„... und wir müssen wachsam bleiben“. Gedenkstunde der Landeshauptstadt zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus
27.01.22
Um 11 Uhr fand am heutigenTag zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus die Gedenkstunde der Landeshauptstadt Dresden in der Gedenkstätte Münchner Platz Dresden statt. Wegen der aktuellen Corona-Beschränkungen konnten nur wenige geladene Gäste daran teilnehmen.
Der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt, Dirk Hilbert, begrüßte die anwesenden Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung, der Landtags- und Stadtratsfraktionen sowie der Kirchen und Religionsgemeinschaften.
Viktor Klemperer zitierend betonte er die schleichende Entwicklung von diskriminierenden Beschränkungen, die jüdische Menschen seit 1933 im Alltags- und Berufsleben erfuhren und die in den kaum fassbaren Massenmorden in den eroberten Gebieten Polens und der Sowjetunion endeten.
Die vermeintliche Normalität, die die deutsche Bevölkerungsmehrheit gegenüber der zunehmenden Diskriminierung, Ausgrenzung und Unterdrückung der jüdischen Minderheit entwickelte, hob die Prorektorin für Universitätskultur an der TU Dresden, Prof. Dr. Roswitha Böhm, hervor. Sie zitierte in ihrer Rede Primo Levi: „Wir können es nicht verstehen. Aber wir können und wir müssen verstehen, woher es entsteht, und wir müssen wachsam bleiben. Wenn es schon unmöglich ist zu verstehen, so ist doch das Wissen notwendig. Denn das Bewusstsein kann wieder verführt und verdunkelt werden: auch das unsere.“
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Dresden, Michael Hurshell, wies darauf hin, dass unmittelbar nach der berüchtigten Wannsee-Konferenz, also bereits am 21. und 22. Januar 1942, 785 jüdische Menschen aus sächsischen Gemeinden in die Sammel- bzw. Vernichtungsstätten deportiert wurden. Dass nun ausgerechnet der Leipziger Bahnhof in Dresden, von dem aus die Deportationszüge starteten, als Sitz eines Erinnerungs- und Ausstellungsort in Aussicht genommen wurde, erfülle die Mitgliederinnen und Mitglieder der jüdischen Gemeinde mit Hoffnung.
Mit dem Gedicht „Den Juden Polens“ von Władysław Broniewski begann Wolfgang Howald seinen abschließenden Beitrag. Die Worte der neuen Staatsministerin für Kultur, Claudia Roth, bei ihrem jüngsten Besuch in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald aufgreifend, unterstrich er die Bedeutung von Gedenkstätten und –initiativen für die Aufrechterhaltung der Erinnerung: „Ich will zeigen, dass Erinnerungskultur sich nicht vornehmlich in Vergangenheit begräbt, sondern dass sie die Aufgabe hat, sich in die Zukunft zu erinnern“.
Die Gedenkstunde wurde auch in diesem Jahr musikalisch vom Violinisten Florian Mayer umrahmt.
In den Nachmittagsstunden nutzten Dresdnerinnen und Dresdner die Möglichkeit, im Hof der Gedenkstätte individuell der Opfer zu gedenken.
Kontakt:
Dr. Gerald Hacke (Wissenschaftliche Dokumentation und Ausstellungsbetreuung)
Tel. 0351 46331952
gerald.hacke@stsg.de