#Kalenderblatt – Heute vor 66 Jahren: Gerhard Benkowitz (1923 – 1955) wird hingerichtet
29.06.21
Gerhard Benkowitz war 31 Jahre alt, als er im April 1955 von der DDR-Geheimpolizei verhaftet wurde. Seit 1949 lieferte der stellvertretende Schulleiter und Russischlehrer aus Weimar Informationen an die aus Westdeutschland heraus agierende „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ (KgU). Diese antikommunistische Organisation wurde von der CIA gesteuert und war bis 1952 auch für Sabotageakte im Fall einer direkten Ost-West-Konfrontation vorgesehen. 1955 bestand die Untergrundtätigkeit vor allem aus der Informationssammlung, dem Verbreiten antikommunistischer Flugblätter und dem Schreiben von Drohbriefen an SED-Funktionäre.
Zur Abschreckung plante das SED-Regime einen Schauprozess gegen die KgU. Die Wahl fiel auf Gerhard Benkowitz, seinen Freund Hans-Dietrich Kogel sowie drei weitere KgU-Mitarbeiter aus Gera, Triptis und Dresden, die nichts mit der Weimarer Gruppe zu tun hatten.
Gerhard Benkowitz glaubte, dass eine schonungslose und übertriebene Selbstanklage das beste Mittel zur Verteidigung sei. Das hatten ihm seine Vernehmer und sein Pflichtverteidiger eingeredet. Was er nicht wusste: er war nur Teil eines Theaterstücks, einer Schmierenkomödie auf Kosten der Angeklagten. Diese wie auch die Zeugen, Richter, Staatsanwälte und Verteidiger hatten vorgegebene Rollen zu spielen, die sich in ein von der SED-Führung abgesegnetes propagandistisches Gesamtkonzept einfügten.
Knapp zwei Wochen vor Prozessbeginn stand sein Ausgang bereits fest. In einer Mitteilung an SED-Chef Walter Ulbricht wurde dieser nicht nur über die Anklagepunkte und die Prozessinszenierung, sondern auch über die auszureichenden Strafen informiert. Für Gerhard Benkowitz war die Todesstrafe vorgesehen, für Hans-Dietrich Kogel eine Haftstrafe zwischen zehn und fünfzehn Jahren.
Walter Ulbricht erklärte durch handschriftlichen Vermerk sein Einverständnis, änderte aber die empfohlene Freiheitsstrafe eigenhändig (mit zwei Gänsefüßchen) in eine Todesstrafe um. Das Oberste Gericht der DDR entschied natürlich nach Anweisung.
Bereits sechs Tage nach Urteilsverkündung wurden Gerhard Benkowitz und Hans-Dietrich Kogel unter größter Geheimhaltung in der zentralen Hinrichtungsstätte der DDR in Dresden getötet. Auf dem Totenschein wurde kein Sterbegrund vermerkt, die Angehörigen erst nach Wochen und nur mündlich informiert. Die Herausgabe der sterblichen Überreste wurde verweigert.
Erst nach der friedlichen Revolution war es möglich, die Urne von Gerhard Benkowitz zu sichern und in einem Familiengrab in Hamburg-Bergedorf beizusetzen. Zum Gedenken an die staatlich angeordnete Tötung von Gerhard Benkowitz sendet Jürgen-Kurt Wenzel aus Hamburg alljährlich Blumen.
Kontakt:
Dr. Gerald Hacke (Wissenschaftliche Dokumentation und Ausstellungsbetreuung)
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