Zeitzeuge zu Besuch in der Gedenkstätte Großschweidnitz
11.04.25

Nur noch wenige Menschen können über die Krankenmorde und deren Opfer berichten. Roland Richter gehört dazu.
Am 4. Mai besuchte uns Roland Richter. Er ist heute 88 Jahre alt. Das was ihn mit Großschweidnitz verbindet, liegt viele Jahrzehnte zurück. Es ist der Tod seines Bruders Siegfried, der 1945 in Großschweidnitz ermordet wurde. Über ihn berichtete er uns in einem Interview.
Roland Richter lebte mit seiner Familie im thüringischen Altenburg. Er hatte zwei Brüder Siegfried, der älteste, und Rainer, der kleinste. Siegfried kam in der Schule schwer mit, auch auf der Hilfsschule. Seit einem Sturz beim Eislaufen entwickelte er sich langsamer. 1942 erklärte man den Eltern, dass Siegfried nicht in der Hilfsschule bleiben könne. Sie stimmten schließlich zu, ihn in die Erziehungsanstalt Bräunsdorf bei Freiberg zu geben. Der Anstaltsdirektor dort zeichnete ein sehr negatives Bild von dem 10-jährigen Jungen. Er sei ungeschickt und eigenwillig. Er kam zu der Ansicht, dass eine „schulische oder arbeitstechnische Ausbildung“ nicht in Frage käme. Er meldete Siegfried dem „Reichsausschuss zu wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden“. Der „Reichsausschuss“ organisierte die „Kindereuthanasie“. Er veranlasste im Oktober 1943 die Verlegung von Siegfried Richter in die „Kinderfachabteilung“ Leipzig-Dösen.
Im Dezember 1943 wurde die Leipziger Abteilung nach Großschweidnitz verlegt, mit ihr alle Kinder, auch Siegfried Richter. Immer wieder holten ihn die Eltern auf Urlaub, das letzte Mail Weihnachten 1944. Familienfotos die Roland Richter aufbewahrt hat, zeugen davon.
Im Februar 1945 wurde Siegfried Richter in Großschweidnitz durch überdosierte Medikamente ermordet und auf dem Anstaltsfriedhof beerdigt.
Sein Bruder besuchte sein Grab das erste Mal vor etwa 10 Jahren. Heute erinnern dort Namenstafeln an die Ermordeten, auch an seinen Bruder. Dass er ermordet worden war, wusste Roland Richter. Es war in der Familie kein Geheimnis, öffentlich wurde allerdings nicht darüber gesprochen. Erst jetzt.
Wir danken Roland Richter für seine Offenheit und Bereitschaft uns Einblicke in seine Lebensgeschichte und die seines ermordeten Bruders zu geben.
Kontakt
Dr. Maria Fiebrandt (Referentin für wissenschaftliche Dokumentation, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit)
Tel: 03585-2113509
Maria.Fiebrandt@stsg.de