißrußland eine Aktion durchgeführt, wobei durch ein Mordkommando (wie sich die Angehörigen des Kommandos selbst nannten) bestehend aus Polizei und SS alle dort lebenden Juden abgemordet wurden. Um den ungeheuren Eindruck, den dieses Erlebnis bei mir hinterließ, verständlich zu machen, möchte ich hier kurz schildern, wie diese Aktion vor sich ging. Am Vormittag traf das Kommando auf Lastwagen und Krafträdern in Wassiliski ein, bereits aus einer anderen Stadt kommend, wo sie am frühen Morgen bereits alle dort lebenden Juden abgeschossen hatten. In Wassiliski war das Ghetto bereits seit einigen Tagen hermetisch gesperrt und auf einem freien Platz ein Riesengrab geschaufelt. Im Ghetto wurden nun alle Juden auf der Hauptstraße zusammengetrieben, wo sie sich in Kolonnen familienweise niederknien mußten. Dann wurden sie durch einen dichten Kordon Polizisten bis kurz vor das Massengrab gejagt. Wer nicht schnell genug wollte, besonders alte Frauen und Kinder, wurde bereits auf diesem Wege abgeschossen. Die Straße war nachher übersät mit diesen Leichen. Vor dem Massengrab angekommen, mußten sich die 2000 Juden dann auf den Bauch legen, familienweise mußten sie dann aufstehen und passierten dann eine Kommission bestehend aus Herren der Zivilverwaltung, welche ihnen Geld, Schmuckstücke usw. abnahm und sie dann mit der Lederpeitsche weiterjagte. Dann mußten sie sich bis auf das Hemd entkleiden und in das Grab hineinsteigen. Besonders entsetzlich wirkte es auf mich, weil das alles schweigend vor sich ging. Die Juden waren so benommen, daß sie schweigend, sich fest umschlungen haltend, ins Grab stiegen, manche Kinder lachend wie im Spiel, sie begriffen nicht, worum es ging, bis sie auch mit einem Fußtritt hinabbefördert wurden. Viele Mütter mit ihren Säuglingen an der Brust. Ein Polizist des Mordkommandos erlitt, obwohl er doch solche Bilder schon gewöhnt sein mußte, einen Nervenzusammenbruch und wurde schreiend fortgeschafft. Dieses Erlebnis machte auf mich einen besonders tiefen Eindruck, weil ich immer daran denken mußte, was die Russen mit den Angehörigen deutscher Soldaten machen werden, wenn sie erfahren, was wir mit ihren Staatsangehörigen gemacht haben.“