Josef Doroba (1904–1956)
Stefan Doroba aus Dresden wurde knapp 30 Jahre nach dem Tod seines Großvaters Josef geboren. Selbst die Kinder von Josef Doroba hatten kaum Erinnerungen an ihren in Galizien geborenen und von dort 1940 nach Deutschland übergesiedelten Vater. Der Landwirt verstarb bereits 1956 nach schwerer Krankheit.
Stefan Dorobas Interesse an der Geschichte der Familie bestand schon eine gewisse Zeit. Jedoch fehlte wie so oft im Leben ein Stein, der die Dinge ins Rollen bringt. Am Beginn seiner Recherchen wusste Herr Doroba so gut wie nichts über seinen Großvater mütterlicherseits, dessen Nachnamen er immerhin trägt, nicht einmal sein Geburtsdatum kannte er. Bei einer Internetrecherche stieß er überraschend auf der Website der Dokumentationsstelle zu verurteilten und rehabilitierten Deutschen, auf einen Eintrag zu „Doroba, Josef, geboren 1904 in Kobelniza-Fellbach/Polen“. Um mehr über diesen Eintrag zu erfahren, stellte Herr Doroba am 9. Mai 2017 einen Antrag auf Auskunft bei der Dokumentationsstelle Dresden.
Dort wurde man schnell fündig und konnte ihm bereits am 15. Mai 2017 antworten. Die Überprüfung einer Datenbank, die von Günther Wagenlehner im Auftrag des Bundesministeriums des Innern in den 1990er-Jahren auf der Grundlage von Archivdokumenten in russischen Archiven angelegt worden war, und ein Bescheid der Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation über die Rehabilitierung Josef Dorobas ergaben erste Hinweise.
Josef Doroba war als Angehöriger der deutschen Wehrmacht am 9. Mai 1945 bei Königgrätz (heute Hradec Králové, Tschechische Republik) in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten. Am 25. Dezember 1949, also viereinhalb Jahre später, wurde er von einem Militärgericht des Innenministeriums (MWD) der Aserbaidschanischen Sowjetrepublik wegen Spionage zu 25 Jahren Besserungsarbeitslager verurteilt. Während seiner Gefangenschaft war er in verschiedenen Lagern in Haft. Nach dem von der Dokumentationsstelle Dresden im Jahre 2010 gemeinsam mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und dem DRK-Suchdienst sowie russischen Archiven herausgegebenen Findbuch „Orte des Gewahrsams von deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion (1941-1956)“ befanden sich diese Lager in Makajewka und Stalino (beide Ukraine), Karadag und Mingetschaur (beide Aserbaidschan) sowie in Rostow am Don (Russland). Über das Lager Nr. 69 in Frankfurt/Oder wurde Josef Doroba am 30. September 1953 aus der Gefangenschaft entlassen.
Datenbank und Rehabilitierungsbescheid ließen jedoch offen, was sich hinter dem Spionagevorwurf konkret verbarg. So erteilte Stefan Doroba der Dokumentationsstelle Dresden eine Vollmacht für die Akteneinsicht, die im Dezember 2017 im Zentralarchiv des Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB, Nachfolgebehörde des KGB) in Moskau genommen werden konnte. Die Einsichtnahme in die nur 42 Blatt umfassende Akte P-6313 ergab, dass Josef Doroba am 9. Dezember 1949 von der „Operativen Abteilung“ des Kriegsgefangenenlagers 444 unter dem Vorwurf verhaftet worden war, während seines Dienstes in der Wehrmacht bei einer Frontaufklärungseinheit 17 Diversanten für den Einsatz im Hinterland der Roten Armee ausgebildet zu haben. Seine Tätigkeit bei der Wehrmacht war den sowjetischen Untersuchungsorganen freilich bereits seit den ersten Verhören im Juli 1945, die in der Akte dokumentiert sind, bekannt, ohne dass dies zu einer Verurteilung geführt hätte. Schon zehn Tage nach der „Verhaftung“ wurde er mit der Anklage vertraut gemacht und weitere sechs Tage später bereits verurteilt.
Nicht selbstverständlich war, dass sich Josef Doroba während der Gerichtsverhandlung und in seiner schriftlichen Berufung klar und deutlich zu seiner Unschuld bekannte. In seiner Berufung schrieb er am 26. Dezember 1949 abschließend: „Ich habe mich also keines Verbrechens schuldig gemacht u. bin unschuldig. Ich bitte das hohe Gericht meine Sache gerecht zu urteilen [so im Original] u. mich freizusprechen, u. mich in meine Heimat zu entlassen.“ Seine Berufung gegen das Urteil wurde jedoch abgewiesen. Die Heimat und seine Familie sah er erst mehr als vier Jahre nach der Verurteilung und mehr als acht Jahre nach der Gefangennahme wieder.
Viel später, nach dem Ende der Sowjetunion, wurde das Urteil am 29. Mai 2002 im Rahmen einer Überprüfung der Urteile von Amts wegen durch die Hauptmilitärstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation aufgehoben. Die Rehabilitierung wurde damit begründet, dass sich in der Akte keinerlei Beweise für die vorgeworfene Spionage befänden, dass im Verfahren keine Zeugen gehört wurden und dass es auch keine Hinweise auf andere Verbrechen gegen die UdSSR oder gegen deren Bürger gäbe. Somit sei Josef Doroba einzig und allein aus politischen Gründen verurteilt worden.
Er gehört damit zu den insgesamt etwa 34 000 deutschen Soldaten, die zwischen 1941 und 1953 in der Kriegsgefangenschaft durch sowjetische Militärgerichte verurteilt worden sind. In einer regelrechten Kampagne kam es zwischen November 1949 und August 1950 zu Massenverurteilungen von mehr als 16 500 deutschen Kriegsgefangenen. Wichtigste Ziele der Prozesse waren die Bestrafung von Kriegsverbrechern, die Verhinderung der Rückkehr von „Reaktionären“ und „Revanchisten“ nach Deutschland sowie die Sicherung des Bedarfs der sowjetischen Industrie an Zwangsarbeitern. Die Verurteilung von Josef Doroba scheint letzterem Zweck gedient zu haben.
Nach der Akteneinsicht erhielt Stefan Doroba einige wenige Kopien von Dokumenten aus der Akte: vom Protokoll des ersten Verhörs nach der Gefangennahme, schon im Juli 1945, von einem handgeschriebenen selbstverfassten Lebenslauf, vom Urteil des Militärtribunals und von Dorobas Berufung dagegen. Weitere Kopien aus der von der Hauptverwaltung des Innenministeriums für Kriegsgefangene und Internierte (GUPWI) angelegten Kriegsgefangenenakte erhielt Stefan Doroba durch eine Anfrage beim DRK-Suchdienst.
Inzwischen hat Stefan Doroba durch Archivrecherchen und Anfragen umfangreiches Material über den Lebensweg seines Großvaters zusammengetragen. Ein bislang leeres weißes Blatt der Familiengeschichte konnte dadurch geschrieben werden. „Darüber hinaus aber habe ich auch viel über die historischen Umstände, in die mein Großvater hineingeraten ist und in denen er sich behaupten musste, erfahren“, so Stefan Doroba. Besonders interessant war für ihn, dass sich die Geschichten, die er immer schon von seinen Verwandten gehört hatte, aber immer nicht so recht glauben konnte, als einigermaßen wahr herausgestellt haben. Herr Doroba zieht zusammenfassend folgendes Fazit: „Die Komplexität der Ereignisse Anfang des 20. Jahrhunderts ist nach heutigem Ermessen unvorstellbar. Die Akteneinsicht hat sich für mich auf jeden Fall gelohnt, denn sie trug dazu bei, die Geschichte nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.“
Zur Person
Nachname: | Doroba |
Vorname: | Josef |
Nation/Land: | Deutschland |
Geburtsdatum: | 01.01.1904 |
Geburtsort: | Kobelniza-Fellbach/Polen |
Sterbedatum: | 01.01.1956 |
Ergänzungen
Links: |
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