„Wehret den Anfängen!“ – Gedenkstunde der Landeshauptstadt zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus
30.01.23
Am vergangenen Freitag fand um 15 Uhr die traditionelle Gedenkstunde der Landeshauptstadt Dresden anlässlich Gedenktages zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus in der Gedenkstätte Münchner Platz Dresden statt. Nachdem dies in den vergangenen Jahren nur mit Einschränkungen möglich war, war die Gedenkstunde dieses Jahr wieder öffentlich zugänglich. Zahlreiche Dresdner und Dresdnerinnen erschienen, um an die Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen zu erinnern.
Oberbürgermeister Dirk Hilbert bezog sich in seiner Rede auf den bekannten Ausspruch des römischen Poeten Ovid „Wehret den Anfängen!“. Er warnte davor, dass die Grenze zwischen Fakt und Fiktion willentlich immer öfter verwischt werde, beispielsweise dürfe der Angriffskrieg auf die Ukraine in Russland selbst nach fast einem Jahr nicht „Krieg“ genannt werden.
In ihrem Grußwort unterstrich Prof. Dr. Roswitha Böhm, Prorektorin für Universitätskultur an der TU Dresden, die Bedeutung von Erinnerung und Gedenken. Die Stimmen der Menschen, an denen während des Nationalsozialismus Verbrechen begangen wurden, und deren Stimmen im Moment selbst oft ungehört verhallten, diese Stimmen müssten wir heute wieder hörbar machen, um für die Zukunft lernen zu können.
Die Vorsitzende des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden, Dr. Nora Goldenbogen, erinnerte an die konkreten Erfahrungen der Menschen, die vor 78 Jahren im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befreit wurden, und auch der Menschen, die teils noch bis Anfang Mai auf „Todesmärschen“ schreckliche Dinge erlebten – und vielfach nicht überlebten. Sie zitierte aus den Aufzeichnungen ihres eigenen Vaters, welcher im April 1945 einen solchen Todesmarsch mitmachen musste, und appellierte, die Erinnerungen an diese Verbrechen zu bewahren
Auch Wolfgang Howald, Vorsitzender des Münchner-Platz-Komitee e. V., bezog sich in seinem Schlusswort auf das „Aussterben“ der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen der Shoah und des Nationalsozialismus, und die Probleme, die für die Erinnerungskultur dadurch entstehen. Besonders Bezug nahm er auf die jüngst verstorbene polnisch-katholische Auschwitz-Überlebende Zofia Posmysz, die oft mit Jugendlichen ihre Erinnerungen teilte, und die das in ganz Europa zunehmende nationalistische und völkische Gedankengut mit großer Sorge betrachtete. Gedenken und Erinnerung dürfe nicht bloß ein hohles Ritual sein, sondern müsse dazu führen, dass wir uns unserer Verantwortung bewusst werden, den Artikel 1 unseres Grundgesetzes als Kompass zu nutzen: Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Der Chor des Gymnasiums Dresden-Klotzsche umrahmte die Veranstaltung musikalisch. Anschließend legten die Anwesenden noch Blumenschmuck und Kerzen im ehemaligen Richthof nieder und gedachten individuell der Opfer des Nationalsozialismus. Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau durch die sowjetische Armee befreit. Seit 1996 ist dieser Tag in Deutschland der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.
Um eine Überschneidung mit dem am Freitagnachmittag beginnenden Sabbat zu vermeiden, fand die Begleitveranstaltung der Gedenkstätte Münchner Platz Dresden diesmal am Vorabend, dem 26. Januar, statt. Eine Filmvorführung mit anschließendem Gespräch beleuchtete die Biografie von Zofia Posmysz. Die Dokumentation zeigte vor allem Gespräche mit der Schriftstellerin, teilweise auf dem Gelände Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Nach dem Film unterhielten sich Dr. Birgit Sack, Leiterin der Gedenkstätte Münchner Platz Dresden, und Margot Werner, die sich mit Zofia Posmysz über die Theater-Adaption von deren Erzählung „Christus von Auschwitz“ durch ihre Schauspielgruppe angefreundet hatte.
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